Experte Bernd Juhl „Jeder Betrieb ist individuell“

Bernd Juhl, Bewertungsexperte der Handwerkskammer Ulm. - © HwK Ulm
Experte Bernd Juhl

„Jeder Betrieb ist individuell“

hm: Warum ist ein spezielles Bewertungsverfahren für Handwerksbetriebe notwendig?

Juhl: Die gängigen Verfahren zur Unternehmensbewertung berücksichtigen nicht die im Handwerk übliche Abhängigkeit des Geschäftserfolgs vom Inhaber. Daraus folgt, dass Inhaber oft den Wert des eigenen Betriebs überschätzen. Wer persönliche Kontakte pflegt und sich vor Ort engagiert, profitiert auch geschäftlich von diesen Verflechtungen.

hm: Wie genau geht der AWH-Standard auf diese Situation ein?

Juhl: Entscheidend ist, dass sich der Faktor, mit dem die Ertragskraft des Unternehmens bei der Bewertung multipliziert wird, beim AWH-Verfahren aus der Struktur des jeweiligen Betriebs ergibt. Ein veralteter Maschinenpark oder die Abhängigkeit von bestimmten Kunden mindern über Risikozuschläge den Unternehmenswert. Andere Bewertungsmodelle verwenden lediglich „branchenübliche“ Faktoren, die keine betriebsspezifische Bewertung zulassen.

hm: Wie können Betriebsinhaber hohe Abschläge bei der Bewertung vermeiden?

Juhl: Wenn der Betrieb auch ohne seinen alten Chef erfolgreich weiterlaufen kann und eine solide Geschäftsausstattung vorhanden ist. Wer in den Jahren vor der Übergabe zukunftsweisend investiert und eine breite Kundenstruktur geschaffen hat, reduziert die Risikozuschläge in der Bewertungsformel. Vorteilhaft ist auch, den Nachfolger über längere Zeit einzuarbeiten, ihn wichtigen Kunden vorzustellen und ihm zu helfen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Mitarbeitern aufzubauen. Übernehmer sollten deshalb genau diese Punkte kritisch hinterfragen und vorsichtig auf Schwachstellen hinweisen, die sich im Preis wiederfinden müssen.

hm: Wie läuft eine Bewertung ab und wie lange dauert sie?

Juhl: Der Betriebsinhaber meldet sich direkt bei seiner Handwerkskammer und füllt ein Formular mit verschiedenen Daten zum Betrieb aus. Dafür benötigt er Jahresabschlüsse oder Anlagenverzeichnisse. Oft kann hier der Steuerberater weiterhelfen. Wenn der Fragebogen ausgefüllt ist, schlägt der Betriebsberater zwei bis drei Beratungstermine vor, darunter einen Termin vor Ort. Dabei macht sich der Berater ein Bild vom Unternehmen, sammelt fehlende Daten und lernt auch den Nachfolger kennen. Erst dann erstellt er seine Bewertung.