Migranten als Gründer im Handwerk

Jedes vierte Unternehmen in Deutschland wird mittlerweile von Migranten gegründet. Auch im Handwerk führen immer mehr Menschen mit nichtdeutschen Wurzeln Betriebe und schaffen Arbeitsplätze.

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    „Gründung ohne Beratung funktioniert nicht“, meint Gründer und Galvanik-Experte Pietrino Puddu.
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    „Gesellschaftlicher Wohlstand erfordert auch neue Frauen und Männer als ­Unternehmer.“ René Leicht, Projektleiter einer ­Studie über Migranten als Gründer.
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    „Probleme entstehen meist durch zu geringe Kenntnis der Anforderungen und Rahmenbedingungen.“
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    © Chart: handwerk magazin
    Finanzierungsprobleme zählen zu den Hauptgründen, wenn bei Migranten die Selbständigkeit scheitert.

Mehr Migranten werden selbständig

Pietrino Puddu kann viel erzählen. Der Galvanotechniker und Galvanomeister aus dem baden-württembergischen Wurmberg ist ein erfolgreicher Unternehmer. Er hat die Galvanik Puddu GmbH (GAP) seit November 1991 national und international als Spezialist für Oberflächenbeschichtungen von technischen und dekorativen Produkten für Elektrotechnik, Elektronik-, Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie etabliert und beschäftigt zehn Mitarbeiter. Puddu ist Handwerksunternehmer mit Migrationshintergrund. Damit gehört er zu der stetig wachsenden Zahl von Menschen in Deutschland, die als Migranten und Unternehmer Karriere machen. Aktuell gibt es in Deutschland 700 000 Firmeninhaber mit Migrationsgeschichte, die Millionen Menschen beschäftigen und Milliarden Euro umsetzen. Wenn es um die Gründung eines Unternehmens geht, sind die Mitbürger ausländischer Herkunft sehr aktiv: Dem Gründungsmonitor 2012 der KfW zufolge waren 19,6 Prozent der Vollerwerbsgründer nicht aus der EU stammende Ausländer, 4,5 Prozent kamen aus der EU.

Das deutsche Zuwanderungsgesetz regelt die selbständige Tätigkeit von Migranten. Eine „Niederlassungserlaubnis“ wird in der Regel erteilt, wenn eine Ausländerin oder ein Ausländer seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und weitere Voraussetzungen erfüllt. Gründer mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsbürgerschaft können natürlich sofort in die Selbständigkeit starten.

Alle haben die gleichen Probleme

Im Handwerk sind Migranten längst integriert, jeder fünfte Mitarbeiter hat einen Migrationshintergrund. Über Handwerksgründer mit ausländischen Wurzeln gibt es keine konkreten Zahlen. Aber Beispiele wie das von Pietrino Puddu zeigen, wie erfolgreich viele sind. „Die Anforderungen an die Gründung sind doch die gleichen, egal ob man einen Migrationshintergrund hat oder nicht“, sagt Pietrino Puddu, Sohn eines Sarden und einer Deutschen. Er hat im Laufe seines Berufslebens nicht feststellen können, dass Migranten es schwerer hätten als Deutsche, wenn sie ein Unternehmen gründen wollen. „Alle haben die gleichen Probleme“, sagt Puddu. Wenn das Konzept nicht stimme oder das Geschäftsmodell missverständlich sei, wenn Informationen fehlen oder Formalitäten nicht erfüllt werden, werde die Bank sich mit der Finanzierung schwer tun. Da spiele die Person überhaupt keine Rolle.

  • Rat:
  • Migranten als Nachfolger
    Haben Sie vor, in den nächsten Jahren Ihren Betrieb in die Hände eines Nachfolgers zu übergeben? Wenn Sie dabei einen Mitarbeiter aus Ihrem Betrieb im Auge haben, setzen Sie auch auf Fachkräfte mit ausländischen Wurzeln. Viele Beispiele beweisen, dass Gründer mit Migrationshintergrund einen Handwerksbetrieb mit großem Erfolg weiterführen und mit neuen Ideen beleben.

