Naturkatastrophen: Die Flut geht, der Schaden bleibt

Experten schätzen die Schäden aus der aktuellen Hochwasserkatastrophe auf bis zu vier Milliarden Euro. Wie Handwerksunternehmer ihren Betrieb für den Ernstfall richtig absichern.

  • Bild 1 von 5
    © imago/blickwinkel
    Deichbruch an der ­bayerischen Mangfall: ­ Kolbermoor, im Landkreis Rosenheim, wurde überflutet.
  • Bild 2 von 5
    © Julia Rotter
  • Bild 3 von 5
    © Stephan Floss
  • Bild 4 von 5
    © Signal Iduna
    „Naturgefahren zu igno­rieren wäre für Hand­werker ein großer ­Fehler.“ Thore Glissmann, ­Beauftragter Sachschäden bei der Signal Iduna.
  • Bild 5 von 5
    © ZU_09/iStockphoto
    Zum Hochwasserschutz gehören mobile Schutzwände: Köln und Dresden schützen so gefährdete Gebiete.

Die Flut geht, der Schaden bleibt

Nach der Jahrhundertflut von 2002 hatte keiner mit einer baldigen Wiederholung gerechnet. Aber im Mai und Juni 2013 kam es noch schlimmer. Starkregen im ganzen Bundesgebiet ließ Elbe, Saale und Donau zu Höchstständen anschwellen, das Grundwasser stieg in einigen Regionen auf Rekordhöhe.

Die Folgen sind bekannt: Betriebe und Wohnhäuser in Deggendorf im Süden oder Grimma im Osten standen bis zum Dach unter Wasser. Die Versicherungswirtschaft schätzt die Schadenhöhe derzeit auf bis zu vier Milliarden Euro. 180 000 Einzelschäden meldeten Versicherte bis jetzt den Gesellschaften.

Schutz der Kommunen versagte

Einer der betroffenen Handwerksunternehmer ist Georg Hauser, Steinmetz und Inhaber von Hauser Naturstein GmbH in Rosenheim-Schwaig. „Unser Grundstück stand bis zu 70 Zentimeter unter Wasser: die Ausstellungsräume, die Werkstatt und das Wohnhaus“, sagt der Unternehmer. Hauser ist an der Mangfall aufgewachsen, trotzdem war das für ihn kein normales Ereignis. „Hochwasser kennen wir. Aber nicht diese Wasserhöhe. Viele Betriebe hat es in der Region erwischt. Das ist schwer zu akzeptieren, weil die Kommune Schutzmaßnahmen wie die Deichsanierung einfach verschleppte“, so der Steinmetz. Der Schaden von Hauser wird nach Aussage eines Gutachters zwischen 200 000 und 240 000 Euro liegen.

Der Unternehmer hat bereits 2001 in Bau-Massnahmen zum Schutz vor Hochwasser investiert: Das Betriebsgebäude wurde ohne Keller etwas höher angelegt und Lagerhochflächen eingerichtet. Dennoch bekam Hauser keinen Versicherungsschutz für den Natursteinbetrieb und sein Wohnhaus. Das Problem: Das Grundstück der Hauser GmbH liegt in der höchsten Risikozone der Versicherungswirtschaft.

  • Vita: Georg Hauser
  • Georg Hauser, Geschäftsführer der Hauser Naturstein GmbH in Rosenheim-Schwaig, beschäftigt sieben Mitarbeiter. Hauser hat sich mehrfach um Versicherungsschutz bemüht. Abgelehnt: Die Hauser GmbH liegt in der höchsten Risikozone. Sein Schaden nach der Flut 2013: bis zu 240 000 Euro.
  • Vita
  • Gabriele Gromke, Inhaberin des Hörzentrums in Leipzig. Sie beschäftigt 34 Mitarbeiter in acht Filialen. Versicherungsschutz besteht für sieben Standorte, außer in Döbeln. Die Filiale war bereits 2002 überflutet. Der Schaden nach der Flut 2013 in Döbeln beträgt bis zu 80 000 Euro.

