Interview Thomas Graber zu Bau-Trends: "Aus Handwerkern müssen Unternehmer werden"

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3D-Drucker, BIM, Digitalisierung und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Thomas Graber, Inhaber des gleichnamigen Handwerksbetriebs für Dämmtechnik, Trockenbau und Innenausbau, blickt für handwerk magazin in die Zukunft und erklärt, welche großen Trends die Bau-Branche in diesem Jahr umtreiben werden. Sein Appell: Betriebe sollten weitere Schritte in Richtung Digitalisierung unternehmen!

Thomas Graber
Stillstand ist Rückschritt – findet Thomas Graber, Inhaber der Graber GmbH im bayerischen Rimsting. - © Graber GmbH
Was sind die großen Trends 2021 in der Baubranche?

Thomas Graber: Alle sprechen zwar von Industrie 4.0 und den großen Veränderungen unserer Industrie, übersehen dabei aber oft, dass die Veränderungen in der Baubranche und insbesondere im Handwerk mittlerweile mindestens genauso groß und herausfordernd sind. Aktuell sehe ich vier große Trends :

  1. Die Digitalisierung hat längst Einzug gehalten in vielen Bereichen – von der Planung über die Ausschreibung und das Bautagebuch bis hin zur Umsetzung und der Rechnungslegung. Das wird noch weiter gehen.
  2. Getrieben von der Industrie kommen zusätzlich immer wieder neue, innovative Technologien, Produkte und Verarbeitungstechniken auf den Markt, die qualifiziert eingesetzt werden müssen.
  3. Die Rolle des Fachhandels wird immer schwieriger, weil die Hersteller selbst auf den Markt drängen und sowohl Handwerker als auch Bauherren direkt beliefern. Gleichzeitig vermittelt der Handel aber auch Handwerker an seine Kunden.
  4. Wir erleben eine dynamische Entwicklung beim Preiskampf, die Parole lautet: noch schneller, noch günstiger, noch qualitativer. Dies führt zu einer Aufspaltung der Anbieter: Die einen, die, meist mit ausländischen Subunternehmern den Preiskampf eingehen, und die anderen, die sich eine Nische suchen und dort mit hoher Qualität und hoher Zuverlässigkeit die anspruchsvollen Projekte umsetzen.
Welche neuen Technologien bringen den Bau und seine Gewerke voran?

Ganz klar dringt die Digitalisierung immer weiter und immer tiefer in die Baubranche ein. Dabei geht es aktuell vor allem um die Vereinfachung von Prozessen im Rahmen vonBuilding Information Modeling (BIM). Über weitergehende Technologien wie3D-Druck oder Virtual Reality brauchen wir dabei noch gar nicht sprechen – auch wenn sie in einigen Bereichen durchaus sinnvoll wären. Viele Handwerksbetriebe aus dem Baugewerbe scheitern doch schon an Online-Ausschreibungen, Emails, der eigenen Homepage oder digitalem Rechnungsversand. Viele Unternehmer müssen sehr weit unten abgeholt werden, weil sie sich in der Vergangenheit zu sehr um ihr Handwerk als die konkrete Umsetzung des eigenen Gewerks gekümmert und weniger um das Unternehmertum mit seinen neuen Trends und Entwicklungen.

Gilt das für alle Gewerke gleichermaßen – oder nehmen Sie da einige stärker ins Gebet?

Grundsätzlich gilt: Ein Haus wird nach wie vor und auch weiterhin von unten nach oben gebaut. Wer aber heute als Handwerker im Baugewerbe bei größeren Projekten dabei und auch noch erfolgreich sein will, muss mindestens auf der digitalen Klaviatur mitspielen können. Und gerade kleinere Gewerke, die im Entstehungsprozess weiter hinten stehen, werden sich immer stärker in solche digitalen Prozesse einarbeiten müssen.

Wie kommen die Betriebe dabei voran?

Gegenüber anderen Branchen ist das Handwerk schon traditionell nicht sehr innovationsstark und bei der Umsetzung von Innovationen immer langsam, in vielen Bereichen zögerlich. Das liegt in erster Linie auch daran, dass sich der Stand und die Regeln der Technik nur alle fünf bis zehn Jahre weiterentwickeln. Deshalb setzen die Unternehmer oft nur das, was sie kennen und können, gewohnt und traditionell um. Somit ist die grundsätzliche Bereitschaft für Veränderungen aus der Historie heraus auch eher unterentwickelt.

