Interview René Fornol Junioren entwickeln Generationenvertrag: "Die Kluft ist inzwischen zu groß geworden"

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Um den Nachwuchs im Ehrenamt zu stärken und die junge Generation auf künftige Herausforderungen vorzubereiten, braucht es eine generationenübergreifende Initiative, sagt René Fornol, Bundesvorsitzender der Junioren des Handwerks. Dafür hat sein Verband jetzt einen Generationenvertrag entwickelt.

René Fornol
Bundesvorsitzender der Junioren sieht in den heutigen Handwerksjunioren die künftigen Obermeister und Kammerpräsidenten. - © Fabian Zapatka
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Wie sehen die Junioren des Handwerks das Thema Generationenvertrag? Gerade auch bezogen auf den demografischen Wandel in unserer Gesellschaft?

Jede Generation hat ihre eigenen Ideen, Werte und Ziele. Der hieraus entstehende Generationenkonflikt war von jeher Motor für Innovation und Fortschritt . Dies gilt für das Handwerk wie gesamtgesellschaftlich. Der Generationenvertrag stellt sicher, dass dieser Generationenkonflikt der notwendige Motor bleibt und nicht zu einem engstirnigen gegeneinander von Alt und Jung und damit in die Sackgasse führt. Der Generationenvertrag ist das gegenseitige Versprechen der Generationen füreinander einzustehen und Verantwortung zu übernehmen. Der demografische Wandel führt zu einem Rollenwechsel. Erstmals stellt die ältere Generation die Mehrheit. Ihr obliegt deshalb eine besondere Verantwortung, die Anliegen junger Menschen zu berücksichtigen. 

Stichwort „Fridays for Future“: „Verfrühstückt“ die Baby-Boomer-Generation gerade die Ressourcen für die nachfolgenden Generationen?

Der Umgang vieler Verantwortlicher aus der Politik mit der „Fridays for Future“-Bewegung offenbart die bestehende Kluft zwischen den Generationen. Hier ist viel aufzuholen. Mehr denn je benötigen wir einen Dialog zwischen den Generationen über die großen Zukunftsfragen. Klar ist, die Denk- und Verhaltensweisen der fetten Jahre sind weder nachhaltig noch zukunftsfähig. Auch im Handwerk: Wir müssen darüber reden, wie das Handwerk der Zukunft aussehen soll? Welche Folgen werden der Klimawandel, die Digitalisierung, der demografische Wandel oder der anhaltende Fachkräftemangel für das Handwerk haben? Hierauf müssen wir gemeinsam Antworten finden.  

Was muss sich ändern?

Ob im Handwerk oder in der Gesellschaft: Die Generation, die jetzt die Verantwortung trägt, muss erkennen, dass sich etwas ändern muss. Konkret fürs Handwerk: Es reicht nicht aus, resigniert hinzunehmen, dass viele Betriebsinhaber keinen Nachfolger finden oder dass es immer weniger Kandidaten für ehrenamtliche Tätigkeiten im Handwerk gibt. Wir müssen handeln. Von uns jungen Handwerkerinnen und Handwerkern erwarte ich, dass wir uns mehr engagieren und einbringen. Wir müssen stärker als bisher den Dialog einfordern und Alternativen zu den bisherigen Wegen aufzeigen.  

Viele jungen Menschen beklagen, dass die „Alten“ an ihren Posten kleben und Weiterentwicklung und Innovation behindern?

Wer sich über die „Alten“ beschwert, verschwendet seine Energie, anstatt wirklich etwas zu ändern. Wir Junioren des Handwerks gehen einen anderen Weg. Wir haben den Anspruch, die Obermeister und Kammerpräsidenten von morgen zu sein. In diesem Bewusstsein wollen wir heute gemeinsam mit der älteren Generation die Weichen stellen und wichtige Veränderungen einleiten.   

Tut die Handwerksorganisation genug?

Die Handwerksorganisation hat in den letzten zehn Jahren etwas Beeindruckendes geschafft. Mit der Image-Kampagne ist es gelungen, das verstaubte Bild des Handwerks gerade bei jungen Menschen von Grund auf zu modernisieren. Studieren war sexy, Handwerk nicht. Heute sehen viele junge Menschen ihre berufliche Zukunft im Handwerk. Das ist gut so, darf aber erst der Anfang sein! Deshalb muss dieser Weg weiter verfolgt werden.  

Was sollte ausgebaut werden?

Es war richtig, jungen Menschen mit der Image-Kampagne die Attraktivität des Handwerks aufzuzeigen. Jetzt muss der nächste Schritt folgen. Denn wir haben nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern auch ein ernsthaftes Nachwuchsproblem im Ehrenamt. Genauso wie früher das Image der Handwerksberufe gilt für viele junge Menschen ein Ehrenamt heute als Relikt aus einer anderen Zeit. Dass die Ausübung eines Ehrenamts im Handwerk nichts mit den klischeehaften Vorstellungen junger Menschen gemein hat, müssen wir besser als bisher verständlich machen.  

Was sollte überwunden werden?

Die Handwerksorganisation muss sich eingestehen, dass die Nachwuchsgewinnung im Ehrenamt kein Selbstläufer mehr ist. Es wird absehbar schwieriger, ausreichend Kandidaten für die Wahl zur Vollversammlung zu finden. Ich bin überzeugt, dass es uns nur gemeinsam gelingen wird, junge Menschen für ein Engagement im Handwerk zu begeistern. Handwerkskammern, Innungen und Junioren des Handwerks verfolgen nicht nur dasselbe Ziel, sondern sollten künftig auch an einem Strang ziehen. Ich wünsche mir sehr, dass die zum Teil bestehende Zurückhaltung gegenüber einer Zusammenarbeit mit den Junioren der Vergangenheit angehört.  

