Ausschreibungen Großaufträge für Handwerker

Handwerksunternehmen können sich in Bieterlisten eintragen und damit auch bei Großprojekten Aufträge erhalten. Wie Betriebe bei solchen Aufträgen zum Zuge kommen.

  • Bild 1 von 3
    © Gunnar Geller
    Ohne Bieterlisten hätte Malermeister Heiko Gebertshahn so manchen Auftrag nicht erhalten.
  • Bild 2 von 3
    © Lohde
    „Nischenanbieter haben mit dem Verzeichnis besonders hohe Auftrags chancen.“ Wolfgang Lohde, Geschäftsführer FM Bau, München.
  • Bild 3 von 3
    © Gunnar Geller
    „Über die Bieterliste habe ich vier schöne Aufträge ergattert.“ Heiko Gebertshan, Inhaber eines Hamburger Malerbetriebs.

Kleine Aufträge auf großen Baustellen

Auf die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 freut sich Heiko Gebertshan gleich doppelt. Als gebürtiger Hamburger ist er auf zahlreiche architektonisch anspruchsvolle Projekte gespannt, die seine Heimatstadt im kommenden Jahr bereichern werden. Als Handwerksunternehmer kann er mit diesem Großevent richtig Geld verdienen. Bei vier Ausschreibungen, welchenorddeutsche Bauunternehmen für IBA-Objekte gestartet haben, liegt der Malermeister in aussichtsreicher Position. Mit wenigstens einem Auftrag rechnet er fest. „Alle vier Bauherren sind auf meinem Betrieb über das Bieterverzeichnis der Handwerkskammer aufmerksam geworden“, freut sich Gebertshan. „Ohne diesen Service hätte ich kein Angebot abgeben können.“

Solche Verzeichnisse gibt es inzwischen bundesweit, und sie haben ein Ziel: Kleine und mittlere Unternehmen aus der Region sollen ein dickes Stück vom Auftragskuchen bekommen. Als Bauherren oder Generalunternehmer, welche sich direkt um Großaufträge bewerben, kommen solche kleineren Betriebe nicht infrage, weil sie zu kapitalschwach sind, lediglich in einzelnen Gewerken arbeiten oder nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen. Aber sie können sich über Bieterverzeichnisse erfolgreich als Subunternehmer bewerben.

Für Maler Gebertshan wäre die Teilnahme an einem öffentlichen Großprojekt eine neue Erfahrung. Bisher hatten er und seine zehn Mitarbeiter fast ausschließlich private und kleinere gewerbliche Bauvorhaben betreut.

Keine eigene Akquise nötig

Als 2008 die ersten IBA-Projekte ausgeschrieben wurden, legte die Handwerkskammer Hamburg mit den Organisatoren der Bauausstellung und der Internationalen Gartenschau IGS, die 2013 ebenfalls in Hamburg stattfindet, das „Bieterverzeichnis Elbinselhandwerk“ auf. Unternehmen, die nach Vorlage bestimmter Unterlagen in diese Liste eingetragen werden, sollen so bessere Chancen auf Aufträge für diese Elbinsel-Events haben. IBA wie IGS planten Investitionen für knapp eine Milliarde Euro. „Wir führen Bauherren und Handwerker zusammen“, erklärt Handwerkskammer-Betriebsberater Niels Weidner das Bieterverzeichnis. Wenn Generalunternehmer sich nach qualifizierten Betrieben für Unteraufträge erkundigen, werden ihnen geeignete Kandidaten genannt. Für das Handwerk entfalle damit die eigene Akquise.

Das Hamburger Projekt hat ein prominentes Vorbild. Für den Bau des fast fünf Milliarden Euro teuren Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) ist ebenfalls ein Bieterverzeichnis aufgelegt worden. Die Federführung hat hier die Auftragsberatungsstelle (ABS) Brandenburg, die von den IHKs und Handwerkskammern des ostdeutschen Bundeslandes getragen wird.

Mittlerweile gibt es auch für andere Großprojekte Bieterverzeichnisse. Das vorerst jüngste Beispiel ist der Flughafen München. Für den Bau eines Außenterminals legte das Tochterunternehmen FM Bau mit dem Auftragsberatungszentrum (ABZ) der bayerischen Kammern eine entsprechende Liste auf. Aufträge in Höhe von mindestens 453 Millionen Euro winken. „Jedes Bau- und Bauausbauunternehmen ist willkommen“, sagt FM Bau-Geschäftsführer Wolfgang Lohde. Auch Nischenanbieter werden ausdrücklich zum Eintrag aufgefordert. Hier sieht Lohde besonders große Chancen für regionale Anbieter.

