Interview Martin Hägele, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) „Im Handwerk gibt es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für Robotik“

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Martin Hägele, Leiter der Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), entwickelt Robotik-Systeme für kleine und mittelständische Unternehmen. Für den Einsatz von Robotern im Handwerk sieht er großes Potenzial.

Matthias Hägele
Robotiklösungen werden sich laut Matthias Hägele vom Fraunhofer IPA dort durchsetzen, wo der Fertigungsprozess mit geringem Aufwand automatisierbar ist und produktive Einsatzzeiten des Roboters hoch sind. - © Fraunhofer IPA
Herr Hägele, welche Robotik- und Assistenz-Technologien könnten sich Ihrer Einschätzung nach im Handwerk durchsetzen?

Robotiklösungen werden sich dort durchsetzen, wo zum einen der Fertigungsprozess mit geringem Aufwand automatisierbar ist und produktive Einsatzzeiten des Roboters hoch sind.

Für den Einsatz von Robotik spricht auch,

  • wenn ein Prozess körperlich beanspruchend ist.
  • wenn der Prozess hohe Anforderungen an eine gleichbleibende Qualität stellt.
  • wenn es eine monotone Tätigkeit ist, bei der ein Facharbeiter kein Expertenwissen einbringen muss und stattdessen höherwertige Tätigkeiten ausführen sollte. Wir entwickeln zum Beispiel Robotik-Lösungen für die Montage oder für Schweißprozesse, die den Anforderungen kleiner Betriebe gerecht werden.
Wie weit sind Robotik-Lösungen Ihrer Einschätzung nach noch vom Praxiseinsatz auf Baustellen und in Werkstätten entfernt?

Trotz offensichtlichem Einsatzpotenzial konnten sich Roboter im Bauhandwerk bislang kaum durchsetzen. Baustellen sind deshalb herausfordernd, weil sich die Einsatzumgebung kontinuierlich ändert und meist höhere Bauteiltoleranzen als in Industrieumgebungen vorkommen.

In Werkstätten sieht das schon anders aus. Hier sind moderne Industrieroboter interessant: Sie lassen sich ohne aufwendige Anpassungen in Arbeitsplätze integrieren, nutzen digitale Informationen von CAD-Systemen und sind einfach zu instruieren. Auch die Mensch-Roboter-Kooperation, bei der der Roboter nicht wie üblich in Käfigen agieren, sondern im Team mit Mitarbeitern, ist für Handwerksbetriebe wie Schlossereien oder im Holzbau interessant. Interessante Pilotanwendungen zum Robotereinsatz im Handwerk wurden bereits im Rahmen des Forschungsprojekts SMErobotics realisiert.

Welches Wissen und welche Fertigkeiten brauchen Handwerker, um Roboter einzusetzen?

Es gibt Software speziell für Unternehmen, die noch keine Experten in der Programmierung von Robotern haben. Mithilfe einer grafischen Bedienoberfläche kann der Anwender aus fertigen Bausteinen wie zum Beispiel „Greifer öffnen“, „Position anfahren“ ein individuelles Roboterprogramm zusammenstellen. Dazu braucht man weder Expertenwissen noch Programmierfertigkeiten. Einzig der Umgang mit Tablet-PC oder Smartphone sind gefordert, den nahezu alle bereits aus dem privaten Alltag kennen.

Wo bekommen Handwerker Unterstützung für Robotik-Projekte?

Es gibt zurzeit zahlreiche Förderprogramme auf Landes- oder Bundesebene, die speziell den Mittelstand und kleine fertigende Betriebe im Blick haben. Wenn ein Unternehmen keine Expertise in Automatisierung mit Robotern hat, gibt es Einrichtungen, die dabei unterstützen. Hier möchte ich nur beispielhaft auf zwei Projekte hinweisen: „Roboshield“ berät Unternehmen bei allen Fragen zur Sicherheit und zur IT-Security. Und am „Zentrum für Cyber Cognitive Intelligence“ des Fraunhofer IPA können sich Unternehmen zum Thema Maschinelles Lernen und dessen Anwendungsmöglichkeiten informieren.