Interview »Im B2B-Bereich bauen wir alle Vertriebskanäle aus«

Wo kaufen Handwerker in Zukunft Material und Werkzeug ein? hagebau-Manager Hartmut Goldboom ist überzeugt: nicht nur online, aber immer häufiger.

Hartmut Goldboom, Geschäftsführer Fachhandel der hagebau-Handelsgesellschaft für Baustoffe in Soltau: »Die hagebau-Gesellschafter vermitteln auch Aufträge an Handwerker, das wird sehr gut angenommen.« - © Axel Griesch

Redaktionsbesuch bei handwerk magazin in München-Planegg. Hartmut Goldboom, Geschäftsführer hagebau Fachhandel, kommt mit seinem Presseprecher Ralph Esper. Nach dem Interview ist noch ein Fototermin mit Fotograf Axel Griesch fällig. Griesch möchte gerne ein Baustellenmotiv. Kein Problem für Goldboom, auf dem Terrain kennt er sich bestens aus.

Es galt ja lange der Spruch, im Baumarkt kaufen Heimwerker, Handwerker im Fachhandel. Stimmt das noch?

Hartmut Goldboom: Die Grenzen sind inzwischen fließend. Das liegt auch am Internet. Wir dürfen nicht mehr in diesen Kategorien denken, sondern in Märkten. Wir haben in Deutschland 41 Millionen Wohneinheiten, von denen 75 Prozent älter als 20 Jahre sind. Ein gigantischer Modernisierungsmarkt, der aber schwer einzuschätzen ist, weil niemand genau weiß, wann wer renoviert.

Und auch wer selbst renoviert oder einen Fachbetrieb beauftragt.

Mein Eindruck ist, der Heimwerkerbereich nimmt ab. Zum einem wollen die Leute Qualität und haben meist das Geld dafür. Der andere Aspekt ist die Demografie. Deutschland wird älter, immer mehr Leute haben keine Lust und sind nicht in der Lage, etwas selbst zu machen. Insgesamt geht die Tendenz eher zum do-it-for-me als zum do-it-your

Eine gute Nachricht für das Handwerk!

Ja, aber die etablierten Betriebe bekommen zunehmend Konkurrenz. Durch die Novellierung der Handwerksordnung und den Wegfall von Meisterpflichten in einigen Berufen hat sich eine Gruppe von Handwerkern entwickelt, die wir mobile Generalisten nennen. Die sind im Schwerpunkt in der Sanierung unterwegs. Das ist eine hoch lukrative Zielgruppe für uns, und die kauft eher im Fachhandel als im Baumarkt. Die mobilen Generalisten kaufen pro Jahr für 14 Milliarden Euro Material.

Wie ist die Entwicklung im Baustoffhandel? Ist der Webshop die Zukunft des Fachhandels – und braucht man überhaupt noch einen Fachmarkt mit Lagerfläche und Ausstellungsraum?

Das wäre ein echter disruptiver Ansatz. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Für die Zukunft ist sicher, dass der Bestellprozess noch mehr digitalisiert wird. Und wer die Daten hat, führt das Geschäft. Ich kann mir auch vorstellen, dass in bestimmten Bereichen Ausstellungsflächen digital abgebildet werden. Aber es gibt immer Produkte, wo die Haptik wichtig ist, da will der Kunde vor der Kaufentscheidung die Ware sehen. Auch wegen der Logistik wird der Fachhandel weiterhin seine Berechtigung haben. Die Handwerker wollen alles aus einer Hand und nicht für den Dachausbau, Fenster, Ziegel und Trockenbauplatten extra bestellen, die dann auch noch getrennt kommen. Aber: Wer sich im Fachhandel nicht mit der Digitalisierung auseinandersetzt, wird aussortiert.

Haben Sie einen Webshop?

