Kämpfen lohnt sich

Firmenpleite | Eine Insolvenz wird oft allzu leichtfertig als Aus für die betroffene Firma angesehen. Doch in der Krise liegt mitunter auch eine hervorragende Chance für einen Neuanfang. Vorausgesetzt, der Betroffene handelt schnell und verfügt über einen kompetenten Berater.

Kämpfen lohnt sich

„Auf zwei wurde unser Rating gerade von der Sparkasse hoch gestuft“, freut sich Jürgen Kullmann. Auf der Bewertungsskala, die von Bestnote 1 bis zur 18 reicht, ein Resultat, „das sich sehen lassen kann“, wie der Geschäftsführer der Fuldaer Firma Oswald Keramik und Stein bescheiden feststellt. Das Unternehmen, das er gemeinsam mit Mitgesellschafter Rainer Jahn führt, glänzt nicht nur mit einer Eigenkapitalquote von über 50 Prozent und vollen Auftragsbüchern, sondern auch mit einem Controlling, das die Chefs fast taggenau über Soll und Ist auf dem Laufenden hält.

„Dieses Frühwarnsystem ist eine Konsequenz aus Erfahrungen der Vergangenheit“, verrät Jürgen Kullmann. Denn vor fünf Jahren wäre um ein Haar „alles hier den Bach hinunter gegangen“: der Firmenname Oswald, die größte Fliesen- und Kachelofen-Ausstellung in Nordhessen und Dutzende Arbeitsplätze, „unsere eigenen eingeschlossen“, erklärt der gelernte Fliesenleger.

Aufgrund überhöhter Entnahmen und anderer, durch ungünstige Gesellschafterstrukturen bedingte Fehlentscheidungen, geriet das damalige Unternehmen „Oswald Fliesen“ in eine akute Liquiditätskrise. „Im Februar 2002 blieb nur noch der Gang zum Amtsgericht, um dieInsolvenz anzumelden“, erinnert sich Jürgen Kullmann.

Ein Schicksal, das in der Bundesrepublik pro Jahr etwa 35000 Unternehmen erleiden; Tendenz inzwischen sinkend, aber dennoch auf sehr hohem Niveau (zum Vergleich: 1993 lag die Zahl der Firmeninsolvenzen bei 15148). Für betroffene Firmeninhaber, für Lieferanten, Auftragnehmer und Mitarbeiter ist fast jeder Fall mit dramatischen Folgen verbunden, bis hin zum Verlust der eigenen Existenzgrundlage, wie sie Anne Koark in ihrem Insolvenz-Tagebuch 2003 öffentlich machte (siehe Interview Seite 34). Allein 2005 registrierte das Statistische Bundesamt 21 Milliarden offene Forderungen und 168000 verlorene Arbeitsplätze aus Firmeninsolvenzen.

Andererseits bieten Insolvenzverfahren häufig auch Chancen für Neuanfänge - sowohl durch Betroffene, als auch durch Außenstehende. Braumeister Maximilian Hösl zum Beispiel hat gemeinsam mit seiner Frau Ingrid bereits drei insolvente Brauereien in Ostdeutschland erfolgreich wiederbelebt, eine davon, die Garley Brauerei im altmärkischen Gardelegen, sogar zweimal.

Auf das Traditionsunternehmen mit der „ältesten Biermarke der Welt“ im Namen war der bis dahin angestellte Braumeister Mitte der 90iger Jahre durch eine Anzeige in einem Fachmagazin aufmerksam geworden. 1996 übernahm er die vor dem Konkurs stehende Firma gemeinsam mit seinem Bruder und führte sie mit Investitionen, neuen Rezepturen und pfiffigem Marketing in die Erfolgsspur zurück.

