In Polen bauen

Ostmärkte | Nach den großen erkennen auch kleine Unternehmen ihre Chancen durch die Internationalisierung der Wirtschaft – wie zwei Bauunternehmer, die heute in Polen und Lettland aktiv sind.

In Polen bauen

Auf den Aufschwung hat Uwe Nostitz lange warten müssen. „Wir sind der Osten vom Osten“, sagt der Bauunternehmer aus Bautzen. Hier habe die Baubranche nicht wie fast überall in den neuen Bundesländern einen Boom erlebt. Endlich aber sind die Aufträge da. Dennoch herrscht irgendwie verkehrte Welt, denn sie kommen noch weiter aus dem Osten. Vor eineinhalb Jahren, so Nostitz, sei es kaum vorstellbar gewesen, in Polen oder gar in Lettland zu bauen. Ganz im Gegenteil. „Auch ich gehörte zu den vielen Skeptikern, als feststand, dass sich die EU nach Osten öffnen würde“, so der Handwerksunternehmer. Aber dann kam alles anders.

Nostitz gründete 1990 zusammen mit seinem Vater die „Nostitz und Partner Bauunternehmung GmbH“ im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien. Nach Prag sind es knapp 150 Kilometer, nach Breslau gerade einmal 200. Berlin ist weiter entfernt. In diesem Zipfel Deutschlands spezialisierte er sich mit seinen 36 Mitarbeitern auf Sanierung und Modernisierung. Eher zufällig wurde der Bauunternehmer auf eine Baustelle in Breslau aufmerksam. „Nachdem ich mich an einer Ausschreibung beteiligt habe“, wundert sich Nostitz, „bekam ich trotz meiner Kalkulation mit deutschen Löhnen, Auslöse-, Anreise- und Übernachtungskosten den Zuschlag.“ Staunend nahm der Unternehmer die Realität eines überhitzten Baumarktes in Polen zur Kenntnis. Die Fördermittel der EU fließen in Strömen. Weit und breit aber fehlen die Fachkräfte. Polnische Bauarbeiter zogen schon vor Jahren gen Westen. In diese Lücke stießen Uwe Nostitz und andere Mittelständler.

„Für unsere Betriebe ist es eine erstaunliche Erfahrung, dass sie auf dem polnischen Markt wettbewerbsfähig sind“, sagt Klaus Bertram. Als Hauptgeschäftsführer des in Dresden ansässigen Sächsischen Baugewerbeverbandes spricht er für rund 800 Unternehmen. Noch vor kurzem habe er Messebesuche in Polen oder Tschechien absagen müssen – mangels Interesse deutscher Unternehmen, konstatiert Bertram. „Irgendwie ist jetzt der Knoten geplatzt, denn es ist bekannt, dass viele Preise in bestimmten polnischen Regionen höher sind als bei uns“, so Bertram. Dazu komme der eklatante Fachkräftemangel auf dem Bau.

Handwerk exportiert

Auch eine Umfrage des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk (ifh), die im Herbst 2007 in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks durchgeführt wurde, zeigt, dass die neuen Beitrittsstaaten der EU für deutsche Handwerksbetriebe attraktiv sind. 7,2 Prozent der befragten Betriebe gaben an, ihre Güter oder Dienstleistungen im Ausland abzusetzen. Damit hat sich die Zahl der Exporteure gegenüber der Handwerkszählung von 1995 fast verdreifacht.

Bauunternehmer Nostitz übernahm in Breslau Teile der Betonarbeiten für ein Spaßbad. Zwar sei der Organisations- und Verwaltungsaufwand des unternehmerischen Engagements vor Ort gewaltig und werde immer komplizierter, je weiter man nach Osten reist. Offensichtlich aber überwiegen dennoch die Vorteile des Engagements. Sonst hätte sich der sächsische Unternehmer nicht dazu entschlossen, jetzt noch weiter östlich einen Auftrag anzunehmen: In der lettischen Hauptstadt Riga baut er gerade zusammen mit anderen deutschen Firmen 111 Eigenheime.

Obwohl Michael Hecker aus Malgersdorf bei Passau auf den gleichen Baustellen wie der Bautzener Unternehmer Nostitz arbeitet, beschritt er andere Wege. Der auf Fassadenbau spezialisierte Schreinermeister beschäftigt zu Hause nur zwei Mitarbeiter. Nachdem auch er im Anschluss an eine Ausschreibung den Zuschlag zum Bau der Fassaden des Breslauer Spaßbades bekam, setzte er die „Geheimwaffe“ seiner Firma ein: das Spezialisten-Netzwerk. „Flexibilität ist die Stärke der Schwachen“, lautet das Credo des Unternehmers. Er arbeitet deshalb mit vielen kleinen Fassadenbau-Spezialisten im Passauer Raum zusammen und nutzt die Möglichkeit des gemeinsamen Materialeinkaufs, um günstigere Preise zu erzielen.

Bis zu sechs polnische Mitarbeiter beschäftigte Hecker auf seiner Breslauer Baustelle. „Das sind alles Angelernte, keine Facharbeiter“, schränkt er ein. Seine Präsenz auf der Baustelle war deshalb fast immer notwendig. Der persönliche Aufwand, immerhin fuhr der Unternehmer 700 Kilometer von Passau nach Breslau, lohnte sich dennoch, rechnet Hecker vor: Die Arbeitsstunde mit einem polnischen Mitarbeiter beträgt nur ein Viertel des Lohns für einen deutschen Mitarbeiter, für den neben höheren Stundenlöhnen ja auch Auslöse, Fahrzeiten und Übernachtungen als Kostenfaktoren anfallen würden. Dazu kommt, sagt er, dass viele Baumaterialien in Deutschland billiger seien als in Polen.

Reinhard Myritz

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de