Rechtliche Konflikte Lohnt sich eine betriebliche Rechtsschutzversicherung im Handwerk?

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Die Kosten für eine betriebliche Rechtsschutzversicherung sind überschaubar, aber braucht man sie wirklich? Was die Versicherung leistet und welche Vertragsbestandteile wichtig sind, damit die Police in den entscheidenden Fällen hilft.

Oliver Overbeck, Zimmerermeister und Unternehmer in Gerolstein, sichert Mitarbeiter und Fuhrpark über eine Rechtsschutzversicherung ab: »Gerade bei unserem großen Fuhrpark ist der Verkehrsrechtsschutz unverzichtbar.« - © Christian Ahrens

Zimmerermeister Oliver Overbeck musste seine betriebliche Rechtsschutzversicherung bei der VHV bisher nicht in Anspruch nehmen. „Wir haben den Vertrag für den Fall der Fälle abgeschlossen“, sagt der Unternehmer aus Gerolstein. „Man weiß ja nie, was kommt. Gerade bei einem großen Fuhrpark, wie wir ihn brauchen. Wenn es da zu einem Rechtsstreit kommt, kann es teuer werden und man braucht diese Absicherung.“ Der Baustein Verkehrsrechtsschutz ist ihm deshalb in seinem Vertrag besonders wichtig.

„Handwerksbetriebe nehmen ihre Police am häufigsten nach Unfällen im Straßenverkehr in Anspruch , für Streitigkeiten im Arbeitsrecht sowie bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen“, bestätigt Marcus Acker von der Roland Rechtsschutz Versicherung in Köln. Ähnlich sind die Erfahrungswerte der Versicherungsgesellschaft VHV in Hannover im gewerblichen Bereich: Jede fünfte Anfrage dreht sich um Fragen zum Arbeitsrecht wie Kündigung, Sozialplan und Überstunden .

Was eine betriebliche Rechtsschutzversicherung zahlt

15 Prozent entfallen auf die Beratung nach Verkehrsunfällen, zu Ordnungswidrigkeiten und zum Strafrecht. Die restlichen 35 Prozent verteilen sich auf Fragen aus dem Zivil-, Familien- und Erbrechtsowie Verwaltungsrecht. Auch die Vorgehensweise bei säumigen Schuldnern ist nach Angaben der VHV ein häufiges Thema der gewerblichen Rechtsberatung.

Eine betriebliche Rechtsschutzversicherung deckt bei einem Streit vor Gericht die Anwaltskosten, die Gerichts- und Sachverständigenkostensowie die Kosten der Gegenseite, wenn man vor Gericht verliert. Gerade der Verkehrsrechtsschutz, auf den auch Unternehmer Overbeck viel Wert liegt, spielt im Handwerk eine wichtige Rolle. „Es liegt auf der Hand, dass Ordnungswidrigkeiten für Firmen mit vielen Mitarbeitern im Außendienst eine höhere Relevanz haben als bei reinen Büro- oder Werkstattbetrieben“, sagt Christian Danner, Experte für Rechtsschutzversicherungen bei der Arag in Düsseldorf.

Fokus Verkehrsrechtsschutz

Für Handwerksbetriebe sei der Verkehrsrechtsschutz daher absolut notwendig, empfiehlt Versicherungsmakler Bert Heidekamp, spezialisiert auf die Beratung von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben, in Berlin. „Schon bei einem Ordnungswidrigkeitsverfahren, etwa weil man zu schnell gefahren ist oder geblitzt wurde, muss man mit Verfahrenskosten ab 800 Euro rechnen“, erklärt der Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht Jörg Elsner aus Hagen.

Bei Unfällen komme es in Gerichtsverfahren dann oft auf Sachverständigengutachten an. Hier sei man dann schnell bei Kosten von 2.500 bis 3.000 Euro, so Elsner, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ist. Und schließlich habe auch der Arbeitgeber Interesse daran, dass die Fahrerlaubnis seines Mitarbeiters nicht in Gefahr gerät. Spätestens, wenn es um ein Fahrverbot für einen Mitarbeiter geht, sei ein solcher Schutz die Sache wert.

Neben Streitfällen im Verkehr nehmen auch Konflikte, die das Arbeitsrecht betreffen, deutlich zu. „Was Unternehmer bedenken sollten: Bei einem Prozess vor dem Arbeitsgericht kommen schnell 1.000 Euro zusammen“, stellt Versicherungsmakler Heidekamp klar. „Egal, ob Verlierer oder Gewinner, dort zahlt in erster Instanz jeder die Kosten selbst.“

Die betriebliche Rechtsschutzversicherung s chließt diese finanzielle Lücke für den Handwerksbetrieb. Neuere Angebote decken dabei auch vertragliche Streitigkeiten aus dem Mindestlohngesetz ab, das seit 2015 flächendeckend auch für Arbeitgeber im Handwerk gilt. „Obwohl es jetzt eine verbindliche Mindestvergütung gibt, bleiben Detailfragen offen“, so Arag-Experte Danner. Und das sind nach seinen Worten nicht selten Fälle fürs Arbeitsgericht.