Zum zweiten Mal gerettet

Zwei Jahre später gelang ihm und seiner Frau dieses Kunststück mit dem Brauhaus im sächsischen Penig, dessen Kellerberg Schwarzbier beim renommierten Nürnberger Bierstar-Award wenig später zweimal in Folge Gold gewann. Bevor das Paar 2001 die dritte Brauerei in Luckenwalde südlich von Berlin übernahm, trat Maximilian Hösl die Geschäftsführung in Gardelegen an seinen Bruder ab. Als dieser 2005 Insolvenz anmeldete, sprangen Ingrid und Maximilian Hösl erneut als Retter ein: „Wir kannten das Absatzgebiet, den Betrieb und die Mitarbeiter und konnten so in kürzester Frist ein Sanierungskonzept vorlegen“, berichtet der 49-Jährige.

Der Faktor Zeit spielt im Insolvenzfall eine entscheidende Rolle, weiß der Handwerker: „Die besten Mitarbeiter finden als Erste einen neuen Job. Und wenn Anlagen einmal verkauft oder Räume neu vermietet sind, wird ein Neustart um ein Vielfaches schwieriger, vielleicht sogar unmöglich.“

Hinzu kommt: Insolvenzverwalter sind in erster Linie den Gläubigern verpflichtet, erst in zweiter Linie dem ihnen anvertrauten Unternehmen. Und sie leiden an chronischer Überlastung, wie eine Studie der Euler Hermes Kreditversicherung zeigte: Danach betreute von 125 befragten Insolvenzverwaltern jeder durchschnittlich 150 laufende Verfahren. Für die Überwachung oder gar das Management laufender Geschäftsprozesse haben sie damit kaum Zeit. Weil sie den Gläubigern gegenüber zudem für Fehlentscheidungen persönlich haften, ziehen sie eine schnelle Zerschlagung von Unternehmen meist der langwierigen Weiterführung der Geschäfte vor.

„Wer einen Betrieb erhalten will, braucht deshalb sehr schnell sehr schlüssige Argumente und ein solides Finanzierungskonzept“, weiß Ingrid Hösl, die neben acht Mitarbeitern und der Marke Garley auch Anlagen und Gebäude aus der Insolvenzmasse übernahm. Mit einer Straffung des Sortiments, der Einstellung von Billiglieferungen an Discounter sowie der Zusammenlegung von Verwaltung und Einkauf mit den anderen beiden Brauereien führten sie die Firma in die Gewinnzone zurück.

Auf Erfahrungswissen wie Hösl konnten Jürgen Kullmann und Rainer Jahn nach der Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht zurück greifen. „Zum Glück fanden wir aber durch den Runden Tisch kompetente Unterstützung“, lobt Kullmann das Hilfsangebot, bei dem Experten verschiedener Fachgebiete die Situation bedrohter Firmen unter die Lupe nehmen. „Hier lernten wir auch Unternehmensberater Peter Fitz kennen“, berichtet der Fliesenleger: „Ohne dessen Hilfe gäbe es unser Unternehmen heute vielleicht gar nicht.“ Fitz half nicht nur maßgeblich bei der Entwicklung des Firmenkonzepts und des Controllingsystems, sondern wurde zum wichtigsten „Sparringspartner“ für die beiden Unternehmer.

Schneller Neuanfang

Bereits zwei Wochen nach der Insolvenzanmeldung gründeten sie ihre eigene Firma, erwarben vom Insolvenzverwalter die Marke „Oswald“ und übernahmen das Betriebsgelände mit Inventar sowie einen Teil der Mitarbeiter. Die Ofenbau-Abteilung wurde von Kollegen als eigenständiges Unternehmen weiter geführt. „Wir konzentrieren uns auf Fliesen und Stein und setzen konsequent auf das Privatkundengeschäft“, erläutert Jürgen Kullmann. Das jüngste Bilanzgespräch bei der Sparkasse hat ihm bewiesen: „Das Kämpfen hat sich gelohnt.“

Frank Pollack

kerstin.meier@handwerk-magazin.de