Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Mobilität droht zum Luxusgut zu werden

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Dieselfahrzeuge, Fuhrpark und Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Der Umweltschutz hat Diskussionen los getreten, die sich auch um das Thema Mobilität drehen. Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH) Baden-Württemberg, ist der Meinung: Was ursprünglich ein Begriff für Freiheit war, wird zunehmend stigmatisiert.

Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg
Die studierte Politologin und Handwerksunternehmerin Ruth Baumann vertritt seit 2008 als Präsidentin die Unternehmerfrauen im Handwerk in Baden-Württemberg (ufh). - © Antoinette Steinmüller Fotostudio

Es entsetzt mich, wie inhaltslos und ideologisch zurzeit Diskussionen um Klimaschutz und Mobilität geführt werden. Viele sind entsetzt und fassungslos, wie man mit endlichen Ressourcen umgeht. Man überbietet sich mit Beschuldigungen. Blinder, unkoordinierter Aktionismus unterschiedlichster Ausprägung scheint einziges Gestaltungselement der Zukunft. Wir nähern uns einer Öko-Diktatur, wobei der Umweltschutz langfristige, ernsthafte, nachhaltige und vor allem realisierbare Vorschläge nicht nur braucht, sondern auch verdient.

Der Staat handelt widersprüchlich

Wenn für eine Sondersitzung 2019 702 Bundestagsabgeordnete eingeflogen werden (gut, es gab vereinzelte Bahnfahrer) und Dienstflugreisen um sich greifen (laut Bundesministerium gab es 2018 rund 230.000 Inlandsflüge), dann muss die Frage gestattet sein, weshalb sich der autofahrende Bundesbürger nahezu einer Hetzjagd ausgeliefert sieht. Teurer Wohnraum in den Städten war die Ursache für manche "Landflucht". Pendler suchen nicht die Sommerfrische, sondern ihren Arbeitsplatz.

Wo der öffentliche Nahverkehr versagt oder verlottert, ist dies Ausdruck von Selbsthilfe. Der Diesel als sparsame Alternative, steuerlich begünstigt, wurde geopfert. Der Staat aber agiert heute noch ungeniert als Beifahrer, indem Dieselkosten in die Staatskassen gespült werden. Der Benziner als weitere „Dreckschleuder“ ist ebenfalls geächtet. Aber die E-Mobilität wird es richten. Interessant ist hierbei, wie man Kinderarbeit, Umweltschutz bei der Herstellung der Batterien und der absehbaren späteren Entsorgung, galant ausblendet. Und der Strom? Der kommt aus der Steckdose.

Gütertransporte stehen auf dem Prüfstand, das muss auch umweltschonender gehen. Wer geißelt aber in diesem Zusammenhang die Lagerhaltung auf den Straßen? Wo sind die Rufer, die den Mittelständler belächelten, weil er die Straße nicht als Betriebsstandort nutzte? Es gebührt auch jedem Einzelhändler ein Umweltsiegel, weil unzählige Paketfahrten aufgrund von Internetbestellungen vermieden werden.

"Ernst gemeinter Umweltschutz beginnt mit Kosten und Einschnitten"

Ist das Streckennetz gewartet, der Zug pünktlich, der Waggon funktionsfähig und ansprechend, wäre auch dies ein Beitrag zum Umweltschutz. Um die Sonntagsreden mit etwas prüfbarem zu unterfüttern, könnte man auf 19 Prozent Mehrwertsteuer verzichten. Hiermit wäre auch für den Durchschnittsverdiener eine interessante Option zum Billigflieger geschaffen. Wenn dann noch alle Abgeordneten kostenlose Bahnfahrten zu einer Bildungsfahrt über den Zustand der aktuellen Infrastruktur nutzen würden, ist das in meinen Augen gelebte Nachhaltigkeit. Ernst gemeinter Umweltschutz beginnt mit Kosten und Einschnitten.

Es braucht ein richtiges Konzept, kein Stückwerk, um der Verantwortung gegenüber der Umwelt gerecht zu werden. Die Lösung kann nicht im Unterbieten von Schwellenwerten liegen oder in einem erneuten Griff in die Taschen der Bürger. Es geht nicht darum, ernste Anliegen mit einem Hinweiß auf die wirtschaftlichen Folgen mundtot zu machen, aber wirtschaftliches Denken und eine Folgenabschätzung gehört dazu. Es braucht Augenmaß statt Abgaben, denn die Folgen in der Automobilwirtschaft sind schon heute zu sehen. Es spricht nicht von einer klaren Wahrnehmung, wenn man alle Bürger umerziehen will, während die Emissionen von Schiffen ein erster Ansatzpunkt wären.

Öko-Gesamtkonzept statt überstürztes Handeln

Die vor Jahren eingeführte Ökosteuer hat dem Fiskus zwar Milliarden gebracht, sie wird aber in Steuerstatistiken nicht ausgewiesen und die Umwelt leidet weiter. Die EEG-Umlage hat den Strom verteuert. Aber hat sie dadurch auch den Wald gerettet? Bevor jetzt ein CO2-Ablasshandel als „Beruhigungspflästerle“ los getreten wird, sollte ein Gesamtkonzept her: Welches Ziel hat man, mit welchem Mitteln will man es realisieren? Es reicht nicht, wenn alles teurer wird, der Durchschnittsbürger die Zeche zahlen soll, die „umweltschädlichen“ Arbeitsplätze geopfert wurden und werden. Es ist beschämend, wenn man die Geldeinnahmen aus umweltschädigendem Verhalten nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern auch großzügig ausgibt.

Mobilität ist nicht generell verwerflich und schlecht. Wenn sich der Staat aber nahezu hemmungslos bedient, Individualverkehr zum Privileg weniger werden soll, ist der gesellschaftliche Frieden gefährdet. Verbote, Planwirtschaft und Ökodiktatur schützen weder die Umwelt, noch sind sie Garant für Demokratie und Freiheit. Glaubwürdigkeit ist nachhaltig. Der Bürger hat aus dem Versprechen des befristeten Soli gelernt: Erst das Konzept, dann kann man über weitere Abgaben diskutieren. Ansonsten wird das nationale Opfer als vermessener Alleingang nicht nur global scheitern ...