Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Bares ist Wahres und Geldkarten nur ein schwacher Ersatz

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Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Wer händigt schon freiwillig seinen gefüllten Geldbeutel zur Selbstbedienung fremden Personen aus? Bei einem vermeintlichen Stück Plastik in Form einer Geldkarte, schwinden diese Vorbehalte hingegen zusehends. Ade Hoheit über die eigenen Finanzen! Und ade eigene Freiheit! Dieser Meinung ist zumindest unsere Kolumnistin Ruth Baumann, Präsidentin der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg. Sie hat sich im aktuellen Beitrag ihrer Kolumne “Neues von der Werkbank“ dem Thema ,Bargeld in der heutigen Zeit‘ angenommen.

Ruth Baumann, Landesvorsitzende ufh Baden-Württemberg
Die studierte Politologin und Handwerksunternehmerin Ruth Baumann vertritt seit 2008 als Präsidentin die Unternehmerfrauen im Handwerk in Baden-Württemberg (ufh). - © Antoinette Steinmüller Fotostudio

Die Erfindung des Geldes stand am Ende einer langen Kette unterschiedlichster Tauschgeschäfte, die es den Menschen ermöglichten unmittelbar an Dinge, die sie benötigten oder gern besitzen wollten, zu gelangen. Obwohl die Wertigkeit im Laufe der Jahrhunderte Schwankungen unterlag, stand die Notwendigkeit und Existenz von Geld nie zur Diskussion. Im Gegenteil, nach Krisenzeiten war eine verbindliche Währung das erste Anzeichen für wiederkehrende Normalität. Geld war und ist geprägte Freiheit und nicht zu letzt auch tragbares Eigentum, wie schon kluge Geister vor der Huldigung der Künstlichen Intelligenz festgestellt haben. Dieses Denken scheint uns aber in jüngster Zeit nicht nur abhanden gekommen zu sein, nein, es wurde uns förmlich „abtrainiert“ .

Schritt für Schritt zur Bargeldlosigkeit?

Mit der ideologisch geschickt eingefädelten Abschaffung des 500 Euro Scheins begann es einst. Zugegeben, nicht jeder hatte selbigen oft in großer Stückzahl im Geldbeutel und war dahingehend eher entspannt. Aber begann hier nicht, geradezu unterschwellig, ein erster Angriff auf die gedruckte Freiheit oder das tragbare Eigentum? Nehmen wir einmal an, Sie wollen ein gebrauchtes Auto für 1.500 € von einer Privatperson kaufen. Drei 500 € Scheine wären schneller gezählt als dreißig 50 € Scheine. Gut, den Einwand auf 100 € und 200 €-Scheine auszuweichen, lasse ich gelten; noch haben wir sie. Aber für wie lang noch? Was ist, wenn es sie bald alle nicht mehr gibt?

Die Risiken der Geldkarte

Aktuell ist bereits der Trend zu Metallen als Alternative offensichtlich (die aktuellen Preissteigerungen in diesem Sektor sprechen eine deutliche Sprache). Ein erster Beweis für eine Vertrauenskrise gegenüber dem propagierten bargeldlosen Zahlen? Bei Kleinbeträgen braucht es nur noch das Hinreichen der Karte, was der menschlichen Faulheit (und Dummheit) sehr entgegenkommt. Die Bequemlichkeit hat ihren Preis, denn verschiedene Gruppen wollen sich schon im „Vorübergehen“ an unserem Konto bedienen. Der Handel weiß Abhilfe: Kreditkartenhüllen, die einen unberechtigten Zugriff verhindern sollen. Die Geister, die ich rief…

Es geht (auch) um Wertschätzung

Natürlich kann auch Bargeld gestohlen werden. Und dennoch ist es in meinen Augen unverzichtbar. Ich bezahle meinen Kauf einmalig und lerne mit meinen Ressourcen umzugehen. Keine Mehrfachabbuchung aufgrund eines (vermuteten) technischen Defekts, wie es jüngst bei einer Kollegin geschah. Der Überblick über den Finanzstatus ist unmittelbar und diszipliniert das Ausgabeverhalten. Es hat also auch einen erzieherischen Effekt. Wer Kindern vermittelt, nur ein paar Zahlen und etwas Plastik seien nötig, um im Handumdrehen die neuen Marken-Sneaker zu besitzen, darf sich nicht wundern, wenn die „Wertschätzung“ von Dingen – auch im späteren Leben – ausbleibt. Erst wenn man sein sauer gespartes Taschengeld für die Erfüllung eines Wunsches den Besitzer wechseln sieht, setzt ein Bewusstsein für den getätigten Kauf ein. Verweigern Sie Ihren Kindern also nicht diese Erkenntnis, denn sie hilft auch im späteren Leben, macht sie zu mündigen Bürgern und kann vielleicht auch Privatinsolvenzen vorbeugen.

Moderne Zahlsysteme, die hinken

Bevor Sie mich jetzt zum Dinosaurier des Bargelds abstempeln und weiterhin die Hoheit über Ihre finanziellen Mittel abgeben, schenken Sie mir dennoch noch kurz Ihre Aufmerksamkeit. Ich will die Freiheit und die Wahlmöglichkeit: Bargeld, Kreditkarte und/oder Überweisung – je nach Sachlage. Ja, es nervt, wenn Jung oder (auch) Alt wegen 7,64 € beim Einkaufen die Karte zücken, die PIN vergessen haben oder aber der Akku leer ist. Die Umweltbelastung durch den Bon auf Thermopapier nimmt man als Gratiszugabe gern in Kauf. Der Geldbeutel wäre schneller gezückt. Ich wäre schon auf vielen Zugfahrten verdurstet, weil aufgrund technischer Probleme keine Kartenzahlungen möglich waren. Gleiches war auch jüngst beim Weihnachtseinkauf, die Presse berichtete mehrfach darüber, in zahlreichen Geschäften der Fall. Diese „Herausforderung“ hat sich sicherlich nicht gerade positiv auf den Umsatz ausgewirkt. Strom muss auch in heutiger Zeit nicht immer störungsfrei aus der Steckdose kommen. Geprägte Freiheit verdient Wertschätzung und muss bewahrt werden. Es spricht nicht nur für Faulheit, sondern fast schon von spätrömischer Dekadenz, wenn man glaubt, dass alles ein Selbstläufer ohne eigene Verantwortung sei. Ein Blick über Ländergrenzen hinaus kann zeigen, wie verletzlich eine Gesellschaft und deren Kritiker bei Limitierung und Regulierung von finanziellen Möglichkeiten sind. Negativzinsen lernen wir gerade kennen, Kommastellenrücken beim Kontoauszug gilt es vorzubeugen.

Wir haben die Wahl, stellen wir uns also auch der Verantwortung. Es darf nicht sein, dass statt demokratischer Freiheit lieber Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit – im Umgang mit unserem tragbaren Eigentum – der Vorzug geboten wird. Vielleicht denken Sie bei Ihrem nächsten Einkauf daran, bevor sie die Hoheit über ihre Finanzen leichtfertig abgeben.