Wir haben einen zentralen Webshop entwickelt, jeder unserer Gesellschafter kann dieses Paket bei sich implementieren. Er tritt aber auch im Webshop als regionaler Anbieter auf. Wir sehen das als Vorteil, denn der Handwerker kennt seinen regionalen Anbieter und ist nicht anonym im Internet unterwegs. Im Webshop ist Service so: Der Handwerker bestellt online, am nächsten Tag wird das Material direkt auf die Baustelle geliefert.

Auch Hersteller vermarkten ihre Produkte zunehmend selbst über Online-Vertriebskanäle. Fürchten Sie Konkurrenz?

Es ist kein Problem, Produkte ins Netz zu stellen und zum Verkauf anzubieten. Aber wirtschaftlich ist das für den Hersteller doch der Supergau, weil er immer nur ein Produkt durch die Gegend fährt. Der Fachhandel hat den Vorteil, dass er im großen Stil bestellt und dann die Ware kommissioniert. Der Verkauf von Einzelprodukten durch die Industrie ist problematisch, weil der Kunde keine Lösung erhält, sondern nur ein einzelnes Produkt.

Wie ist bei hagebau die Zusammenarbeit zwischen Fachhandel und Handwerk? Werden zum Beispiel Aufträge vermittelt?

Wir vermitteln Aufträge, und das wird zu 100 Prozent angenommen. Geschulte Modernisierungsberater des Fachhandels kommen zum Kunden und schauen sich genau die Gegebenheiten an. Sie kennen die Handwerksbetriebe und empfehlen den passenden dem Kunden. Der Handwerker macht ein Angebot und stellt die Rechnung, das Material geht über den Fachhandel. Der Berater des Fachhandels ist idealerweise die emotionale Klammer zwischen Handwerker und Kunde.

Kann ich mich als Handwerker für diese Art der Vermittlung bewerben?

Es gibt unterschiedliche Modelle. Manche setzen voraus, dass der Handwerker gewisse Schulungen gemacht hat. Andere sagen, ich kenne meine Handwerker so gut und suche den richtigen aus. Es gibt auch die Variante, dass alles über den Fachhandel läuft und der Handwerker vom Handel beauftragt wird.

Wer ist bei Sanierungen der erste Ansprechpartner für Kunden, der Handwerker oder der Fachhandel?

Der Fachhandel mit seiner Ausstellung und seiner Beratungskompetenz ist meiner Meinung nach der erste Ansprechpartner für den Kunden. Aber wir müssen in die geistigen Laufwege der Sanierungswilligen. Wir müssen Sanierung leicht machen. Wichtig ist, der Kunde soll nicht die Sorge haben, sich mit dem Sanierungsthema zu beschäftigen. Viele gehen da auf Distanz, denken es macht Dreck, man hat tagelang Handwerker im Haus. Da müssen Handel und Handwerk die passende Lösung anbieten.

Können Privatkunden auch im hagebau-Fachmarkt kaufen?

Ja, aber natürlich zahlt der Profi, der im Jahr 100 Badewannen kauft, einen anderen Preis als der Kunde, der eine kauft.

Baumarkt und Fachhandel

Die hagebau-Gruppe hat insgesamt 1.760 Standorte in ganz Europa. Der zentralfakturierte Nettoumsatz des Unternehmens liegt bei 6,1 Milliarden Euro.

hagebau ist eine Kooperation, die von über 360 rechtlich selbstständigen mittelständischen Unternehmen im Fach- und Einzelhandel getragen wird. Bekannt ist hagebau vor allem durch seine Baumärkte. Diese sind in einem Franchisesystem organisiert. Zur hagebau-Gruppe gehören aber auch Fachmärkte. Die sind in einem freien System organisiert und nutzen die Dienstleistungen wie Marketingmaßnahmen oder spezielle Sortimente der hagebau. Der Fachhandel bedient die Bereiche Baustoffe, Fliesen/Natursteine und Holz in erster Linie im B2B-Bereich. Ob der regionale Fachhandel unter der Marke hagebau auftritt oder seinen eigenen Firmennamen in den Vordergrund stellt, ist den Eigentümern überlassen.