US-Leitzinsen: Kommt die Zinserhöhung im Dezember?

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Seit Monaten ein Thema: Läuten die USA die Zinswende ein? Die US-Notenbank Fed lässt die Tür für eine Zinserhöhung im Dezember offen. Zwei Finanzexperten stellen auf handwerk-magazin.de ihre Argumente Für und Gegen eine Zinserhöhung dar.

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    Uwe Wiesner
    © Hansen & Heinrich AG, Berlin
    Uwe Wiesner, Portfoliomanager der Hansen & Heinrich AG, Berlin, geht von einer baldigen Zinserhöhung aus.
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    © Hansen & Heinrich AG, Berlin
    Uwe Wiesner, Portfoliomanager der Hansen & Heinrich AG, Berlin, geht von einer baldigen Zinserhöhung aus.
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    Stephan Albrech
    © Albrech & Cie Vermögensverwaltung
    Stephan Albrech, Vorstand der Albrech & Cie Vermögensverwaltung, glaubt nicht an eine zeitnahe Zinserhöhung.

Die US-Notenbank Federal Reserve hat den Leitzins im Oktober auf dem historischen Tief von nahe Null belassen. Das gab das Fed in Washington nach der Oktober-Sitzung des Offenmarkt-Ausschusses bekannt. An den Märkten herrscht Unsicherheit, ob US-Zentralbankchefin Janet Yellen die Zinswende im Dezember wagen oder die Entscheidung auf nächstes Jahr verschieben will. Yellen hält die Zinsen seit dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise Ende 2008 auf dem historisch niedrigen Niveau nahe null. Die Fed-Entscheidung, daran nichts zu ändern, fiel mit neun zu eins Stimmen.

Ob im Dezember eine Zinswende bevorsteht, ist noch Spekulation. handwerk-magazin.de hat zwei Finanzexperten, Uwe Wiesner und Stephan Albrech, nach Pro und Contra für eine Zinserhöhung gefragt.

Pro: Frau Yellen, heben Sie endlich die Zinsen an!

Uwe Wiesner, Portfoliomanager der Hansen & Heinrich AG, Berlin, geht von einer zeitnahen Zinserhöhung aus.

Die ausgebliebene Zinserhöhung der US-Notenbank im September hat für erhebliche Marktturbulenzen gesorgt. Die Glaubwürdigkeit der Fed wurde leicht beschädigt. Im Jahresverlauf wird die Zinserhöhung nachgeholt. Sie lässt sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln als notwendig, ja sogar als überfällig, beschreiben.

Die Aussichten für das BIP-Wachstum der USA haben sich mit êtwa 2,5 Prozent Wachstum im Jahresverlauf 2015 und darüber hinaus stabilisiert. Der US-Arbeitsmarkt ist mit einer Quote von 5,1 Prozent und im Durchschnitt 200.000 neu geschaffenen Stellen pro Monat robust. Es gibt, wie die August sichtbar, erste Zeichen von steigenden Löhnen (plus 0,32 Prozent) und steigenden Preisen.

Viele Faktoren sprechen für eine Zinswende

Hinzu kommt volkswirtschaftlich ein quasi „Konjunkturprogramm“ durch gefallende Ölpreise und gefallende Rohstoffpreise. Die negativen Inflationsaspekte der fallenden Rohstoffpreise sind ab 2016 nicht mehr wirksam, so dass negativer Druck auf die Inflation entweicht. Als weiterer volkswirtschaftlicher Aspekt gilt es zu berücksichtigen, dass die amerikanischen Konsumenten in den letzten 5 Jahren ihre Schulden massiv abgebaut haben. Dies wird im 4.Quartal 2015 und danach zu steigenden Konsumausgaben führen. Daher wird die US-Konjunktur einen ersten Zinsschritt kombiniert mit einer klaren Kommunikation über den weiteren Verlauf problemlos verkraften.

