Mindestlohn: Unter 8,50 Euro geht nichts mehr

Ab 2015 müssen Unternehmen Mitarbeitern den gesetz­lichen Mindestlohn zahlen. Im Handwerk stößt die neue Regelung auf wenig Sympathie. Der Mindestlohn dürfte dort für Probleme sorgen.

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    Welche Gehaltsbestandteile zum Mindestlohn zählen, hat der Gesetzgeber nicht trennscharf definiert.
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    „Der Mindestlohn wird für mehr Gerechtigkeit sorgen.“ Andrea Nahles, Bundesarbeitsministerin (SPD).
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    „Politiker sollten die Lohnfindung den Tarifpartnern überlassen.“ Hans Peter Wollseifer, Handwerkspräsident.

Unter 8,50 Euro geht nichts mehr

Seit Jahren forderte die SPD einen gesetzlichen Mindestlohn. Jetzt ist er beschlossene Sache. Das Bundeskabinett hat Anfang April dem Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zum Mindestlohn zugestimmt. Bundestag und Bundesrat dürften kaum etwas dagegen unternehmen. Ab dem
1. Januar 2015 gilt also: Jeder Arbeitnehmer in Deutschland muss mindestens 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Fast jeder, denn natürlich gibt es Ausnahmen. Dazu zählen Auszubildende, Praktikanten, die ein verpflichtendes Praktikum im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium absolvieren, und Langzeitarbeitslose. Nahles freut sich über ihr Prestigeprojekt: „Der Mindestlohn wird dazu beitragen, dass vier Millionen Menschen für ihre Arbeit auch ihren verdienten Lohn bekommen.“ Vertreter des Handwerks sind weniger erfreut: „Politiker sollten die Lohnfindung denen überlassen, die etwas davon verstehen – den Tarifpartnern“, schimpft Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Angst um Auszubildende

Wollseifers Kritik richtet sich nicht gegen die Höhe des Mindestlohns. Viele Gewerke zahlen tariflich längst einen höheren Stundensatz. Er stört sich vielmehr an den starren Vorgaben der geplanten Regelung. Besonders die Altersuntergrenze von 18 Jahren ist dem ZDH-Präsidenten ein Dorn im Auge: „Ungelernte Helfer können mit Mindestlohn deutlich mehr verdienen als in einer Ausbildung“, sagt Wollseifer. Bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro erhalten Arbeitnehmer bei 170 Stunden im Monat fast 1500 Euro brutto. In der Ausbildung gibt es oft aber nur die Hälfte. Es sei fatal, wenn gerade bildungsschwächeren jungen Menschen negative Anreize durch den gesetzlichen Mindestlohn gesetzt würden. Jugendliche sind heute im Schnitt bereits über 18, wenn sie eine Ausbildung im Handwerk beginnen.

Keine Diskussion erwünscht

Der ZDH kritisiert den Gesetzentwurf seit Monaten. Gebracht hat das nichts. „Der Koalitionsvertrag hat den Mindestlohn besiegelt“, ist Jürgen Höser überzeugt, Rechtsanwalt in der Kanzlei HDUP in Frechen, der sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert hat. Eine Debatte hätten die Sozialdemokraten gar nicht erst zugelassen.

Dabei sind die Kritikpunkte des Handwerks, aber auch der Industrie und von Wirtschaftsinstituten, nicht von der Hand zu weisen. Das Münchner ifo-Institut prognostiziert, dass durch den Mindestlohn bis zu 900 000 Arbeitsplätze gefährdet sind.

Handwerksbetriebe müssen ab dem nächsten Jahr mit dem gesetzlichen Mindestlohn leben. Problematisch könnte das nicht nur bei der Suche nach Lehrlingen werden. Betriebe müssen künftig auch entweder ganz auf Praktikanten verzichten oder tiefer in die Tasche greifen.

Gilt auch für Praktikanten

Denn auch Praktikanten erhalten künftig einen Stundenlohn von 8,50 Euro, wenn das Praktikum länger als sechs Wochen dauert. Das Problem: Viele Handwerksbetriebe bieten gerade Bewerbern ohne Schulabschluss einjährige berufsvorbereitende Praktika an. „Unternehmen machen mit der langen Eingliederung in den Betrieb gute Erfahrungen“, sagt Höser. Bildungsschwache Bewerber fassen auf diese Weise Fuß in der Arbeitswelt. Dieses Konzept müsse jetzt komplett überdacht werden.

Bis zum Jahr 2018 wird der aktuelle Gesetzentwurf Bestand haben. ZDH-Präsident Wollseifer befürchtet, dass die Politik die Lohnfindung danach komplett übernehmen könnte. „Vor der nächsten Bundestagswahl werden sich Politiker darin überbieten, den Mindestlohn zu erhöhen“, sagt Wollseifer. Keine guten Aussichten für Handwerksbetriebe also.