Zusatzbausteine vereinbaren

Darüber hinaus können Gewerbekunden der Rechtsschutzversicherer inzwischen auf eine wachsende Anzahl diverser Serviceleistungen zurückgreifen wie Anwaltshotline, Vertrags-Check, Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Websites, Download von Musterschreiben und Vertragsvorlagen – bis hin zur Compliance-Schulung. Hilfreich sei das gerade für kleine und mittlere Firmen ohne eigene Rechtsabteilung, meint Makler Heidekamp.

Das Bausteinprinzip ist am Rechtsschutzmarkt schon lange üblich und erlaubt je nach Bedarf eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten im Vertrag. Darin liegt zugleich die Schwierigkeit für den Laien, der sich hierzu von einem Experten wie Makler oder Versicherungsberater anleiten lassen sollte. „Der klassische Firmen-Rechtsschutz kann zum Beispiel auch mit einem Inkasso-Service, einem Mindestlohn-Rechtsschutz oder einem Online-Beratungsportal ergänzt werden“, erläutert Marcus Acker von der Roland-Rechtsschutz-Versicherung.

Problem Vertragsrechtsschutz

Schwierig bleibt dagegen ein entscheidendes Rechtsgebiet: der sogenannte Vertragsrechtsschutz. „Gewährleistungsfragen und Werklohnforderungen sind häufige Probleme der Mandanten aus dem Handwerk“, sagt Versicherungsfachanwalt Elsner. Die wenigen Angebote, die es im gewerblichen Bereich dazu gebe, seien dementsprechend teuer . „Irrtümlicherweise nehmen jedoch viele Betriebsinhaber an, dass vertragliche Streitigkeiten mit Auftraggebern und Lieferanten generell mitversichert sind“, so Heidekamp.

Das ist falsch: Soll der Risikoschutz auch Werklohnforderungen für einen Handwerksbetrieb umfassen, muss diese Leistung der Versicherung immer ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden. Als alternative Lösung zum Vertragsrechtsschutz bietet sich für Handwerksbetriebe der Inkasso-Rechtsschutz für unstrittige Forderungen an. Dieser Baustein hat inzwischen am gewerblichen Rechtsschutzmarkt Einzug gehalten und schließt häufig auch die Bonitätsprüfung der Kunden des rechtsschutzversicherten Unternehmens ein.

Zur Wahl für Firmenkunden steht außerdem die Wirtschaftsmediation. Sie bietet „in passenden Fällen oft eine deutlich schnellere und nervenschonendere Lösung des Problems als ein Gang vor das Gericht“, so Arag-Experte Danner.

Als eine Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung lässt sich die Wirtschaftsmediation inzwischen bei einer ganzen Reihe von Gesellschaften über eine Rechtsschutzpolice finanziell absichern. „Oftmals auch für Rechtsgebiete, die ansonsten nicht versicherbar oder ausgeschlossen sind wie eben der Firmenvertragsrechtsschutz“, erklärt Versicherungsmakler Heidekamp.

Kosten für betriebliche Rechtsschutzversicherung sind überschaubar

Umfang und Nutzen einer Rechtsschutzpolice sind für jeden Handwerksbetrieb letztendlich Abwägungssache. „ Für Betriebe ist es besser, ein Komplettpaket mit einer höheren Selbstbeteiligung abzuschließen“, rät Makler Heidekamp seiner Firmenkundschaft aus dem Handwerk, „damit man im Ernstfall weitgehend lückenlos versichert ist.“

Zu den Kosten für Firmenkunden: Ein Handwerksbetrieb mit drei Mitarbeitern und 120.000 Euro Jahresumsatz muss dem Versicherungsmakler zufolge je nach Ausstattung der Police und Höhe der Selbstbehalte im Schnitt mit einer Jahresprämie zwischen 450 und 900 Euro rechnen. Rechtsschutz ist nach seiner Beobachtung im vergangenen Jahr bei einer Reihe von Anbietern um zehn bis 20 Prozent teurer geworden. „Weitere Gesellschaften dürften nachziehen“, vermutet er. „Die gesetzliche Anhebung der Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren vor gut drei Jahren schlägt allmählich auf die Rechtsschutzprämien durch.

Fallbeispiel: Vertragsrechtsschutz

Die Situation kennen viele Handwerksbetriebe. Der Autraggeber zahlt wegen angeblicher Mängel nicht. Gewährleistungensfragen und Werklohnforderungen sind aber oft nicht rechtsschutzversichert. Hier ein Fallbeispiel aus der Praxis von Handwerksbetrieben.

