Restaurierung und Nachhaltigkeit Gewerbebau-Interview mit Thomas Kraubitz: "Nicht abreißen, sondern sanieren!"

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Baustoffe, BIM, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Restaurierung

Wer Baumaterialien als Wert versteht und damit betagtere Gebäude saniert, der erhält nicht nur die Idenität eines Stadtviertels, sondern agiert nachhaltig. So beschreibt es Thomas Kraubitz. Der Auditor bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) sieht auch in der Digitalisierung noch viel Potenzial, beim Gewerbebau energieeffizienter vorzugehen.

Thomas Kraubitz, Auditor bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB)
Thomas Kraubitz, Auditor bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) - © Happold Ingenieurbüro
Herr Kraubitz, als DGNB-Auditor beraten Sie zur Nachhaltigkeit von Städten und Gebäuden. Was wird benötigt, um nachhaltiger zu bauen?

Beim nachhaltigen Bauen auf Gebäudeebene geht es zuallererst um die richtige Auswahl der Materialien. Eine gute Orientierung dabei liefert die "Materialpyramide" der Königlichen Akademie der Baukunst in Dänemark: Ganz nach dem Muster der bekannten Lebensmittelpyramide zeigt das Schaubild transparent an, welche Materialien gesund und umweltverträglich sind und welche weniger. So eine Pyramide könnte auch in Deutschland angesetzt werden. Der DGNB-Navigator der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) liefert bereits erste wichtige Informationen zu einer geeigneten Materialwahl. Auch Bauteilbörsen, die kostenloses Baumaterial zur Verfügung stellen, tragen dazu bei, Baustoffe als Wert zu verstehen.

Wie verhält sich das bei schon bestehenden älteren Gebäuden?

Bei existierenden Baukörpern sollte die Hürde zum Abbruch erhöht werden, um wirklich nachhaltig zu handeln. Um- und Weiternutzung sind hier eine zentrale Bauaufgabe und Neubauten müssen qualitativ deutlich besser sein, um sich selbst rechtfertigen zu können. Erste Gebäude aus den 1980er Jahren sind mittlerweile auf der Denkmalschutz-Liste angekommen, allerdings noch nicht solche aus den 1990ern und 2000ern, die oftmals für ein wiedervereinigtes Deutschland stehen. Unter den Aspekten der Ressourcenverknappung, aber auch der Auswirkungen durch Baumaßnahmen wie Lärm, Staub und Verkehr sollte der Abriss jeglicher Gebäude mit einem Alter von unter 50 Jahren hinterfragt werden und auch das CO2-Konto des Projektes gegenüber einen Neubaus gesetzt werden. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie sieht die Bundesregierung außerdem vor, Versiegelungen in Deutschland bis 2030 von 56 Hektar auf 30 Hektar pro Tag annähernd zu halbieren. Das gelingt nur, indem Bestandsgebäude weiter genutzt werden und innerstädtisch nachverdichtet wird. Wie das gelingt, zeigt für mich die Um- und Weiternutzung des Schlachthof-Bezirks in Kopenhagen beispielhaft: Vor langer, langer Zeit war dies das Zentrum der Fleisch-Industrie in Kopenhagen, heutzutage ist es ein kulinarisches Erlebnisviertel. Noch immer ist die Gegend, nach den Farben der Gebäude, in drei Teile in den Farben Weiß, Grau und Braun eingeteilt, und behält somit einen großen Teil seiner Identität .

Auch die Digitalisierung soll für mehr Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sorgen: Wie?

Über digitales Bauen, wie es zum Beispiel mit Building Information Modeling (BIM) gelingt, können wir den Materialeinsatz bereits recht früh und genau bestimmen, Kollisionsprüfungen in der Planung durchführen und auf Langlebigkeit hin auslegen. Doch das Hauptproblem bleibt, dass ein Gebäude immer noch eine Maßanfertigung ist. Die Möglichkeiten der automatisierten Produktion wie es bei der Automobilherstellung Standard ist, ist beim Bau noch nicht angekommen. Wünschenswert wäre es, wenn der digitale Zwilling eines jeden Projekts nicht nur für die Dauer der Planung und Erstellung, sondern darüber hinaus fortbestehen würde, um die Instandhaltung des Gebäudes zu unterstützen.