Letztwillige Verfügungen: Mein letzter Wille war wohl undeutlich

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Erbrecht

Im Erbfall streiten sich die Erben oft nur ­deshalb wie die Kesselflicker, weil der Erblasser im Testament nachlässig formuliert hat. Da helfen auch keine postmortalen Videobotschaften.

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    Im Grabe umdrehen würde sich so mancher Erblasser, wenn er von den Erbschafts­querelen etwas mitbekäme.
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    „In einer digitalen Botschaft sollten testamentarische Verfügungen am besten gar nicht kommentiert werden.“ Dr. Anton Steiner, ­Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht und Fachanwalt für Erbrecht in München.

Irgendwie hatte Malermeister Alfred G. wohl damit gerechnet, dass seine Entscheidung, Tochter Franzi das Ferienhaus in Südtirol zu vermachen, innerhalb der Familie nicht gut ankommen würde. Um Streitigkeiten zu vermeiden, zeichnete er noch kurz vor seinem Tod eine Videobotschaft an seine lieben Verwandten auf. Darin äußerte er sich auch zu den Motiven, warum er seiner Tochter das Haus vermacht hatte. Er gehe davon aus, dass sie auch künftig zusammen mit ihrer Familie in das Haus fahre. Doch da hatte sich der Vater geirrt. Kurz nach seinem Ableben verkaufte die Tochter das Anwesen. Das wiederum rief Bruder Max auf den Plan. Er focht das Vermächtnis an, weil sich der Vater wohl offensichtlich in der Tochter getäuscht habe. Die meinte nur schnippisch, der Vater hätte das Haus so oder so allein ihr hinterlassen.

Spätere Anfechtung vermeiden

Kein Zweifel: Die Familie ist heillos zerstritten, der Fall kommt vor Gericht, es müssen Zeugen vernommen werden – Ausgang ungewiss. Hätte der Vater doch nur geschwiegen! Oder sich zumindest vorher mit einem Fachanwalt für Erbrecht oder Notar unterhalten. Denn Testamente können wegen eines sogenannten Motivirrtums beim Erblasser angefochten werden. In § 2078 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs heißt es, dass eine Anfechtung möglich ist, wenn der Erblasser zu einer letztwilligen Verfügung „durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands“ bestimmt worden ist. Fachanwalt für Erbrecht, Dr. Anton Franz Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht e.V., warnt deshalb: „Eine Videobotschaft kann ein klares und fachmännisch formuliertes Testament nicht ersetzen, darin geäußerte Wünsche sind rechtlich unverbindlich.“

Unterschrift nicht vergessen

Das deutsche Erbrecht ist kompliziert. Grundsätzlich gilt: Wer nicht möchte, dass die gesetzlich festgelegte Erbfolge eintritt, muss eine letztwillige Verfügung in Form eines Testaments oder eines Erbvertrages treffen. Auch wenn sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben einsetzen, kann viel schief gehen. Vergisst etwa die Ehefrau, zu unterschreiben, ist das gemeinschaftliche Testament gescheitert. Eine Ausnahme gilt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm nur dann, wenn der Ehemann den Testamentsentwurf unabhängig vom Beitritt seiner Ehefrau als sein Einzeltestament gelten lassen wollte (Az.: 15 W 46/14). In dem konkret entschiedenen Fall verneinten die Richter dies. Nach dem Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments sei es Ziel des Erblassers gewesen, das im hälftigen Eigentum beider Ehegatten stehende Familienheim der Familie zu erhalten. Deswegen sei eins der Kinder als Schlusserbe bestimmt worden. Diese Zielsetzung habe aber nur erreicht werden können, wenn auch die Ehefrau durch Mitzeichnung des Testamentsentwurfs eine entsprechende Verpflichtung eingegangen wäre.

Grantler haben es schwer

Schreibt ein Erblasser auf einen Briefumschlag „Meine Erben sind nicht würdig, meine Grundstücke zu besitzen“, spricht dies dagegen, dass er ein Testament errichten wollte. Denn es bleibt unklar, ob nicht nur eine Unmutsäußerung vorliegt. In dem Fall wähnten sich die beiden einzigen Kinder des Erblassers aus erster Ehe schon als Alleinerben, als plötzlich das ­Schreiben auftauchte und das Amtsgericht Esslingen den Umschlag als Testament wertete. Erst das Oberlandesgericht Stuttgart kassierte die Entscheidung wieder ein (Az.: 8 W 341/14).

Auch wenn der Erblasser die Frage, wer sein Erbe wird, im Testament selbst aus der Hand gibt, sodass ein Dritter oder das Gericht den Erben bestimmen müssen, liegt kein gültiges Testament vor. Das hat das Oberlandesgericht Köln klargestellt (Az.: 2 Wx 188/14). Eine Witwe schrieb als letzten Willen in ihr Testament, dass das Erbe nicht an ihre Nichte oder Neffen gehen solle, „die sich nie um mich kümmerten“. Stattdessen schrieb sie: „Wer mir in den letzten Stunden beisteht, dem übergebe ich Alles.“ Als sie schließlich starb, machte der Nachbar die Alleinerbschaft geltend.

Doch selbst der Gang zu einem Notar schützt nicht immer vor schlechten Erfahrungen, wie ein vom Bundesgerichtshof entschiedener Fall zeigt (Az.: III ZR 342/13). Ein Ehepaar suchte einen Notar auf. Dieser sollte ihnen ein Testament aufsetzen. Als in den Wochen darauf nichts passierte, schrieb ihn die Ehefrau an und setzte ihm eine letzte 14-tägige Frist. Den Notar kratzte das wenig: Er meldete sich einfach nicht mehr. Ein halbes Jahr später starb der Ehemann. Ein Testament hatte das Paar zuvor nicht aufgesetzt. Konsequenz war, dass die gesetzliche Erbfolge eintrat. Deshalb entgingen der Ehefrau 200 000 Euro aus dem Erbe. Diesen Betrag klagte sie gegen den Notar ein. Vergeblich. Der BGH sah ein überwiegendes Mitverschulden des Paares darin, dass die Eheleute über ein halbes Jahr nach Fristablauf nichts unternommen hatten. Sie hätten ohne Weiteres einen anderen Notar aufsuchen können.