Interview: Ziele erreichen Joachim Pawlik: "Wir müssen schneller und besser werden"

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Buchtipp und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Der ehemalige Profifußballer beim FC St. Pauli Joachim Pawlik, Gründer der Pawlik Consultants GmbH in Hamburg, benennt zielführende Strategien, um Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Joachim Pawlik, Pawlik Consultans GmbH
Joachim Pawlik, ehemaliger Profifußballer und Ex-Vize-Präsident des FC St. Pauli, leitet die Pawlik Consultants GmbH in Hamburg. - © Jörg Brockstedt
handwerk magazin: Herr Pawlik, in Ihrem Buch sagen Sie, durch die Unwägbarkeit unserer Zeit lassen sich Pläne manchmal nicht realisieren. Wie gehen Sie selbst damit um?

Joachim Pawlik: Sehen Sie, zu Beginn der Corona-Krise war ich als Unternehmer unmittelbar betroffen. Plötzlich mussten wir, die wir sehr eng und im persönlichen Gespräch mit unseren Kunden arbeiten, alle Kommunikationswege digital neu aufstellen. Wir standen vor einem massiven Wandel. Ich glaube aber fest daran, dass einen die Unwägbarkeiten unserer Zeit nicht vom Pläneschmieden abbringen dürfen. Als Chef sollten Sie Ziele aktiv vorantreiben und im Vorfeld verschiedene Eventualitäten durchspielen.

Sie haben Ihr Buch „Zirkeltraining für die Karriere“ genannt. Wie gleicht der Berufsalltag heute einem Zirkeltraining? Welche Lehren zieht ein Handwerkschef daraus?

Das Buch entstand, weil ich feststellte, dass ich heute als Profifußballer auf dem Platz keine Chance mehr hätte. Warum? Weil sich der Fußball in den letzten Jahren so radikal schnell entwickelt hat. Profis haben ihre Technik verfeinert, das Spiel an sich ist unglaublich schnell geworden. Für mich war vor allem faszinierend zu sehen, dass der Sport eine Art hat voranzuschreiten, wie wir es im Wirtschaftsleben im Moment nicht erleben. Wenn wir aber zielbewusst und kontinuierlich trainieren, können wir besser und schneller werden. Auch der Handwerksunternehmer muss sich damit beschäftigen, besser zu werden, damit sein Betrieb mit aktuellen Entwicklungen Schritt halten und die Zukunft gut meistern kann.

Sie empfehlen, eine Zielcollage zu entwerfen, um berufliche Ambitionen nicht in die falsche Richtung zu manövrieren. Was genau ist das?

Man zieht sich mit einer Pappe und Zeitschriften unterschiedlichster Couleur zurück und schneidet Bilder aus, die man mag und die darstellen, wie man sich und den Betrieb in Zukunft sieht. Dafür darf man sich ruhig zwei oder drei Stunden Zeit nehmen, mit guter Musik im Hintergrund. Wichtig ist, dass die Ziele, die im eigenen Leben und für den Betrieb Bedeutung haben, im Bild aufscheinen.

Wie kamen Sie darauf, Ihre Kunden Bilder ausschneiden zu lassen?

In unserer Beratungspraxis sehen wir viele Manager in der Mitte des Lebens an einem Punkt, an dem sie nicht zufrieden sind, obwohl sie alles erreicht haben. Oft haben sie Erwartungen von Eltern, Freunden, der Gesellschaft erfüllt, ohne eigene Ziele im Auge zu behalten. Es handelt sich häufig um die typische Midlife-Crisis. Mit einer Zielcollage stellt man die Balance wieder her, erkennt, was einem wichtig ist und was man wirklich will.

Aber wie beugt man vor, um gar nicht erst in so eine Situation zu geraten?

Indem Sie Ihre Ziele jedes Jahr ehrlich und gründlich überprüfen. Sie profitieren in jungen Jahren davon, aber auch mit 60. Und erreichen echte Zufriedenheit.

