Interview mit Stephan Blank Konjunkturpaket: Was der Digitalisierungsschub fürs Handwerk bedeutet

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Coronavirus, Digitalisierung, Internationale Handwerksmesse, IT-Trends, Künstliche Intelligenz (KI, AI), Technologietransfer und Weiterbildung

Die Bundesregierung hat mit einem Konjunktur- und Krisenbewa¨ltigungspaket umfangreiche Maßnahmen in die Wege geleitet, um den Wiederaufbau der deutschen Unternehmen und Betriebe während der Corona-Krise zu unterstützen. Stephan Blank, Referatsleiter Digitalisierungspolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und Projektleiter Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH), erklärt, wie Handwerksbetriebe davon profitieren.

Stephan Blank ZDH
Stephan Blank ist Referatsleiter Digitalisierungspolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) - © ZDH
Herr Blank, wie profitieren Betriebe von den Maßnahmen der Bundesregierung, die Digitalisierung voranzutreiben?

Stephan Blank: Für eine erfolgreiche Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft braucht es verlässliche Rahmenbedingungen. Die Voraussetzung dafür muss die Bundesregierung schaffen: Sie hat sich mit einem Bündel von Maßnahmen auf den Weg gemacht, um den Ausbau der digitalen Infrastruktur im Land voranzutreiben, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) über die Chancen der Digitalisierung zu informieren und bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten zu unterstützen. Diese Unterstützung braucht es dringend, denn nach wie vor beklagen viele Handwerksbetriebe, vor allem im ländlichen Raum, dass die Breitbandversorgung nicht ausreicht, um Digitalisierung überall zu gewährleisten. Sie haben dann beispielweise nicht die Möglichkeit, digitale Vertriebskanäle oder das Internet der Dinge (IoT) zu nutzen, um Produkte und Dienstleistung auch online beim Kunden zu platzieren.

Wie spielt der Aus- und Aufbau von Plattformen da hinein als ein wichtiger Punkt im Paket - wie bringen sie die Betriebe voran?

Der Onlinehandel wächst in Deutschland jährlich um etwa zehn Prozent und Plattformen sind in einer digitalen Welt nicht mehr wegzudenken. Sie bringen als Vermittler möglichst viele Anbieter mit möglichst vielen Kunden zusammen. Plattformgiganten wie Amazon, Google und Ebay etwa, be dienen gezielt die Kundenbedürfnisse und machen das Kauferlebnis bequem, günstig und unkompliziert. Der Kunde kann unabhängig von Geschäftszeiten einkaufen und bekommt seine Bestellung innerhalb kürzester Zeit zugestellt. Mit diesem Geschäftsmodell geht jedoch eine große Marktmacht einher und es kann schnell zu einer Monopolisierung führen. Und häufig haben kleine und mittlere Unternehmen – insbesondere aus dem Handwerk – hier im Onlinegeschäft das Nachsehen.

Was können die Betriebe tun?

Online-Plattformen verfolgen mit ihren Geschäftsmodellen häufig die sogenannte "The-winner-takes-it-all-Strategie". Den zum Teil aggressiven Verdrängungsstrategien dieser großen, rasch wachsenden und agilen Plattform-Anbieter, die oft Private-Equity-finanziert sind, kann der einzelne Handwerksbetrieb mit durchschnittlich fünf Mitarbeitern allein kaum etwas entgegensetzen. Wir sollten daher eigene Lösungen fürs Handwerk entwickeln und dabei auf sich wandelnde Märkte und Kundenbedürfnisse eingehen. Diese Plattformen müssen – wie auch die großen Plattformanbieter – skalierbar sein, um für alle Marktteilnehmer als relevant erachtet zu werden. Aus diesem Grund sollten auch die Handwerksorganisationen – die digitalen Experten der Kammern, Verbände und Innungen – gemeinsam mit den Handwerksbetrieben Digitalisierungsstrategien und Lösungen für das Handwerk entwickeln. Damit kann sichergestellt werden, dass sowohl gewerke-spezifische als auch gewerkeübergreifende Lösungen entstehen, von denen eine Vielzahl von Handwerksbetrieben gleichermaßen profitieren. Außerdem müssen wir faire Rahmenbedingungen schaffen, um eine Monopolisierung durch handwerksfremde Marktakteure und Preis-Dumping zu verhindern. Der Markt muss für alle Teilnehmer gleichermaßen zugänglich und auch die kleinen Betriebe für alle sichtbar sein.

Wie können solche Plattformlösungen fürs Handwerk aussehen?