Entscheidend ist die gute Idee

So sieht das auch Manfred Schmitz-Kaiser, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der L-Bank, der Staatsbank für Baden-Württemberg (siehe Interview auf Seite 22). „Für uns ist jeder Gründer gleich“, sagt Schmitz-Kaiser, „als Förderbank interessieren uns die Persönlichkeit des Unternehmers und die Gründungsidee.“

Deshalb empfiehlt Puddu jedem Migranten mit einer guten Idee, sich im Handwerk selbständig zu machen und die Möglichkeiten zu nutzen, die sich engagierten und qualifizierten Fachkräften bieten. Sie sollten seiner Erfahrung nach keine Angst haben oder glauben, sie hätten als Unternehmer keine Chancen. Natürlich müssten sich Migranten auch der deutschen Mentalität anpassen und die Sprache beherrschen, rät Puddu. Doch das eigentliche Problem sei ein anderes: „Die meisten Schwierigkeiten entstehen durch Unkenntnis. Wer sich von einem auf den anderen Tag selbständig macht und ins kalte Wasser springt, ohne sich im Vorfeld genau über die Anforderungen an einen Unternehmer zu informieren, wird in aller Regel scheitern“, warnt Puddu. Deshalb funktioniere eine Firmengründung ohne gründliche Beratung von Experten nicht.

Kammern bieten Unterstützung

Die Handwerkskammern und andere Institutionen stehen Gründern mit vielen Angeboten zur Seite, und für Migranten gibt es spezielle Programme, um sie auf das Unternehmertum in Deutschland vorzubereiten. Zum Beispiel gibt es vom nordrhein-westfälischen Handwerk eine Broschüre über Betriebsgründung im Handwerk für Menschen mit Migrationshintergrund, in der alle wichtigen Fragen praxisnah beantwortet werden. Auch das Bundeswirtschaftsministerium bietet mit der Broschüre „Existenzgründungen durch Migrantinnen und Migranten“ hilfreiche Tipps.

Natürlich bleibt eine Unternehmensgründung nie ohne Risiken. Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung hat in der Studie „Hemmnisse und Probleme bei Gründungen durch Migranten“ ermittelt, welche Schwierigkeiten später erfolgreiche Gründer in der Gründungsphase hatten, sowohl Migranten als auch Nichtmigranten. So hatten bei der Finanzierung ihrer Vorhaben 34,1 Prozent der Migranten und 36,3 Prozent der Nichtmigranten Probleme. Bei der Liquiditätsplanung gab es mit 22 Prozent dagegen deutlich mehr Hemmnisse bei den Migranten als bei den Nichtmigranten (6,3 Prozent). Auch bei der Beratungsqualität gaben nur 11,6 Prozent der Nichtmigranten schlechte Noten, aber 22 Prozent der Migranten.

Interessant sind auch die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung (ifm) in Mannheim mit dem Titel „Schöpferische Kraft der Vielfalt: Zugewanderte und ihre Unternehmen“, die sich mit baden-württembergischen Migrantengründern befasst. Hier hat inzwischen jeder dritte Existenzgründer ausländische Wurzeln. Doch die Zeit, in der Einwanderer überwiegend Kneipen  oder Gemüseläden eröffnet haben, ist vorbei. Fast ein Viertel aller Gründer mit ausländischen Wurzeln ist in modernen wissensintensiven Dienstleistungen tätig, stellt das ifm fest.

Neue Frauen und Männer

Für René Leicht, Projektleiter der Studie, bereichern Migrantengründer die deutsche Wirtschaft: „Gesellschaftlicher Wohlstand erfordert Innovationen, neue Produkte und Dienstleistungen und nicht selten auch neue Frauen und Männer, die mit Kreativität und Ideen sozialen und ökonomischen Wandel bewirken.“

Auch für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sind Migrantinnen und Migranten nicht nur geschätzte Mitarbeiter in den Betrieben. „Vielfalt als Chance zu nutzen ist ein handfestes wirtschaftliches Anliegen des Handwerks“, so der ZDH, und das gilt natürlich auch für Gründer mit ausländischer Herkunft.

Pietrino Puddu kann sich über so viel Unterstützung nur freuen, auch wenn er längst ein etablierter und erfolgreicher Unternehmer ist. „Ich würde mich jederzeit wieder selbständig machen“, ist er sich sicher. Es reizt ihn, eigene Ideen erfolgreich am Markt umzusetzen.