Wie lässt sich das ändern?

Es liegt einzig und allein an der Unternehmerpersönlichkeit, ob eine grundsätzliche Bereitschaft und Motivation vorhanden ist, sich und sein Unternehmen weiterzuentwickeln. Deshalb brauchen wir einen grundsätzlichen Wandel in der Denkstruktur der Handwerker – vom handwerklich Arbeitenden zum Unternehmer. Wer diesen Wandel nicht selbst gehen kann und will, braucht Unterstützung von außen: sei es durch externe Berater oder – und darin sehe ich eine große Chance – durch junge, motivierte Menschen, die mit neuen, größtenteils digitalen Aufgaben für das Handwerk zu begeistern sind.

Gibt es einen Baubetrieb, der da mit gutem Beispiel für alle voran geht?

Ich glaube nicht, dass es diesen einen Erfolgsweg gibt und damit auch nicht den ultimativen Betrieb, der als Vorbild dienen kann. Vielmehr muss jeder für sich, nach genauer Analyse seiner Kundenstruktur, seiner eigenen technischen wie personellen Möglichkeiten und seiner eigenen Motivation, einen Weg für sich finden und diesen umsetzen.

Welche Technologien ziehen Sie in Ihrem eigenen Betrieb dabei schon heran - und mit welchen Resultaten?

Ich habe die Graber GmbH in den letzten Jahren zum Generalisten entwickelt und zu einem starken Partner für Architekten und Bauherren. Das heißt: Wir bringen für Folge- und Nebengewerke nicht nur unsere verlässlichen Partner mit, sondern koordinieren uns auch mit diesen. Darüber hinaus haben wir ein hauseigene Planungs- und Entwicklungsabteilung, die speziell im Innenausbau die Vorstellungen der Kunden so umsetzt, dass sie nicht nur ihren Vorstellungen entsprechen, sondern auch durch uns umsetzbar sind. Dieser Baustein hat uns ein klares Alleinstellungsmerkmal und viele neue Aufträge gebracht.

Welche Ratschläge geben Sie anderen Betrieben?

Jeder muss die Zeichen der Zeit erkennen und für sich und sein Unternehmen eine Vision für die Zukunft haben. Mit einem „Weiter so!“ wird es noch ein paar Jahre gut gehen, aber dann ist der Zug abgefahren. Es muss ja nicht jeder Handwerker in diesem Zug im ersten Wagen sitzen, aber jetzt müssen alle auf den Bahnsteig der Entwicklung gehen, um zumindest im vorletzten oder letzten Wagen noch einen Platz zu bekommen – um in diesem Bild zu bleiben. Stillstand ist Rückschritt! Heute einen kleinen Schritt in die Zukunft zu gehen, ist wichtig, auch wenn dieser vielleicht morgen noch nicht viel einbringt. Aber hätte man auf die Skeptiker gehört und gewartet, gäbe es heute noch keine Dampfmaschine.

Über Thomas Graber:

Thomas Graber ist seit seinem 18. Geburtstag Inhaber der Graber GmbH, eines Handwerksunternehmens für technische Isolierung und Brandschutz. Nach der Übernahme vom Vater erlebte er mit dem Betrieb alle Höhen und Tiefen und hat die Firma zu einem mittelständischen Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen geführt, das heute regional, aber auch im In- und Ausland in den Bereichen Technische Isolierung, Trockenbau und Innenausbau als wichtiger Partner wahrgenommen wird. 2013 wurde die Graber GmbH als einer der Top 100-Arbeitgeber in Deutschland ausgezeichnet. Inzwischen wurde das Unternehmen um den Bereich Projektplanung erweitert. Sein Wissen und seine Erfahrung als Unternehmer vermittelt Graber in Vorträgen, Seminaren und Workshops, bei denen die Teilnehmer von vielfältigen und praxisnahen Tipps profitieren. Dabei geht es ihm besonders um die Rolle und Persönlichkeit des Unternehmers allgemein, das Verständnis komplexer betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge sowie die Positionierung für die Zukunft – mit einem speziellen Fokus für kleine und mittelständische Unternehmen.