Leistungslohn: Flexibel vergüten und Motivation steigern

Erfolgsabhängige Lohnbestandteile sind ein bewährtes Instrument, um Mitarbeiter zu motivieren. Chefs sollten bei Prämienzahlungen aber auch an die Risiken und Nebenwirkungen denken. Unternehmer berichten aus der Praxis.

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    Henrik Gotsch beteiligt alle Mitarbeiter am Gewinn, auch seine Sekretärin Mandy Beyer.
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    „Objektive ­Kriterien sind wichtig, damit Prämien motivierend wirken.“ Rolf Steffen, Entwickler der Leo-­Gewinnbeteiligung.
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    „Die Mitarbeiter erleben, dass sie auf den Erfolg des Unternehmens direkt Einfluss nehmen können.“ Henrik Gotsch, ­ Firmeninhaber und ­Prämienverfechter.
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    © Chart: handwerk magazin
    Planungsaufwand hält viele Chefs davon ab, variable Vergütungs­modelle einzuführen.

Leistung flexibel belohnen

Einmal im Monat ist Kassensturz bei der Gotsch GmbH. In einer Nachmittagsrunde bei Kaffee und belegten Brötchen diskutiert Inhaber Henrik Gotsch nach Feierabend die aktuellen Firmenergebnisse mit seinen Mitarbeitern. Obwohl die Teilnahme jedem freigestellt ist, sitzt das zehnköpfige Team des Bad- und Heizungsbauunternehmens aus Langendorf bei Stralsund fast immer vollzählig beisammen.

Während ihr Chef eine große Tabelle an der Wand mit Zahlen füllt, rechnen die Beschäftigten genau mit. Schließlich geht es hier nicht nur um den Gewinn für die Firma, sondern auch um ihren eigenen Geldbeutel. Leistungs- und erfolgsorientierte Gewinnbeteiligung – oder kurz „Leo“ – heißt das Prämienmodell, das bei Gotsch gelebt wird. Übernommen hat es Gotsch von der Team Steffen AG, einem SHK- und Elektrobetrieb aus Alsdorf, der seine Erfahrungen in Seminaren weitergibt. „Schon meinem ersten Mitarbeiter habe ich ab 1984 Prämien ­gezahlt, aber eben nach Bauchgefühl“, gesteht Rolf Steffen. Als die Mitarbeiterzahl wuchs, sah sich der Unternehmer zunehmend Fragen ausgesetzt wie: Warum der und nicht ich?

Negative Auswirkungen vermeiden

„Solange ich keine objektiven Kriterien vorweisen konnte, hatte ich schlechte Argumente“, blickt der gelernte Gas- und Wasserinstallateurmeister zurück: „Motivierte ich den einen, demotivierte ich drei andere.“ Doch auch die später eingeführte Koppelung von Extrazah­lungen an messbare Ziele wirkte nur in der ­gewünschten Richtung: „Auftragsprovisionen werden zum Beispiel von jenen Mitarbeitern als ungerecht empfunden, die gar keine Chance hatten, Aufträge zu akquirieren“, weiß er heute, „Teamprämien führen teilweise zu Abteilungsdenken und Abschottungstendenzen.“

Als Geschäftsführer drückte ihn zudem die Sorge, dass Prämienverpflichtungen fällig würden, obwohl die wirtschaftliche Situation des Unternehmens diese – etwa aufgrund einer Konjunkturflaute – eigentlich nicht zuließ. „Die Mitarbeiter zu enttäuschen oder die Banken, vor dieser Wahl wollte ich nie stehen“, untermauert der Rheinländer.

  • Rat:
  • Klarheit und Transparenz zählen
    Wichtigste Voraussetzung, damit Prämienmodelle ihre gewünschte motivierende Wirkung entfalten, sind klare Spielregeln, Transparenz und Chancengleichheit. Wer diese Prinzipien nicht leben kann, sollte von Prämienzahlungen lieber die Finger lassen. Andernfalls drohen schlechte Stimmung im Team, egoistisches Konkurrenzdenken, Resi­g­nation Einzelner und Dienst nach Vorschrift.