Die Junioren des Handwerks veröffentlichen dazu jetzt einen Generationsvertrag. Worum geht es dabei?

Wir wollen einen Impuls setzen. Die Junioren des Handwerks verstehen sich als Nachwuchsverband für das Ehrenamt im Handwerk und treten an, junge Menschen für ein ehrenamtliches Engagement zu begeistern. Wir wissen, dass uns das nur gemeinsam mit der Handwerksorganisation gelingen kann. Wir strecken der Handwerksorganisation mit dem Generationenpapier die Hände aus und laden sie zum konstruktiv, selbstkritischen Dialog ein.  

Was sind die wichtigsten Punkte des „Generationenvertrags im Ehrenamt des deutschen Handwerks“?

Wir machen darin zunächst deutlich, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft des Handwerks mit zu gestalten. Wir sagen: Um den Nachwuchs im Ehrenamt spürbar zu stärken und die junge Generation auf künftige Herausforderungen vorzubereiten, braucht es eine generationenübergreifende Initiative. Fünf Punkte sind dabei von zentraler Bedeutung:

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  1. # Der Nachwuchsarbeit im Ehrenamt mehr Bedeutung schenken.
  2. # Die Zusammenarbeit zwischen Handwerksorganisationen und Junghandwerk stärken.
  3. # Mindestens einen Nachwuchsverband pro Handwerkskammerbezirk einrichten.
  4. # Eine Imagekampagne für das Ehrenamt im Handwerk initiieren.
  5. # Junge Talente durch etablierte Ehrenamtsträger individuell fördern.
(Den kompletten Text des Generationenvertrages konnen Sie im Kasten unter dem Foto oder hier herunterladen.)
Wie reagierte die Handwerksorganisation darauf?

Wir haben das Papier im Vorlauf zur Veröffentlichung dem ZDH vorgestellt. Das Feedback ist überaus positiv. Herr Präsident Wollseifer unterstützt unser Anliegen und unser Vorgehen. Das ist uns sehr wichtig. Jetzt kommt es darauf an, die Handwerksorganisationen in den Regionen auf unser Anliegen aufmerksam zu machen und mit ins Boot zu holen.  

Sie schreiben darin „Jung lernt von Alt“. Muss denn nicht auch „Alt von Jung lernen“? Etwa wenn es um Technologie, Internet, Kommunikation, Arbeitsmethodik und Führung geht?

Im Handwerk lernt immer noch der Lehrling vom Meister. Das gilt im Betrieb genauso wie im Ehrenamt. Wer als junger Mensch Verantwortung für das Handwerk übernehmen und es gegenüber Entscheidungsträgern der Politik erfolgreich vertreten möchte, muss wissen, wie man es macht. Wir wollen nicht mit dem sturen Kopf durch die Wand und meinen alles besser zu können. Wir wollen die Ideen und Anliegen unserer Generation gezielt einbringen. Das, was die alte Generation von uns lernen kann, überzeugt im gegenseitigen Austausch von ganz allein.  

Seit 2014 sind Sie Bundesvorsitzender der Junioren des Handwerks. Für die kommende Amtsperiode, die im Herbst beginnt, wollen Sie nicht mehr kandidieren. Wie sieht Ihre persönliche Bilanz als Bundesvorsitzender aus?

Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesvorstand ist es uns gelungen, die Junioren des Handwerks nach innen zu einen und ihnen nach außen ein neues, ansprechendes Erscheinungsbild zu geben. Wir sind zudem seit meinem Amtsantritt vor fünf Jahren wieder ein wachsender Verband. Sowohl die Mitgliederzahlen als auch die Anzahl der Ortsverbände ist jedes Jahr gestiegen. Darauf bin ich sehr stolz.  

Wie wird es mit den Junioren des Handwerks weitergehen?

Die Junioren werden den eingeschlagenen Weg fokussiert fortführen. Wir werden als Nachwuchsverband für das Ehrenamt im Handwerk unser Augenmerk insbesondere auf die Ansprache junger Handwerkerinnen und Handwerker richten. Aber auch wir stehen vor einem Generationenwechsel. Es freut mich sehr, dass sich bei den Junioren des Handwerks auf allen Ebenen spürbar mehr junge Handwerkerinnen engagieren. Diese bringen neue Ideen und Perspektiven mit. Das ist gut und wichtig. Insbesondere unsere Kommunikationswege und -kanäle wollen wir an die Kommunikationsgewohnheiten der 20 bis 30 jährigen anpassen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Junioren auch künftig ein aktiver und zunehmend berücksichtigter Teil des organisierten Handwerks sind.  

Herr Fornol, vielen Dank für das Gespräch!
  • Vita René Fornol: Geboren 1977 in Halberstadt. Von 1993 bis 1996 Handwerkslehre im Friseurhandwerk. Im Jahr 2001 Prüfung zum Handwerksmeister. Von 2001 bis 2006 Tätigkeit als Handwerksmeister in der Industrie. Von 2006 bis 2016 als selbständiger Handwerksmeister aktiv. Seit 2014 Bundesvorsitzender der Junioren des Handwerks. Beginnt 2017 Arbeit in der Arbeitstherapie, gleichzeitig Studium zum Personal und Business Coach. Seit 2019 Arbeitstätigkeit als psychologischer Berater.
  • Download des Generationenvertrages: Den kompletten Text des Generationenvertrages konnen Sie im Kasten unter dem Foto oder hier herunterladen.

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