Die schlechte volkswirtschaftliche Situation Chinas wird häufig als Argument für eine ausbleibende Zinserhöhung in den USA genannt. Das Land verändert sich von einer reinen Exportwirtschaft zu einer mehr binnenorientierten Wirtschaft. Dieser Übergangsprozess ist mit kurzfristigen Unsicherheiten und Schwankungen an den Märkten verbunden. Unabhängig davon wächst China auch 2016 mit über 6 Prozent. Die Kapitalmärkte haben sich, wenn auch mit stattlicher Hilfe, stabilisiert. Darüber hinaus ist die Fed nicht für weltwirtschaftliche Fragen zuständig, sondern der US-Wirtschaft verpflichtet.

US-Wahlen begrenzen Zeitfenster

Das Fenster für eine aktive Zinspolitik der Fed ist nicht unbegrenzt offen. Im Herbst 2016 finden die Präsidentschaftswahlen statt. Die Erfahrung zeigt, dass die Notenbanker eigentlich nur bis Mai kommenden Jahres handeln können. Denn in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs ist Zurückhaltung angesagt. Der Fed bleibt also nur ein gutes halbes Jahr, um Handlungsspielraum für spätere Schwächephasen der US-Wirtschaft aufzubauen. Daher bleibt nur ein Resümee. Man möchte Frau Yellen zurufen, „trauen Sie sich endlich die Zinsen anzuheben“.

Contra: Negativzinsen in den USA? Sage niemals nie!

Stephan Albrech, Vorstand der Albrech & Cie Vermögensverwaltung, glaubt nicht an eine baldige Zinserhöhung.

Entgegen aller Erwartungen erhöhte die Federal Reserve im September den Leitzins nicht. Aufhorchen ließ die Begründung: Erstmals führte die Fed die wirtschaftliche Schwäche in China und den Schwellenländern als Argument ins Feld. Letztlich aber ist Amerika von den dortigen Entwicklungen unmittelbar betroffen – und zwar über die Inflation, die derzeit bei extrem geringen 0,2 Prozent liegt und als Grund dafür genannt wurde, dass die Zinsen unverändert bleiben.

Hier kommt China ins Spiel. Dessen Konjunktur ist bekanntlich ins Stocken geraten. Peking versucht nun, die chinesische Währung, den Renminbi, kontrolliert abzuwerten, um wettbewerbsfähiger zu werden. Doch damit erhöht der weltgrößte Exporteur den deflationären Druck auf die Industrieländer. Denkt man sich vor diesem Hintergrund den Renminbi weitere 10 bis 20 Prozent günstiger, stellt sich die Frage: Wie niedrig oder negativ werden die Teuerungsraten in den USA und Europa dann sein?

Die Angst vor niedriger Inflation

Die USA-Währungshüter wissen sehr genau um diese Zusammenhänge: Hätten sie jetzt die Zinsen erhöht, würde nicht nur Kapital in die USA fließen und den Dollar im Wert weiter steigen lassen. Auch würden die Importpreise und damit die ohnehin zu niedrige Inflationsrate erneut sinken. Wir glauben daher, dass die Fed die Zinsen erst anheben wird, wenn die Teuerung spürbar anzieht. Da dies unter dem deflationären Druck durch China und andere Schwellenländer aber unwahrscheinlich ist, dürfte die nächste Zinserhöhung weiter entfernt sein, als viele glauben. Noch mehr: Verschärft sich das Problem, könnte die Fed sogar Negativzinsen einführen!

Negativzinsen sind kein No-Go

Wer das für Unsinn hält, sollte wissen: Bei der jüngsten Sitzung hat eines der zehn stimmberechtigten Fed-Mitglieder für einen negativen Zins von minus 0,125 Prozent für 2015 und 2016 votiert – es war das allererste Mal in der Geschichte der Fed, dass negative Zinsen in Erwägung gezogen wurden. In der Pressekonferenz darauf angesprochen, antwortete Yellen, dass nominal negative Zinsen für die Fed als Ganzes momentan „kein Thema“ sind. Verfestigen sich die deflationären Tendenzen in den USA, könnte sich das ändern – schließlich besteht der wirtschaftliche Alptraum der Amerikaner nicht in zu viel, sondern zu wenig Inflation! Bei einer Teuerungsrate von minus ein bis zwei Prozent könnte die Fed negative Zinsen durchaus zum Thema machen.