Gibt es auch Situationen, die geradezu nach einer Zielcollage schreien?

Ja, etwa wenn Handwerkschefs den Betrieb an ihre Kinder übergeben möchten. Mein Credo: Sie sollten sie beizeiten vorher eine Zielcollage entwerfen lassen. So sehen sie, ob Sohn oder Tochter die Nachfolge im Herzen tatsächlich wollen.

Sie sagen, dass man aus einem Misserfolg mehr lernen kann als aus zehn Erfolgen, und fordern Chefs sogar auf, Fehler offensiv zuzugeben. Warum?

Der Chef, der sich als Alleskönner sieht und dominant über allem steht, wird keine Chance mehr haben. In Zeiten des Fachkräftemangels hat jeder gute Mitarbeiter mehrere Alternativen. Das heißt, ich muss Mitarbeiter in Entscheidungen und Abläufe mit einbeziehen, damit sie besonders gern mit mir arbeiten. Indem ich als Chef zugebe, dass ich nicht alles kann und weiß und auch Fehler mache, bleibe ich authentisch und werde von meinem Team akzeptiert.

Was kann dabei noch helfen?

Zum Beispiel rate ich Handwerksbetrieben, sich mit dem Team zu Strategiemeetings außerhalb des Betriebs zusammenzufinden, um mit gemeinsam skizzierten Ideen in die Zukunft zu gehen. Vor allem junge Mitarbeiter fühlen sich dadurch eingebunden und wertgeschätzt. Das bindet sie an meinen Betrieb und schweißt das Team zusammen.

Sie fordern Chefs auf, sich Zeiträume zu reservieren, um Dinge voranzutreiben, die erst später Früchte tragen. Aber widerspricht das nicht Ihrer These, man müsse schneller paddeln?

Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben: Ein Bewerber wird im Vorstellungsgespräch gefragt, ob er Englisch spricht. Der Mann entgegnet, dass er die Sprache in seinem bisherigen Umfeld nicht benötigt habe, es aber schnell lernen könne. Was passiert? Nein, er wird den Job nicht bekommen. Es hätte anders laufen können, hätte er zuvor regelmäßig Kurse belegt. Übertragen auf den Handwerksbetrieb heißt das: Ich muss als Chef schon heute bestimmte Fertigkeiten erproben, um sie in zwei Jahren sinnvoll einsetzen zu können. Dafür muss man sich von der Tageshektik befreien. Denn die analytische linke Gehirnhälfte, die – wissenschaftlich erwiesen – langsamer arbeitet, benötigt Raum. Wenn immer nur alles schnell gehen muss, kann ich nicht analytisch arbeiten. Genauso wenig kann ich in der Hektik empathisch bleiben. Zu sehen, wie es den Mitarbeitern geht, ist aber für den Unternehmenserfolg langfristig unverzichtbar.

Sie nehmen Mythen auf den Prüfstand, etwa „Zeige keine Angst“, „Think positive“ oder „Think big“. Verlieren sie ihre Gültigkeit?

Heute achten die Leute auf etwas anderes: Der interessiert sich für meine Meinung. Das ist es, was motivierend wirkt! Man muss als Unternehmer wertgeschätzt werden, um Erfolg zu haben. Dann darf man auch Fehler machen. Ein Beispiel: In den USA wurden Professoren, die zuvor von ihren Studenten bewertet wurden, gebeten, aus Versehen Kaffee zu verschütten und mit Fleck auf dem Hemd aufs Podium zu treten. Ergebnis: Die Vorträge der Professoren mit guten Noten wurden trotz Fleck exzellent bewertet, während die der zuvor schlecht bewerteten Professoren in der zweiten Befragung noch schlechter abschnitten.

Sie plädieren dafür, Stress positiv zu interpretieren, statt sich überwältigen zu lassen. Wie aber funktioniert das?

