Mit Bachelor an die Werkbank

Duales Studium - Lehrlinge im Handwerk sind knapp, höchste Zeit für Betriebe, attraktiver zu werden. Wer Arbeit plus Studium anbietet, ist im Vorteil. Wie es funktioniert und was es den Betrieben bringt.

Duale Studiengänge werden in Deutschland immer beliebter. Die Studentenzahlen sind innerhalb nur weniger Jahre um ein Vielfaches angestiegen. - © handwerk magazin

Mit Bachelor an die Werkbank

Ritsch – ratsch. Der Hobel fährt gleichmäßig über einen Holzbalken. Perfektes Schreinern hat Achim Vayhinger schon gelernt. Martell Offner, verantwortlich für den Bereich Schreinerei im Handwerker-Haus Hofstetter in Stuttgart, unterstützt den 24-Jährigen nun beim kaufmännischen Teil seiner Ausbildung, die Duale Hochschule Baden-Württemberg macht Vayhinger im Studiengang „BWL-Handwerk“ fit. „Wir brauchen qualifizierten und motivierten Nachwuchs“, erklärt Offner, der 2002 dasselbe Studium absolvierte. Mit der Teilnahme am Dualen Studium ermöglicht der Betrieb Achim Vayhinger nicht nur die praktische Arbeit, sondern lehrt ihn parallel umfangreiche betriebswirtschaftliche Kenntnisse für spätere Führungsaufgaben. Angesichts eines harten Konkurrenzkampfes um gute Auszubildende tun Betriebe gut daran, eine möglichst attraktive Ausbildung anzubieten. Das Duale Studium, welches eine praktische Ausbildung im Betrieb mit theoretischem Lernen an einer Hochschule kombiniert, ist eine attraktive Möglichkeit für Handwerksfirmen. „Das ist für den Betrieb weniger aufwendig als eine klassische Ausbildung, und er erhält dafür rundum ausgebildete Nachwuchskräfte“, sagt Martell Offner.

Studium nach Handwerkslehre


Die Nachfrage nach der Doppelausbildung steigt. Im Wintersemester 2008/2009 studierten bundesweit 41831 Nachwuchskräfte im Dualen Studium. Es gibt Modelle, die eine Berufsausbildung integrieren, die sogenannten ausbildungsintegrierten Studiengänge. Andere, die praxis- und berufsintegrrierenden dualen Studiengänge, setzen diese voraus oder empfehlen sie zumindest. Sehr beliebt sind Studiengänge mit integrierter Berufsausbildung, bei denen die Studenten in einem festen Ausbildungsverhältnis mit Betrieben stehen und zwischen den Theo­riephasen dort eingesetzt werden. Das sichert ihre Praxiserfahrung wie ihr regelmäßiges Einkommen.

„Mehr als die Hälfte der Studenten im Studiengang ‚BWL-Handwerk‘ hat zuvor eine Handwerkslehre absolviert“, erklärt Prof. Dr. Michael Knittel, Studiengangsleiter dieses Studiengangs an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Ohne vorherige Ausbildung als Schreiner hätte Achim Vayhinger bei Hofstetter keine Chance gehabt, „denn uns ist wichtig, dass er weiß, wovon er spricht“, sagt Offner. Er selbst habe sich nach seiner Lehre für den Studiengang entschieden. Bevor er ins Familienunternehmen einstieg, sammelte er Erfahrung in anderen Unternehmen.

Die meisten der Absolventen landen laut Knittel nach dem Studium in einer Führungsposition im Betrieb. Bedenkt man den steigenden Fachkräftemangel und Nachfolgeprobleme, bietet das Duale Studium Betrieben die Chance, vorzusorgen. „Natürlich kann nicht jedes Unternehmen eine solche Ausbildung anbieten. Betriebe müssen über die wesentlichen kaufmännischen Funktionen verfügen, in denen der Student eingesetzt wird“, erklärt Knittel. „Das hängt weniger von der Betriebsgröße als von der Organisation ab.“ Das bedeutet, dass der Student die wesentlichen kaufmännischen Arbeiten im Betrieb sehen und lernen kann.

Betriebe, die einen „dualen Studenten“ aufnehmen möchten, arbeiten am besten eng mit der Hochschule zusammen, um Praxis- und Studienphasen aufeinander abzustimmen. Im Handwerkerhaus Hofstetter, das bereits fünf seiner Teamleiter so ausgebildet hat, funktioniert die Verzahnung. „Wir überlegen derzeit, ob die Anschaffung einer CNC-Maschine für uns sinnvoll ist“, sagt Offner. Diese Frage muss nun Vayhinger in seiner nächsten Projektarbeit beantworten. „Wir profitieren auch während der Hochschulzeit von den Studenten“, berichtet Offner. „Auch danach ist es immer unser Ziel, die Nachwuchskräfte zu übernehmen“, erklärt Offner.

Knittel trifft sich mindestens einmal im Jahr mit den Handwerksfirmen. Sein Hauptaugenmerk ist darauf gerichet, ob ihre Strukturen geeignet sind, die Doppelausbildung gut duchzuführen. Für kleine Betriebe, die nicht alle kaufmännischen Positionen abdecken, besteht die Möglichkeit, mit Partnern zu arbeiten. Hierbei könnte ein Student beispielsweise bei einem Steuerberater oder einem Lieferanten eine Praxisphase absolvieren.

Handwerk muss sich öffnen


Kosten für die Unternehmen entstehen lediglich für die Bezahlung des Studenten, nicht aber für Studiengebühren. Dafür müssen sie dem Studenten aber genügend Zeit zur Anfertigung von Projekt- und Bachelorarbeiten einräumen. „Absolute Leistungsbereitschaft“ setzt Offner voraus, denn wer mittel- oder langfristig eine Führungsrolle übernimmt, „braucht Wissen und Biss“.

Eine spätere Gründung oder Betriebsübernahme schließt Student Vayhinger nicht aus, und ist sich sicher, nach seinem Studium für solche Aufgaben gerüstet zu sein. Bislang absolvierten etwa 500 Nachwuchskräfte den Studiengang. „Das Handwerk muss sich aber noch mehr öffnen. Den Unternehmen muss klar werden, dass sie dem Nachwuchs attraktive Perspektiven bieten müssen“, appelliert Knittel an das Handwerk.

Eine mögliche Alternative zum Dualen Studium sind Fernstudiengänge, denen Mitarbeiter neben ihrem Job nachgehen können. Betriebe können sie unterstützen, indem sie die studierendne Mitarbeiter zum Beispiel für Präsenz- und Lernphasen freistellen.

„Ohne eigenes Engagement könnten wir unseren Nachwuchs jedoch nicht sichern“, erklärt Offner das Erfolgsrezept des Familienbetriebs, der seit 1876 besteht und nicht zuletzt dank moderner Ausbildungskonzepte wächst.


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