Mit der Kasse feilschen

Krankenversicherung | Bei deutlichen Umsatzeinbrüchen 2009 können Selbständige jetzt bei den gesetzlichen Krankenkassen eine Reduzierung ihrer Beiträge durchsetzen.

Trotz diverser Reformen des Gesundheitssystems sind die Beiträge der gesetzlichen Kassen weiter gestiegen. - © handwerk magazin

Mit der Kasse feilschen

Die Kosten sind erdrückend. Zuerst müssen die Beiträge zur Sozialversicherung beglichen werden, dann die laufenden Kosten für den Betrieb“, sagt Juri Schütz (Name von der Redaktion geändert). Der selbständige Heizung- und Sanitär-Handwerker in Frankfurt ist keinEinzelfall: Die Wirtschaftskrise macht derzeit vielen Betrieben zu schaffen.

Zwischen November 2008 und April 2009 musste Schütz einen Umsatzeinbruch von 25 Prozent verkraften. Die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung gehen trotzdem jeden Monat in voller Höhe vom Konto ab.

„Die Beiträge zur Krankenkasse zahlen wir seit einiger Zeit aus unseren privaten Rücklagen. Das kann doch nicht sein!“, empört sich Schütz. Tatsächlich können 2009 Selbständige aufgrund der Wirtschaftskrise eine Beitragsreduzierung mit ihrer Krankenkasse aushandeln.

Wie viele selbständige Unternehmer mit Kindern ist Schütz freiwillig in der Gesetzlichen Krankenkasse (GKV) versichert. Der Vorteil: In der GKV sind Kinder kostenlos bei den Eltern mitversichert. In der privaten Krankenversicherung muss für den Nachwuchs gezahlt werden.

Neue Beitragseinstufung

Schütz hat in den Vorjahren, 2006 und 2007, gut verdient bis im November die Kunden ausblieben. Bei seiner Krankenkasse ist er mit dem Höchstsatz von 15,5 Prozent eingestuft, weil er mit seinem vorherigen Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze lag (4012,50 Euro brutto im Monat). Auf die fehlenden Einnahmen der letzten Monate nimmt seine Krankenkasse, die IKK, keine Rücksicht.

Als Schütz bei seiner Versicherung nachfragte, ob er als Selbständiger eine Beitragssenkung durchsetzen könne, hieß es „Nein!“. Eine Abrechnung sei erst 2010 nach Vorlage des Einkommensbescheids möglich. Mit dieser Aussage hatte die IKK-Sachbearbeiterin nach heutigem Stand unrecht.

Die gesetzlichen Kassen haben ihre Richtlinien aufgrund der Wirtschaftskrise geändert. Unter normalen Umständen hatte die Sachbearbeiterin von Schütz recht: Selbständige, die freiwillig in der GKV versichert sind, werden nach ihrem Einkommen eingestuft. Eine Abrechnung für den Versicherten erstellt die Kasse erst im folgenden Jahr nach Vorlage des Einkommensbescheids.

Hat der Versicherte zuwenig bezahlt, weil sein Verdienst im Vorjahr deutlich höher war, muss er nachzahlen. Hat er dagegen zuviel an seine Krankenversicherung überwiesen, werden die überschüssigen Beiträge einbehalten. Die einzige Ausnahme sind Existenzgründer. Sie können einen Antrag auf „Beitragseinstufung unter Vorbehalt“ stellen und bekommen ihr Geld zurück, wenn sie zuviel gezahlt haben.

Die Kassen haben 2009 für Selbständige nachgebessert: In einem offiziellen „Rundschreiben“ hat der Spitzenverband Bund der GKV eine neue Richtlinie festgelegt, die rückwirkend seit dem 1. Mai 2009 für alle gesetzlichen Kassen bindend ist. In dem Rundschreiben heißt es, dass alle Selbständigen, die „wegen der Finanzkrise einen Unsatzeinbruch von mehr als einem Drittel“ belegen, eine niedrigere „Beitragseinstufung unter Vorbehalt“ geltend machen können.

Die neue Richtlinie „hat für die gesetzlichen Kassen durchaus Gesetzescharakter“, erklärt DAK-Mitarbeiter Daniel Caroppo. Neu ist, dass Selbständige jetzt im laufenden Geschäftsjahr eine Beitragssenkung erreichen können und nicht erst auf den jährlichen Einkommensbescheid warten müssem.

Aufwändiges Verfahren

Allerdings ist das vorgeschriebene Verfahren kompliziert. Den Umsatzrückgang muss der Versicherte genau belegen. Ein Anruf bei der Krankenkasse reicht nicht. Als Grundlage dient der Versicherung bei Selbständigen der letzte aktuelle Steuerbescheid. Dann muss der Unternehmer eine aktuelle Steuervoreinstufung des Finanzamtes vorlegen. Bei einem deutlichen Umsatzrückgang fällt sie geringer aus als im Vorjahr.

Beispiel: Das erste Quartal 2009 ist für den Betrieb schlechter gelaufen als im Vorjahr, dann kann der Steuerberater beim zuständigen Finanzamt eine nied-rigere Steuervorauszahlungen beantragen. Liegt der neue Steuervorauszahlungsbescheid vor, reicht der Versicherte ihn bei der Krankenkasse ein.

Ist der Umsatzeinbruch von einem Drittel damit für die Kasse bewiesen, muss sie eine neue „Beitragseinstufung unter Vorbehalt“ festsetzen. Die neue Beitragsfestsetzung beginnt mit dem 1. des auf Antragstellung folgenden Monats. Die abschließende Prüfung der Beitragsfestsetzung erfolgt nach Einreichen des Einkommensbescheids 2009.

Juri Schütz hat mit seiner Steuerberaterin gesprochen. Ob die Kasse seinen Beitragssatz reduziert, ist noch offen. Das Problem: Der Umsatz seines Betriebs ist um 25 Prozent zurückgegangen. Die Richtlinie der Kassen fordert aber einen Einbruch von mehr als 30 Prozent.

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de