Neue Ideen mit System entwickeln

Dienstleistungen | Mehr Umsatz durch den gezielten Ausbau von Dienstleistungen – dank wissenschaftlicher Unterstützung können das auch Handwerksbetriebe schaffen.

Neue Ideen mit System entwickeln

Es ist eine Binsenweisheit: Damit das Geschäft wie geschmiert läuft, muss die Auslastung der Produktionsmittel knapp über 100 Prozent liegen. Markus Hinnüber fährt 116 Prozent Auslastung und mehr, und das seit vielen Jahren. Um dieses Wachstum beibehalten zu können, setzt der Chef der August Kreienbaum GmbH in Warendorf kontinuierlich auf den Ausbau von Dienstleistungen. Im Vordergrund steht dabei die Kooperation. „Wir haben unsere Lieferanten einfach zu Partnern gemacht“, umreißt der Tischlermeister kurz und knapp das Konzept. Vor 20 Jahren, als er die 1930 gegründete Firma kaufte, war Kreienbaum eine von vielen in der Region ansässigen Bautischlereien. Allerdings arbeiteten etliche von ihnen schon damals unter dem Dach eines Handwerkerverbundes zusammen. Sie bildeten den Grundstock für ein modernes Netzwerk, in dem heute 80 verschiedene Unternehmen kooperieren.

Ideen müssen gelebt werden

Das Handwerk bildet nach wie vor das Rückgrat dieser Ideenräume GmbH, die von Markus Hinnüber ebenfalls als Geschäftsführer geleitet wird. Zusammen mit den Handwerksbetrieben der Region richteten sich hier Industriebetriebe, Handelseinrichtungen, aber auch Architekten und Ingenieurbüros ein. „Auf 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche bieten unsere Ideenräume individuelle Hoteleinrichtungen mit einem unverwechselbaren Charakter an“, so Markus Hinnüber. „Aber Ideen und auch die Räume, in denen sie sich widerspiegeln, müssen gelebt werden“, erklärt der Unternehmer. Das ungewöhnliche Marketingkonzept bestand deshalb darin, ein richtiges Hotel aus dem münsterländischen Boden zu stampfen, statt eine weitere Messe mit diversen Möbelarrangements hinzustellen. Der Erfolg gab den Initiatoren Recht: Nach der Eröffnung der „Ideenräume“ reisten 94 Hoteliers aus ganz Europa sowie mehr als 100 Architekten an.

Für Ewald Heinen, Geschäftsführer des Instituts für Technik der Betriebsführung (itb) in Karlsruhe, sind die münsterländischen Ideenräume geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie es Handwerksbetrieben gelingt, sich durch den systematischen Ausbau von Dienstleistungen neue Wettbewerbschancen zu eröffnen. Er ermutigt die Unternehmerinnen und Unternehmer dazu, sich auf Neues einzulassen: „Gerade für die kleinen und mittleren Betriebe werden die Prozesse immer komplizierter. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und damit Handwerk auch wirklich wieder goldenen Boden hat, ist es wichtig, den Kunden nicht nur ein Produkt, sondern vollständige Problemlösungen anzubieten.“ Da könnten Partnerschaften, Kooperationen sowie die gemeinsame Nutzung von Akquisitions-, Marketing- und Verkaufswegen durchaus eine interessante Lösung sein, so der Dienstleistungsexperte.

Unterstützung von der Politik

Dem Ziel des systematischen Ausbaus von Dienstleistungen in kleinen und mittleren Unternehmen dient jetzt auch ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes und vom itb durchgeführtes Transfer-Projekt namens „Service-Engineering – Innovationstreiber in KMU“ (www.service-engineering-kmu.de). Dies geschieht vor allem durch die Einbeziehung von Praxispartnern wie Betrieben, aber auch von Wirtschaftsorganisationen und -verbänden. Das Projekt, das gleichzeitig Teil der Hightech-Strategie der Bundesregierung ist, zielt vor allem auf das Know-how dieser Praxispartner und bedient sich dabei einer Doppelstrategie – der exemplarischen Erprobung innovativer Methoden und Modelle in sogenannten Pilotbetrieben einerseits und dem zielgerichteten Know-how-Transfer von erfolgreichen Ideen durch eine Reihe von Veranstaltungen andererseits.