Ein Parkettleger erneuert für eine Gemeinde den Boden des großen Sitzungssaals. Der vereinbarte Werklohn des Fachbetriebs aus dem Handwerk beläuft sich auf 15.000 Euro. Nach Abschluss der Handwerksarbeiten verweigert der Auftraggeber die Zahlung der Restsumme abzüglich des vereinbarten Vorschusses. Der Parkettleger muss die Forderungen im Rahmen eines offiziellen Mahnverfahrens geltend machen. Die Versicherung übernimmt die Kosten des Mahnbescheids inklusive Kosten einer folgenden gerichtlichen Auseinandersetzung über zwei Instanzen in Höhe von 8.500 Euro. (Quelle: VHV/NRV)

Anbieter: Beispiele für Vertragsrechtsschutz

Wenn der Risikoschutz auch Werklohnforderungen umfassen soll, muss der Handwerksbetrieb das immer ausdrücklich mit der Versicherung vereinbaren. Nicht alle Gesellschaften bieten diesen Zusatzbaustein für Firmenkunden aus dem Handwerk an.

Wenn der Auftraggeber nicht zahlt, übernimmt die Rechtsschutzpolice nicht die Kosten für den Rechtsstreit. Der Firmenvertragsrechtsschutz ist grundsätzlich ausgeklammert. Nur wenige Gesellschaften decken dieses Risiko als Zusatzbaustein ab: wie Arag, Roland Rechtsschutz, NRV/VHV.

Tipp: Mithilfe eines Versicherungsmaklers bei anderen Gesellschaften Angebote anfragen. Für gute Kunden gibt es den Baustein dann auch dort.

Die Arag bietet den Firmen-Vertragsrechtsschutz für strittige Zahlungsforderungen seit 2016 in der Premiumvariante an. Mindeststreitwert: 1.000 Euro. Übernommen werden sowohl außergerichtliche als auch gerichtliche Streitkosten bis zu 5.000 Euro je Vertragslaufzeit. Selbstbeteiligung: 30 Prozent.

Für das Baunebengewerbe bietet die VHV in Kooperation mit der Neuen Rechtsschutzversicherung (NRV) den Baustein an. Kunden erhalten damit Versicherungsschutz aus schuldrechtlichen Verträgen über Warenlieferungen oder Dienstleistungen des Betriebs, die sie unmittelbar mit ihrer Tätigkeit erbringen.

Checkliste: Betriebliche Rechtsschutzversicherung

Vor dem Abschluss einer Firmenrechtsschutzversicherung sollten Handwerker prüfen, welche Rechtsgebiete sie für ihren Betrieb absichern wollen. Die wichtigsten Details und Konditionen der Verträge, die Sie kennen sollten, finden Sie hier im Überblick.

  • Auswahl: Die Komplettpakete für Gewerbetreibende und Selbstständige decken Rechtsrisiken rund um die Firma ab, außerdem Verkehrsrechtsschutzsowie gewerblich und/oder privat genutzte Grundstücke und Wohnungen. Der Kunde kann bestimmte Bausteine abwählen oder dazunehmen.
  • Schutz: Versichert sind im Firmenrechtsschutz der Firmenchef und seine Mitarbeiter. Zusätzlich versichert die Gesellschaft den Unternehmer und seine Familie privat mit.
  • Ausschlüsse: Streit aus Versicherungsverträgen und der klassische Firmenvertragsrechtsschutz sind oft ausgeschlossen. Auch Verfahren wegen Halte- und Parkverstößen im Straßenverkehr sind meist ausgeklammert. Privat: kein Rechtsschutz bei Scheidung oder beim Streit um Immobilien und Erbrecht.
  • Wartezeit: Der Versicherungsschutz bei Neuverträgen greift meist erst nach einer dreimonatigen Wartezeit. Rechtsschutzfälle, die vorher eintreten, sind nicht versichert.
  • Leistung: Die Versicherung bezahlt den Anwalt und die Kosten des Gerichtsverfahrenssowie den Anwalt der Gegenseite, wenn man den Prozess verliert (Ausnahme Arbeitsrechtsschutz: Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens zahlt hier in der ersten Instanz jeder seine Kosten selber).
  • Deckungssumme: Sie beginnt bei neueren Verträgen ab 300.000 oder 500.000 Euro und geht bis zu einer Million Euro. In den Premiumvarianten auch unbegrenzte Deckungssummen möglich.
  • Kosten: Die Prämie der Firmenrechtsschutzversicherung staffelt sich nach Mitarbeiteranzahl, Umsatz oder Lohn- und Gehaltssumme des Handwerksunternehmens.
  • Selbstbehalte: Üblich sind 150, 250, 300 oder 500 Euro. Manche Gesellschaften erlassen den Selbstbehalt im Schadensfall, wenn der Vertrag mehrere Jahre schadenfrei lief.
  • Wichtige Vertragsbausteine: Strafrechtsschutz, Mediation, Mindestlohn-Rechtsschutz, Forderungsmanagement-sowie Inkasso-Rechtsschutz.
  • Sonderkündigungsrecht: Der Versicherer darf im Schadensfall kündigen. Die Gesellschaft sollte aber im Vertrag bei bis zu drei Schäden im Jahr auf dieses Sonderkündigungsrecht verzichten.
  • Update-Garantie: Sie sichert für den Firmenkunden eine prämienneutrale Verbesserung der jeweiligen Versicherungskonditionen.