Immer locker bleiben

Büroeinrichtung | Fehler bei der Gestaltung von Büro-Arbeitsplätzen für Chef und Mitarbeiter können sich schnell schmerzhaft bemerkbar machen – im Rücken und im Portemonnaie.

Immer locker bleiben

E „Ein längerer Ausfall wegen massiver Rückenprobleme kann schnell die Existenz des eigenen Unternehmens bedrohen“, weiß Thomas Bethmann. Der Freiburger Tischlermeister spricht aus Erfahrung, denn nach seinem schweren Bandscheibenvorfall konnte er monatelang kaum arbeiten. „Ich habe deshalb überlegt, wie sich das rückengerechte Arbeiten in meinen Alltag integrieren lässt“, so Bethmann. Er holte den Rat verschiedener Experten ein und richtete sein Büro neu ein. Heute ist alles so optimiert, dass er kaum Beschwerden hat.

Experten sind sich einig: Wer regelmäßig viele Stunden lang an einem ergonomisch schlecht gestalteten Büroarbeitsplatz sitzt, bekommt auf Dauer Probleme wie Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich, starke Rückenschmerzen, Bandscheibenvorwölbungen und im Extremfall einen Bandscheibenvorfall. Hand-Arm-Beschwerden bis hin zur Sehnenscheidenentzündung sind typische Folgen einer falsch positionierten Maus und Tastatur. „Nicht nur harte körperliche Arbeit ist problematisch, sondern auch die Tätigkeit im Büro, denn der Bewegungsmangel vor dem Bildschirm ist auf Dauer genauso schädlich wie ständiges schweres Heben“, erklärt Arbeitswissenschaftler Armin Windel, Leiter der Fachgruppe Ergonomie an der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund.

Ständige Fehlhaltung

Wer zwei Stunden falsch sitzt, bekommt natürlich nicht gleich einen Bandscheibenvorfall, doch ständige Fehlhaltungen erhöhen das Erkrankungsrisiko beträchtlich. Allerdings ist es schwierig, den Einfluss des Arbeitsplatzes auf das individuelle Risiko genau zu bestimmen, denn dabei spielen viele Einzelfaktoren eine Rolle wie die eigene Konstitution, ob man Ausgleichssport treibt, auf der richtigen Matratze schläft und vieles mehr. Letztlich sind bleibende Schäden die Folge viele kleiner und großer Fehlbelastungen. „Vor allem jüngere Mitarbeiter glauben oft, dass ihnen Fehlhaltungen nichts ausmachen“, weiß Sicherheitsingenieur Reelf Gerdes in Varel aus der Praxis. „Doch im Alter kommen dann die Probleme.“

Vorbeugen ist also besser als heilen. Und dabei hilft ein rückengerecht gestaltetes Büro. „Auch bei Handwerkern ist das Büro ein echter, vollwertiger Arbeitsplatz und nicht nur ein notwendiges Übel“, sagt er. Bei der ergonomischen Ausgestaltung des Büros geht es nicht nur um die einzelnen Möbel, das gesamte Büro ist ein System, das individuell auf den Benutzer und die anfallenden Aufgaben zugeschnitten werden muss. Dabei helfen Experten wie Mediziner oder Ergonomieberater. Auch die Betriebsgenossenschaften bieten entsprechende Gratis-Schulungen an.

Arbeitsabläufe analysieren

Voraussetzung für ein optimal eingerichtetes Büro ist eine Analyse der Arbeitsaufgaben und -abläufe. Wer regelmäßig große Pläne ausbreiten muss, braucht beispielsweise einen größeren Schreibtisch als jemand, der den größten Teil der Arbeit papierlos direkt am Rechner erledigt. Die einzelnen Komponenten des Arbeitsplatzes müssen sinnvoll aufeinander abgestimmt sein.

Natürlich kosten ergonomisch angepasste Büromöbel Geld. Allein für einen guten Bürostuhl sollte man rund 500 Euro kalkulieren. Angesichts der Discount-Preise von Büromärkten und Möbelhäusern klingt das viel. Doch wenn man aufgrund von Rückenproblemen wochenlang ausfällt, wird es viel teurer.

Die Möbelstücke müssen individuell auf ihren Benutzer eingestellt werden. „Oft fehlt es nicht an den richtigen Möbeln, sondern das Vorhandene wird nicht richtig an den Benutzer angepasst“, so Armin Windel.

Das beste Büro nützt jedoch wenig, wenn man stundenlang verkrampft auf den Monitor starrt. Regelmäßige kurze Pausen und mehr Bewegung bei der Büroarbeit sind deshalb weitere wichtige Ansatzpunkte, um gesundheitlichen Schäden vorzubeugen. Als grobe Faustregel rät Arbeitswissenschaftler Windel: 50 Prozent Sitzen, 25 Prozent Stehen und 25 Prozent Bewegen.

Tischlermeister Bethmann hat nicht nur das Büro, sondern das gesamte Unternehmen nach ergonomischen Gesichtspunkten umgestaltet. Für ihn hat sich die intensive Beschäftigung mit dem Thema Ergonomie gelohnt: Inzwischen profitiert der gesamte Betrieb von den Erfahrungen und dem Fachwissen Bethmanns. Auch berät er seine Kunden zu ergonomischen Fragen und fertigt individuell angepasste Büromöbel, Küchen und andere Einrichtungsgegenstände. Die Kompetenz seiner „Freien Holzwerkstatt“ (www.freie-holzwerkstatt.de) hat sich weit über Freiburg hinaus herumgesprochen. Ein Wettbewerbsvorteil, der dem Unternehmen ein Umsatzplus von zehn Prozent eingebracht hat.

Silke Becker

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de