Naturgefahren werden unterschätzt

Naturkatastrophen wie Hochwasser, Starkregen, Schneedruck oder Erdrutsch sichern die Gesellschaften nur über den Vertragsbaustein Elementarschaden, meistens in der Gebäudepolice verankert, ab. Allerdings sind in Deutschland nur ein Drittel der Gebäude gegen Elementarschäden versichert. Im gewerblichen Bereich können Handwerker Inventar oder Ausfallzeiten auch über die Inhalts- oder Betriebsunterbrechungsversicherung gegen Naturkatastrophen absichern. Entscheidend für den Versicherungsschutz und die Prämienhöhe ist die Adresse des Betriebs. Unternehmen in den Riskozonen 1 und 2 haben keine Probleme, sich vor Naturschäden zu schützen. Schwieriger und teurer wird es in Zone 3. In Zone 4 ist es für Handwerker wie Hauser dagegen aussichtslos (siehe Kasten „Elementarschaden“ Seite 13). „Die Gesellschaften sind nach der aktuellen Flut dabei, ihre Risiken zu überprüfen. Für Betriebe in den Gebieten 3 und 4 ist der Elementarschutz nur sehr schwer zu bekommen, oft erst nach einer Direktionsanfrage“, sagt Versicherungsberater Hermann Lüschen aus Berlin.

Die Gefahrenzonen sind für die Gesellschaften ein wichtiger Anhaltspunkt für ihre Einschätzung. In Risikogebieten spielt auch die Bauausführung eine entscheidende Rolle. „Wer in gefährdeten Gegenden den Betrieb vorausschauend ohne Keller errichtet oder Rückstauklappen als Schutz vor Grund- und Regenwasser einbaut, verbessert die Möglickeiten auf angemessenen Versicherungsschutz“, sagt Thore Glissmann von Siginal Iduna. Als Unternehmer „Naturgefahren zu ignorieren wäre ein großer Fehler“. Ein Bausachverständiger, der Handwerker in baulichen Fragen berät, ist für den Betrieb daher gut investiertes Geld.

Von Experten beraten lassen

Einige Gesellschaften leisten sich auch eigene Experten, die auf Umweltschäden spezialisiert sind. Volker Hericks, Hochwasserspezialist, arbeitet für die Risk-Management der Gothaer. Schwierige Fälle landen auf seinem Tisch. Er versucht dann, den Standort des Handwerksbetriebs am Schreibtisch mit Daten und Statistiken einzuordnen. „Elbe, Rhein oder Mangfall sind verschiedene Flusstypen und Hochwasserregionen. Oft ist eine pauschale Einschätzung nicht möglich. Dann vereinbare ich eine Betriebsbegehung mit dem Unternehmer vor Ort“, erklärt Hericks. Wichtig sind ihm dabei die Lage des Betriebs zum Gewässer, der Grundwasserpegel und bauliche Maßnahmen des Unternehmens. „Ist das Gebäude unterkellert? Werden im Keller wichtige Unterlagen oder sogar die EDV untergebracht? Wie sind die Heizöltanks gesichert? Werden Rückschlagklappen ordentlich gepflegt und gewartet?“, sind Fragen, die Hericks dem Handwerker bei der Betriebsbegehung stellt.

Police einmal im Jahr aktualisieren

Hochwasserexperte Hericks gibt Empfehlungen ab, wie der Betrieb vorsorgen kann, um Versicherungsschutz zu erhalten. Auf der Basis seiner Gutachten bestimmt die zuständige Fachabteilung die jeweilige Prämienhöhe, die das Unternehmen zahlen muss. „Selbstbehalte sollten Handwerker individuell ihren Rücklagen anpassen, was sie im Ernstfall selbst tragen könnten“, rät Ulrich Riedele von der Generali.