Qualifikation nachweisen

Allerdings gibt es Hürden für einen Eintrag. Im Grunde genommen wird nichts weiter als eine Präqualifizierung verlangt, wie sie bei öffentlichen Ausschreibungen für Bauaufträge und Dienstleistungen vorausgesetzt wird. Unternehmen, die an solchen Verfahren teilnehmen, müs-sen anhand von zahlreichen Eignungsnachweisen ihre Qualifikation belegen. Andernfalls haben sie keine Chance bei der Auftragsvergabe. Beim Eintrag in die Bieterverzeichnisse sind die gleichen Papiere wie bei der Präqualifikation vorzulegen. Die Antragsteller müssen unter anderem nachweisen, dass sie nicht gegen das Vergaberecht verstoßen, keine Insolvenz zu befürchten haben, über Handelsregistereintrag, Gewerbeanmeldung und Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts verfügen, eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben und Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig abführen. Außerdem sind Referenzen der letzten Jahre, eine Dar-stellung der Firmenausstattung sowie betrieb-liche Kennzahlen erwünscht.

Alle diese Unterlagen sind regelmäßig zu erneuern. Die ABS Brandenburg setzt hier eine Frist von lediglich drei Monaten und geht damit über die üblichen Präqualifizierungsverfahren hinaus, die sechs Monate für ausreichend halten. Mancher Marktkenner warnt bereits vor zu hohen Anforderungen. „Jedes Unternehmen muss kalkulieren, ob sich der Aufwand wirklich rechnet“, sagt Klaus Knörle von der Auftragsberatungsstelle Baden-Württemberg. Am besten fahren demnach die Betriebe, die mit öffentlichen Aufträgen ein neues Geschäftsfeld erschließen wollen und sich auch außerhalb des Bieterverzeichnisses um Projekte bewerben.

Großes Interesse der Betriebe

Das Interesse des Handwerks ist trotzdem groß. Rund 1000 Unternehmen sind in der BBI-Liste eingetragen. Für das erst vor wenigen Wochen gestartete ABZ-Verzeichnis meldeten rund 50 Unternehmen Interesse an, die ersten Aufträge sollen in den kommenden Wochen vergeben werden. Vermutlich werden demnächst weitere Bieterverzeichnisse für Großprojekte folgen.

Bisher haben vor allem Kommunen und sogenannte Sektorenauftraggeber aus der Energie-, Verkehrs- und Wasserwirtschaft solche Listen aufgelegt: Wenn neue Bauprojekte anstehen, können die Teilnehmer sich unmittelbar bewerben oder beim Bauherren ihre Unterlagen einreichen.

Mehr Akzeptanz bei Bürgern

Jetzt gelten Verzeichnisse auch als probates Mittel für Großprojekte: Egal ob neue Stadtteile gebaut, Schienenstrecken erweitert oder Stromtrassen verlegt werden. Wenn möglichst viele Aufträge an regionale Unternehmen gehen, kann dies die Akzeptanz betroffener Bürger fördern, hoffen Politik und Wirtschaft - die Beteiligung der Bevölkerung gilt seit Stuttgart 21 als unverzichtbar. Für den Flughafen München war dies ein ausschlaggebender Grund, ein Bieterverzeichnis anzuregen.

Bleibt die Frage, wie groß die Aussichten auf zusätzliche Aufträge für den regionalen Mittelstand tatsächlich sind. Mit genauen Angaben tun sich die Initiatoren nicht zuletzt deshalb schwer, weil sie strenge Vorgaben des deutschen und europäischen Vergaberechts zu beachten haben. So müssen die Verzeichnisse prinzipiell jedem Unternehmen offenstehen, also auch solchen außerhalb der Region. Weitaus schwerer wiegt, dass Bauherren und Generalunternehmer letzten Endes nicht verpflichtet werden können, regionale Subunternehmer zu engagieren.

Industrie reagiert reserviert

Trotz oder gerade wegen solcher Einschränkungen spricht der Flughafen Berlin von 70 Prozent Auftragsvolumina, die in der Region verblieben sind. Deren Auftragswert macht rund 60 Prozent des Gesamtetats aus, kleine Lose überwiegen klar: Präzisere Zahlen nennen die Hamburger. In den vergangenen zwölf Monaten wurden für 94 Ausschreibungen 263 Handwerksunternehmen angeschrieben. „Über 25 Prozent der abgegebenen Angebote sind erfolgreich“, fasst Weidner die vorliegenden Daten zusammen

Die Bauindustrie reagiert noch reserviert auf Bieterverzeichnisse. Manche Unternehmen arbeiten mit festen regionalen Partnern zusammen und halten solche Angebote für überflüssig.

Am größten sind die Erfolgschancen offenbar dann, wenn ein Generalunternehmer oder Bauherr noch nicht regional vernetzt ist. Die Handwerkskammer Hamburg hat deshalb ihr Verzeichnis auch für Auftraggeber geöffnet, die Projekte außerhalb von IBA und IGS realisieren.

Somit kann sich Handwerksunternehmer Gebertshan auf weitere Auftragsanfragen freuen. Da er im Bieterverzeichnis der Kammer gelistet ist, muss er nicht extra aktiv werden. ◇

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Eine Übersicht über große Bauvorhaben, die in nächster Zeit geplant sind, finden Sie auf handwerk-magazin.de/09_2012

Übersicht Bauvorhaben

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie hier: handwerk-magazin.de/wirtschaft