Stress entsteht erwiesenermaßen durch Versagensängste. Sehen Sie, in meinem Alltag habe ich mit Leuten zu tun, die ganz vorne im Rampenlicht stehen, und ich sage Ihnen: Die Erfolgreichsten unter ihnen haben die größten Ängste. Befürchtungen zu haben macht uns fokussiert und lässt das Maximum entstehen. Aufregung positiv anzunehmen sorgt dafür, dass wir uns konzentrieren.

Worauf müssen Chefs achten, um nicht zu scheitern?

Die größte Gefahr der Zukunft sehe ich im Getriebensein. Chefs müssen sich immer wieder Zeit nehmen, um ihre Ziele und den Weg dorthin zu überprüfen – und kritisches Feedback einholen.

Braucht man in der aktuellen Gemengelage nicht diese traditionelle Bodenständigkeit, die dem Handwerk nachgesagt wird? Was beobachten Sie in Ihrem Beratungs-Alltag?

In der Corona-Zeit konnten wir tatsächlich sehen, dass starke Führungsleistung dazu beitragen kann, Krisen zu meistern. Dennoch wird der dominante Chef keine Zukunft haben. Bereits in zehn Jahren werden deutlich mehr Mitarbeiter in den Betrieben unter 30 sein. Das heißt, man muss die Übergangsphase jetzt nutzen, um den Betrieb attraktiv zu gestalten.

Wie genau könnte das Handwerkern gelingen?

Jeder Chef will Mitarbeiter, die mitdenken, die sozusagen kleine Unternehmer im Projekt sind. Wenn es die im Betrieb bislang nicht gibt, muss man sie dorthin entwickeln. Dabei benötigen Sie eine gewisse Romantik gegenüber den Mitarbeitern. Damit meine ich: Sie müssen zu 100 Prozent an Ihr Team glauben, auch wenn es aktuell noch Defizite gibt. Nur dann gelingt die Zusammenarbeit. Um Ihre Außenwahrnehmung besser einzuschätzen: Fragen Sie doch einmal, wie Sie im Betrieb wahrgenommen werden – natürlich anonym. Ein souveräner Chef und ein guter Spirit machen Unternehmen unabhängig von der Größe attraktiv.

Was raten Sie jungen Handwerkschefs, die gerade frisch gegründet oder den Betrieb von den Eltern übernommen haben?

Jungen Unternehmern, die ein Start-up gegründet haben, würde ich raten, an ihren Weg zu glauben und Leute einzustellen, die Lust an der Unternehmenssteuerung haben, die mitgestalten wollen und ihre Ideen einbringen. Wesentliche Frage im Vorstellungsgespräch etwa könnte sein: Wie sie sich die gemeinsame Unternehmensführung vorstellen. Nachfolgern empfehle ich: Versuch nicht zu werden wie Dein Vater. Das ist immer die schlechtere Kopie. Lerne von seinen Stärken, aber gehe Deinen eigenen Weg. Zumal die Mitarbeiter dem jungen Chef die adaptierten schlechten Gewohnheiten eines 55Jährigen nicht abnehmen. Ein eigenes Profil zu entwickeln ist hier immens wichtig.

Vita & Buch Joachim Pawlik

Joachim Pawlik machte in Hamburg Abitur und spielte Fußball beim FC St. Pauli, bevor er sich für die Selbstständigkeit entschied. Heute ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der Pawlik Consultants GmbH. Als Berater stellt er den Menschen in den Mittelpunkt von Unternehmen. Und er beschäftigt sich mit der Frage, welche Fähigkeiten maßgeblich den Erfolg beeinflussen.

In seinem Buch „Zirkeltraining für die Karriere“ zeigt er, wie Chefs mutiger werden, mehr Verantwortung übernehmen, die letzten zehn Prozent aus sich herausholen und durch langsames Denken Tempo erreichen (Murmanns Publishers, ISBN-13 978-3-86774-667-0; 22 Euro). Mehr Informationen unter www.zirkeltraining-karriere.de