Ziel der klassischen Vermittlungsplattformen ist es, dass Betriebe online besser gefunden werden. Und solche Lösungsansätze gibt es auch bereits aus dem Handwerk für das Handwerk. Wer heute etwa neu in eine Stadt in Nordrhein-Westfalen umzieht und vor Ort einen Handwerker sucht, der findet auf der Plattform lokaleshandwerk.de etliche Handwerksbetriebe übersichtlich und transparent mit ihren Leistungen gelistet . Dadurch erleichtert das von neun Kreishandwerkerschaften gegründete Portal die Suche nach Innungsbetrieben enorm - und stellt dabei sicher, dass die Meisterbetriebe ihre Kundenbeziehungen selbst in der Hand behalten . Das ist ein wichtiger Punkt: Denn wenn Plattformen wie Amazon die Regie übernehmen und neben Produkten auch noch Montagen mitliefern sowie Subunternehmen aus dem Handwerkbereich dirigieren, entscheidet im Ergebnis ein US-amerikanische Plattformbetreiber, welcher Handwerker den Auftrag ausführen und wieviel seine Leistung kosten darf. Das gilt es zu verhindern.

Welche Vorteile entstehen den Handwerkbetrieben über Künstliche Intelligenz (KI) und Quantencomputing?

Bei KI geht es vor allem darum, Daten zu erfassen, diese zu verarbeiten und intelligent zu nutzen . Um das zu gewährleisten, bedarf es auch des Quantencomputing. Dafür schafft die Bundesregierung mit dem Konjunkturpaket nun die Rahmenbedingungen und erhöht das Investitionsvolumen für KI von drei auf fünf Milliarden Euro. Im Vergleich zu anderen Industrienationen ist dieses Investitionsvolumen jedoch eher gering. Länder wie die USA oder China investieren weitaus höhere Summen für die Entwicklung von KI-Anwendungen. Erste Pilotprojekte, bei denen KI zum Einsatz kommt – wie etwa die Einbindung von Chatbots in die Kundenkommunikation – , setzen unsere Handwerksbetriebe bereits um und erhalten dabei tatkräftige Unterstützung vom KDH. Jedoch liegt in diesem Bereich der Digitalisierung noch viel ungenutztes Potenzial, was es in der nahen Zukunft zu heben gilt.

Förderungen für die Digitalisierung Ihres Handwerksbetriebs:

  1. Förderinitiative Mittelstand 4.0 : Ein zentrales Förderinstrument des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) ist die Förderinitiative Mittelstand 4.0 mit bundesweit 26 Kompetenzzentren, die Anlaufstelle und Informationsquelle für die Digitalisierung von Unternehmen sind. Sie bieten kostenfrei und anbieterneutral Schulungen und verschiedene Veranstaltungsformate an, setzen Digitalisierungsmaßnahmen mit einzelnen Betrieben um und stellen sie als Leuchtturmprojekte für alle KMU zur Adaption zur Verfügung. Im Rahmen der Förderung wird auch die Umsetzung von KI-Anwendungen unterstützt: Durch das KI-Trainer-Programm werden Unternehmer und Mitarbeiter im Umgang mit KI-Lösungen und in der Analyse von damit verbundenen Potenzialen für den Betrieb gezielt geschult. Speziell für Handwerksbetriebe ist das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH) zentraler Ansprechpartner.
  2. "Go-Digital" und "Digital Jetzt": Mit "Go-Digital" und dem erst kürzlich geschaffenen Förderprogramm "Digital Jetzt" , das am 7. September starte t, werden Beratungsleistungen sowie Investitionen in digitale Technologien und in die Qualifizierung von Mitarbeitern zur Stärkung ihres digitalen Know-Hows gefördert.
  3. Digital Innovation Lab: Mit dem Digital Innovation Lab arbeitet das KDH an digitalen und passfähigen Lösungen für Handwerksbetriebe , die für den Einzelnen nur mit hohem Aufwand und immensen Kosten verbunden wären, von denen aber viele Handwerksbetriebe profitieren können. In interdisziplinären Teams aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung werden handwerksrelevante, digitale Trendthemen beleuchtet und analysiert, um Lösungsansätze, Prototypen und Blaupausen für eine Vielzahl von Handwerksbetrieben zu entwickeln. Derzeit erarbeitet der ZDH gemeinsam mit dem KDH an dem Umsetzungskonzept des Digital Innovation Labs, das im März 2021 auf der Internationalen Handwerksmesse (IHM) präsentiert werden soll.

Vita Stephan Blank

Stephan Blank, Diplom-Wirtschafts-Ingenieur und Master of Business Administration (MBA) stu dierte an der HTW Berlin, der RWTH Aachen und der University of St. Gallen Wirtschaftsingenieurswesen, General Management und Innovationsmanagement. Seit 2016 ist er Referatsleiter für Digitalisierung im Zentralverband des Deutschen Handwerks. Der Digitalisierungs- und Innovationsexperte gestaltet in seiner Funktion als Projektleiter im Kompetenzzentrum Digitales Handwerk die digitale Transformation im Handwerk aktiv mit.