Mit gerechtem Modell punkten

Aus diesen Erfahrungen heraus entstand vor etwa zehn Jahren die Leo-Gewinnbeteiligung (siehe Musterrechnung rechts). „Wie der Name schon sagt, ist die Auszahlung an den Unternehmensgewinn gekoppelt und damit an den Gesamterfolg der Firma“, lobt „Nachnutzer“ Henrik Gotsch das Modell. Das sichere zum einen, dass nur etwas verteilt werde, wenn es etwas zu verteilen gebe. Dann aber sei die Auszahlung nicht vom guten Willen des Chefs abhängig, sondern folge klaren, transparenten Regeln. Zum anderen gelte das Prinzip: Alle oder keiner. Mit diesem Konzept gehörten dessen Erfinder zu den Vorreitern ihrer Branche.

Im Jahr 2004, als bei Steffen die Leo-Gewinnbeteiligung eingeführt wurde, gab es nur in etwa zehn Prozent der Handwerksunternehmen flexible Vergütungen, wie eine Befragung der Fachhochschule Münster belegt. „In der Industrie war dieser Anteil schon damals etwa dreimal höher“, gibt der Autor der Studie, Thomas Jansen, zu bedenken. Und an diesem Abstand hat sich nach Einschätzung des Professors bis heute wenig verändert. Dass dies in der Praxis so selten umgesetzt wird, liegt nach eigener Einschätzung der befragten Unternehmer vor allem an zu großem Planungsaufwand, fehlenden Messgrößen und der Angst vor Ungleichbehandlung.

Motivieren statt Ziele diktieren

Eine Ursache dafür sieht Gunther Wolf, einer der führenden Experten für Mitarbeitermotivation, in einem Urkonflikt: „Chefs wollen Ziele tendenziell hoch stecken, Mitarbeiter die Latte zumindest so tief legen, dass sie relativ sicher darüber kommen“, erklärt er. Diese unterschiedlichen Sichtweisen machten es meist schwer, eine faire Basis für Vergütungsvereinbarungen zu finden. „Letztlich werden Ziele deshalb oft von Führungskräften diktiert“, kritisiert der Berater. Motivierend sei das für die Betroffenen sicherlich nicht.

Als Alternative empfiehlt Wolf deshalb ein System zur Zieloptimierung, das er vor fast zwei Jahrzehnten entwickelt hat (siehe Tabelle unten). Der Dreh dabei: „Die optimale Vergütung wird nur erreicht, wenn das tatsächliche Ergebnis mit dem angepeilten Ziel übereinstimmt“, so der studierte Betriebswirtschaftler und Psychologe. Zielhöhen könnten die Mitarbeiter anhand von Tabellen selbst festlegen und dabei gleich die möglichen Prämien ablesen. Aufgabe des Vorgesetzten sei es, diese Tafeln für jedes Team oder unter Umständen für jeden Arbeitsplatz zu erarbeiten (siehe Online). Unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zieloptimierung seien allerdings „eine detaillierte Kenntnis der eigenen Unternehmenszahlen, eine klare Strategie und die offene Kommunikation mit den Mitarbeitern.“

Diese drei Punkte kann Henrik Gotsch auch für sein Prämiensystem unterschreiben. „Wir haben ungefähr ein Jahr gebraucht, um uns auf die Leo-Gewinnbeteiligung vorzubereiten“, berichtet der Mecklenburger. So brachte er seine Buchführung auf Vordermann: „Um jederzeit zu wissen, wo wir stehen, erfassen wir zum Beispiel halbfertige Arbeiten viel präziser als früher“. Darüber hinaus wurden alle Mitarbeiter geschult, damit sie die Zahlen selbst interpretieren können.

Mitarbeiter sind stärker integriert

Eine Mühe, die sich bezahlt machte. Nicht nur in Form von Prämien, die laut Gotsch seit Einführung der Gewinnbeteiligung in fünf Quartalen ausgeschüttet werden konnten. Mindestens ebenso freut er sich über lebhafte Diskussionen im Team. „Wird heute ein Wartungsvertrag gekündigt, forschen die Mitarbeiter nach, woran es gelegen hat“, beschreibt der Firmenchef einige Beobachtungen aus dem Alltag. Schmore ein teures Teil wochenlang am Lager, müsse der Besteller sich schon mal fragen lassen, warum. „Die Mitarbeiter erleben, dass sie auf den Erfolg des Unternehmens direkt Einfluss nehmen können“, fasst Gotsch seine gut vierjährigen Erfahrungen mit der Gewinnbeteiligung zusammen, „das motiviert unterm Strich vielleicht noch stärker als die Prämien selbst.“