Der Elementarschutz ist immer nur so gut wie die Versicherung, zu der er gehört. In der Gebäudeversicherung sollten Handwerker auf eine sogenannte „gleitende Neuwertversicherung“ achten. Dann ist das Haus bei Schäden durch Wasser, Schneedruck oder Erdrutsch immer zum aktuellen Wiederaufbauwert versichert (siehe Checkliste Seite 16). Eine günstige Gebäudeversicherung mit dem Baustein Elementarschaden kostet in der Risikozone 1 zum Beispiel rund 273 Euro. In der Zone 3 und 4 liegt die Jahresprämie dann bis zu 800 Euro (siehe Tabelle „Gebäudeversicherung“ Seite 17).

„Ist der Elementarschutz über eine Inhalts- oder Betriebsunterbrechung versichert, sollten Handwerker ihre Police einmal im Jahr mit einem Vermittler oder Makler prüfen und anpassen. Nur dann stimmt im Ernstfall die Deckung“, empfiehlt Glissmann von Signal Iduna.

Kein Schutz für Flutgebiete

Gabriele Gromke vom Hörzentrum Gromke in Leipzig und ihre Mitarbeiter sind „fluterprobt“, wie die 63-jährige Unternehmerin sagt. Bereits beim Hochwasser 2002 stand ihre Filiale in Döbeln „bis zur Decke unter Wasser“. Diesmal waren es durch Starkregen und Grundwasser über 50 Zentimeter. „Der ganze Schlamm hat die Teppiche, Möbel und Türen verdreckt. Am schlimmsten ist die Austrocknungszeit. Das sind vier Wochen, die uns natürlich fehlen“, berichtet die Unternehmerin. Für schnelle, unkomplizierte Soforthilfe konnte sie auf die Handwerkskammer, Handwerkskollegen und ihre Mitarbeiter zählen. „Wir hatten noch Glück: Unsere Filialen in Torgau und Eilenburg waren zwar vom Hochwasser bedroht, aber dort ist nichts passiert.“ Für die beiden genannten Filialen hat die Unternehmerin den Baustein Elementarschaden abgeschlossen, nur in Döbeln hat sie keinen Versicherungsschutz. So muss sie den geschätzten Schaden von 80 000 Euro aus eigener Kasse zahlen. Für die Instandsetzung will die Unternehmerin zinsgünstige Hochwasserkredite der KfW beantragen (siehe Kasten „Hochwasserhilfe“, Seite 14). Am schlimmsten an der aktuellen Hochwasserkatastrophe sei auch nicht der Sachschaden, sondern die Zeit danach. „Es ist egal, wie groß der Verlust für den Betrieb letztendlich ist, mit der Aufarbeitung, den bürokratischen Hürden ist man als Unternehmer immer auf sich gestellt.“

Hochwasser-Pass soll helfen

Für Handwerksunternehmer wie Steinmetz Hauser in Rosenheim und Gabriele Gromke in Leipzig arbeitet das Hochwasser-Kompetenz-Zentrum gemeinsam mit dem Gesamtverband Deutscher Versicherer (GDV) an einem Hochwasser-Pass. Er soll Unternehmern, die in Risikozonen ansässig sind und immer wieder mit Hochwasserschäden konfrontiert werden, den Versicherungsschutz ermöglichen. „Der Pass ist eine Selbstauskunft für Risiken durch Elementarschäden wie Hochwasser. Diese Selbstauskunft kann jeder Unternehmer einer Versicherung vorlegen. Das erhöht die Versicherbarkeit von Gebäuden“, erklärt Marlene Willkomm von der Hochwasserschutzzentrale in Köln (siehe Interview Seite 18). Die Selbstauskunft soll ab Herbst 2013 zur Verfügung stehen. Sollte die Gesellschaft trotzdem abwinken, könne der Unternehmer seine Selbstauskunft von einem externen Sachverständigen bestätigen lassen, so die Expertin. Die Kosten dafür sollen nicht mehr als 100 Euro betragen.

Für das nächste Hochwasser will Gabriele Gromke besser gewappnet sein. „Wir lassen Hochwassertüren einbauen, die Möbel der Filiale höher setzen, und ab sofort werde ich finanzielle Rücklagen bilden. Auf einen Versicherungsschutz vertraue ich nicht mehr.“