Schließlich bergen neue Dienstleistungen nicht nur auf volkswirtschaftlicher Ebene Potenzial für Wachstum und neue Arbeitsplätze. Auch auf betrieblicher Ebene schaffen sie die Voraussetzungen für Unternehmen, um sich nachhaltig im Wettbewerb zu positionieren. Das Projekt versucht Antworten auf folgende Fragen zu geben: Wie können Dienstleistungen systematisch entwickelt werden, damit hochwertige Produkte entstehen? Und wie kann man die Dienstleistungsentwicklung vorantreiben?

Mehr Service-Engineering

Dem sogenannten Service-Engineering wird dabei eine wichtige Impulsfunktion beigemessen. Vereinfacht erklärt, heißt Service-Engineering, dass Dienstleistungen ähnlich systematisch entwickelt werden können wie beispielsweise technische Innovationen.

Allerdings reichen Instrumente und Methoden dabei nicht aus, kreative Kräfte in Unternehmen und entsprechende organisatorische Rahmenbedingungen müssen hinzukommen, damit sich die Kräfte entfalten können und zu neuen Ideen und Produkten führen.

Ein Beispiel dafür ist Jürgen Kull, Chef der Kull Schmiede-Design GmbH in Bruchsal. „Jeder Baumarkt bietet heute Türklinken oder Briefkästen, Sprechanlagen und ähnliche Dinge an“, weiß er sehr genau. „Preislich ist dieser Wettbewerb für mich nur ruinös.“ Also stellt Kull den Qualitätswettbewerb in den Vordergrund und fertigt nach eigenen Entwürfen Schmiede- und Designprodukte für Haus und Garten. Die Kunden erhalten Unikate mit unverwechselbarem Design.

Etwa 450 Produkte zeigt Kull auf einer 700 Quadratmeter großen, europaweit einmaligen Ausstellung in Bruchsal. Ein viersprachiger Internet-Shop (www.kull-design.com) gestattet dem Kunden darüber hinaus zu jeder Tages- und Nachtzeit virtuelle Spaziergänge durch die Welt des Kull-Designs. Mehr noch: Eine Fülle von Produktinformationen erhält der Design-Spaziergänger außerdem. Er bekommt sogar Montageanleitungen und Pflegetipps. Die klare, nachvollziehbare Preisdarstellung mit automatischer Versandkostenermittlung je nach Versandmenge und Länderauswahl sowie automatischer EU- und Nicht-EU-Mehrwertsteuerausweisung erleichtern den Auswahlprozess. „In unserem Internet-Shop wird jeder Kunde so individuell bedient, als wäre er persönlich anwesend“, garantiert der Firmenchef. Stolz ist er darauf, dass sein Internet-Shop auf der diesjährigen CeBIT als Best-Practice-IT-Lösung ausgezeichnet wurde. Und gäbe es trotzdem mal eine Frage, die diesen Online-Service überfordere, stünde immer ein Fachmann am Telefon oder via E-Mail bereit, der auch noch die ausgefallensten Wünsche in kürzester Zeit zu erfüllen helfe.

International ausgerichtet

Denken wie der Kunde und ein entsprechendes Serviceangebot aber sind nur ein Weg in die Qualitätsnische von Kull-Design. Parallel dazu erschloss sich der Unternehmer durch eingehende Marktanalyse und eine konsequente internationale Ausrichtung neue Kundengruppen. Unterstützung bekam er vom Karlsruher itb, das im Rahmen seiner Projekttätigkeit gemeinsam mit Kull Schmiede-Design und anderen Handwerksbetrieben nach Wegen suchte, die Position der Betriebe am Markt durch Dienstleistungsaufbau zu verbessern. Die Teilnahme am itb-Forschungsprojekt, sagt Kull, habe seiner Firma einen Schub gegeben. Er sieht seine Marktchance in der Kombination von perfekten Sachleistungen und hoher Dienstleistungskompetenz.

Reinhard Myritz

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de