Vermögensaufbau Nachhaltigkeit: EU-Taxonomie und Kapitalanlage

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Die EU möchte zum Erreichen der Klimaziele von Paris, Nachhaltigkeitskriterien für den Finanzsektor entwickeln – Taxonomie genannt. Die Idee: Privates Kapital soll in Unternehmen investiert werden, die ökologische und soziale Wirkung erzielen sowie eine verantwortliche Unternehmensführung haben.

Die EU meint, Anleger sollten ihr Geld in nachhaltige Unternehmen investieren.
Die EU meinst, Anleger sollten ihr Geld in nachhaltige Unternehmen investieren. - © tanaonte-stock.adobe.com

ESG ist die englische Abkürzung für „Environment – Social – Governance“, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Die EU möchte, dass Unternehmen, die diese Kriterien intensiv umsetzen, bei der Kapitalanlage bevorzugt werden. Die Idee: Privates Kapital soll nicht nur Rendite für den Anleger erzielen, sondern auch die ‚richtigen‘ Unternehmen fördern – nämlich jene, die die Gesellschaft und die Umwelt stärken . Vladis Dombrovskis, Vize-Präsident für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion bei der EU, sagt: „ Der Klimanotfall lässt uns keine andere Wahl als unsere Wirtschaft zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu wandeln.“

Das ist die Taxonomie

Erster Schritt ist die Erstellung einer Taxonomie – einer Definition für die Nachhaltigkeit. Die EU hat dafür eine Technical Expert Group einberufen, die ein einheitliches Klassifikationssystem der Nachhaltigkeit erarbeitet und die Gebiete identifiziert, in denen nachhaltige Investments die größte Wirkung erzielen. Die Kommission schlägt ein Stufenkonzept vor, beginnend mit einer Taxonomie, die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen sowie bestimmte umweltbezogene Tätigkeiten einschließt. In einem zweiten Schritt wird die Taxonomie dann auf die übrigen umweltbezogenen und sozialen Tätigkeiten ausgeweitet.

‚Richtig‘ sind nach Auffassung der EU jene Unternehmen, die also beispielsweise auf die Reduzierung ihres CO2-Austosses achten, Plastik durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen, sich gesamtgesellschaftlich engagieren, umfangreiche soziales Leistungen für ihre Mitarbeiter über die gesamte Produktionskette hinweg einführen und wertschätzende Kommunikationsregeln in ihren Unternehmensstatuen festgeschrieben haben.

Was nachhaltig ist, ist eine Frage der Perspektive

Klingt einfach. Doch tatsächlich ist Nachhaltigkeit eine Frage der Betrachtung. Während in Deutschland Plastiktüten als Umweltsünde gelten, wird das in der Schweiz anders gesehen. Über den gesamten Lebenszyklus betrachtet sind nach Auffassung der Eidgenossen Plastiktüten nachhaltiger als Papiertüten. Thema Elektromobilität: Zwar trägt die E-Mobilität zur Erreichung der Klimaziele bei, doch benötigt diese Antriebstechnik die ‚Seltenen Erden‘ für die Batterieherstellung – und die sind knapp und werden unter sozial schwierigen Voraussetzungen abgebaut. Welche (Antriebs-)Technik tatsächlich nachhaltig ist, wird sich zudem erst in der Zukunft zeigen. Und wie der Einzelne Nachhaltigkeit definiert, hat viel mit seinen Lebensumständen zu tun. Beispiel: Wer in Stuttgart unter der Luftverschmutzung leidet, wird die E-Mobilität wichtiger finden als ein Landwirt, für den saubere Luft eine Selbstverständlichkeit ist.  

Privates Anlegergeld soll beim Umbau der Wirtschaft helfen

Die EU möchte das Problem trotz der Widersprüche lösen und hat vor, ab 2021 solche Unternehmen stärker zu fördern, die sie als nachhaltig einstuft. Dafür hat sie ein 400 Seiten starkes Programm verfasst. Ziel ist es, „weitere Anreize zu schaffen und Investitionen des privaten Sektors in eine nachhaltige Entwicklung zu lenken, indem sie die Anleger dafür sensibilisieren, in was sie investieren, und indem sie ihnen wichtige Instrumente an die Hand geben, um nachhaltig zu investieren“, so steht es im Bericht. Er enthält auch Vorgaben, wie Unternehmen ihren ökologischen Fußabdruck messen und über ihn berichten sollen.

Wichtig auch: Bankberater sollen künftig in ihren Gesprächen mit den Kunden verstärkt auf Nachhaltigkeitsaspekte hinweisen, wenn es um das Thema Geldanlage geht.

Der Kapitalmarkt hat schon viele Angebote

Die Investmentgesellschaften bieten bereits viele Fonds an, die ihr Kapital unterschiedlich intensiv nachhaltig anlegen. So verzichten manche Fonds beispielsweise auf Aktien oder Anleihen von Unternehmen, deren Stromerzeugung mit Atomenergie erfolgt und die ihr Geld mit Pornographie, Glücksspiel oder Waffen verdienen. Unternehmen, die mit kontroversen Geschäftspraktiken in Verbindung gebracht werden, sind oft ebenfalls ausgeschlossen. Dazu zählen zum Beispiel Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen oder Korruption. Hinzu kommt der Ausschluss von Anleihen bestimmter Länder, beispielsweise, wenn diese mehr als vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Waffen und Rüstung investieren oder die Todesstrafe praktizieren.

Die EU-Kommission plant, für Fonds- und Versicherungsgesellschaften verbindliche Kriterien für nachhaltige Investments einzuführen. Sehr zum Missfallen von Klaus Wiener, Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der Ökonom erklärt in einem Interview mit dem Berliner "Tagesspiegel", dass er klar gegen eine regulatorische Pflicht sei, Geld in nachhaltige Investments stecken zu müssen.