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Verkehrsunfall | Schon kleine Schäden bereiten oft großen Ärger vor allem mit der gegnerischen Versicherung. Setzen Sie mithilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts Ihre Rechte durch.

Setzt sich für den maximalen Schadenersatz ihrer Mandanten ein: Gabriele Lindhofer, Fachanwältin für Versicherungsrecht in München. - © Gabriele Lindhofer

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3,5 Millionen Unfälle gibt es jährlich im Straßenverkehr. 90 Prozent der Unfallopfer verhandeln anschließend direkt mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung und bekommen meist weniger Geld als Geschädigte, die gleich einen Anwalt eingeschaltet haben. Ein neues Portal im Internet wirbt nicht ganz uneigennützig für den direkten Kontakt zu Verkehrsrechtsexperten.

Die Taktik der Versicherungen ist jedesmal gleich: Sie schreiben den geschädigten, oft noch vom Unfall geschockten Autofahrer an, locken mit einer „zügigen Abwicklung“ und der Reparatur in einer empfohlenen Werkstatt. An einen Anwalt denken auch manche Unternehmer in dem Moment nicht zu sehr besteht die Furcht vor hohen Honoraren und Gerichtskosten. Dabei muss diese bei Alleinschuld voll der Gegner tragen.

„Genau mit diesem Kalkül arbeitet die Assekuranz“, so Gabriele Lindhofer, Fachanwältin für Versicherungsrecht in München. Die Versicherung versuche die Ansprüche des Unfallopfers möglichst zu drücken. „Begleitet wird das durch eine ausdauernde Hinhaltetaktik“, seufzt die Expertin. Ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht. Denn nachdem der Unfall gemeldet ist, muss die Leistung zügig berechnet und ausgezahlt werden. Geschieht dies nicht innerhalb eines Monats, muss die Gesellschaft gesetzlich einen Abschlag auf die voraussichtliche Summe überweisen. Je nachdem, wie eindeutig der Unfall nachzuvollziehen ist, sind 50 bis 80 Prozent drin.

Bei Geschädigten ohne Anwalt jedoch sitzt die Versicherung schon wegen der Akteneinsicht am längeren Hebel: Für jeden Unfall, zu dem die Polizei gerufen wurde, wird eine Akte angelegt. Adressen der Unfallbeteiligten und Zeugen, Skizze vom Unfallort, Fotos, Angaben zu Verletzten und grobe Schätzung des Sachschadens sind wichtige Punkte da-rin. Auf dieser Grundlage wird ermittelt, wessen Versicherung den Schaden zu regulieren hat. Doch dieses Recht zur Akteneinsicht hat nach der Strafprozess-ordnung nur ein Rechtsanwalt.

Versicherung schindet Zeit

Vor diesem Hintergrund behaupten die Versicherungen oft, dass sie mehr Zeit brauchen. Da ist etwa noch die Polizeiakte zum Unfall schon seit Wochen beim Rechtsanwalt des Unfallverursachers. Oder sie liegt noch bei der Staatsanwaltschaft. In beiden Fällen, denkt sich dabei der juristische Laie achselzuckend, könne man nichts machen.

„Kann man doch“, erwidert Expertin Lindhofer. Ein Anruf beim Anwaltskollegen, der angeblich über der Akte brütet, oder beim Staatsanwalt, ergibt oft, dass dieser das Material längst gesichtet und weitergegeben hat. Wer diese Ausflüchte als Anwalt kennt, halbiert in einfachen Fällen die gesetzliche Frist auf 14 Tage. Das bringt die Versicherung meist auf Trab. Konkret heißt das: Klage ankündigen, wenn kein Geld fließt. Hierauf reagieren die meisten Versicherer umgehend.

Die einzelnen Posten des Schadenersatzes (Tipps Seite 68 unten) versucht die Versicherung möglichst gering anzusetzen. Rechtliches Argument im Hintergrund: Ein Geschädigter muss dazu beitragen, dass der Schaden nicht unnötig groß ausfällt. Bei der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs etwa preisen manche Versicherungen markenfreie Werkstätten an, mit denen sie kooperieren. Beim Mietwagen wird eine sehr einfache Klasse empfohlen. Bei der alternativen Nutzungsentschädigung (Seite 68 unten) versucht die Assekuranz den Tagessatz zu drücken. Das alles müssen sich Unternehmer nicht gefallen lassen. Sie können ihren beschädigten Wagen in die Vertragswerkstatt bringen und müssen nicht den billigsten Mietwagen nehmen, bis ihr Fahrzeug repariert ist.

Auch beim Schmerzensgeld lohnt es sich, nicht sofort das Angebot der Versicherung des Unfallgegners anzunehmen, wenn sie überhaupt eins unterbreitet. Dieser Teil des Schadenersatzes ist in Deutschland im Vergleich zu den USA ein trübes Kapitel. Werden dort schon für kleine Verletzungen horrende Beträge bezahlt, müssen sich die Unfallopfer hierzulande vergleichsweise mit Almosen zufriedengeben. Ein paar Beispiele aus der Tabelle des Oberlandesgerichts Celle: 1500 Euro nach linksseitiger Prellung des Brustkorbs, der Schulter und Halswirbelsäulensyndrom mit Spätschäden oder langer Heilungsdauer; 3800 Euro nach Trümmerbruch der Speiche des linken Armes und Fixierung durch eine operativ eingelegte Platte; 8000 Euro nach dem Bruch beider Oberschenkel, Prellung des Brustkorbes, Lungenquetschung, Lebereinriss, Schmerzen in beiden Knie- und Hüftgelenken. Von diesen geringen Beträgen sollten sich verletzte Autofahrer jedoch nicht entmutigen lassen. Mit einem ärztlichen Attest, bei schweren Verletzungen mit einem Gutachten, fordern sie ein höheres Schmerzensgeld, als es ihnen nach der genannten Tabelle oder der des ADAC zustehen würde. Das gibt etwas Verhandlungsspielraum mit der Versicherung.

Noch mehr müssen Unfallopfer bei langfristigen Kosten wie einer lebenslangen Rente, Unterhaltszahlungen in der Familie oder Beschäftigung einer Haushaltshilfe ringen. Hier steht oft erst nach langjährigem Rechtsstreit fest, wie viel Geld die gegnerische Versicherung insgesamt zahlen muss. Aber auch hier ist die Assekuranz in der Zwischenzeit zu größeren Abschlagszahlungen verpflichtet. Wenn sie dennoch kein Geld überweist, hilft es meistens, eine Klage beim Gericht anzudrohen.

Online-Hilfe nutzen

Damit niemand auf sein Recht verzichten muss, hat die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein ein eigenes Portal für den Schadenersatz nach Verkehrsunfällen eingerichtet (Praxistipps Seite 68). 3000 Rechtsanwälte sind dort registriert.

Unfallopfern wird dort schnelle und unkomplizierte Hilfe versprochen. Zudem findet der Anwender auf diesem Weg einen auf das Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt in der Nähe.

Das mögliche Argument der Gegenseite, Unternehmer könnten sich in einfachen Dingen selbst vertreten, muss sich niemand gefallen lassen. Durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe verstoße beispielsweise ein Taxiunternehmer nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, urteilte das Amtsgericht Saarburg (5 C 364/02). In dem Fall war ein Auto auf das Taxi des Klägers geprallt. Dieser schaltete einen Anwalt ein. Die gegnerische Versicherung zahlte zwar alle Schäden, verweigerte aber die Begleichung der Anwaltsrechnung mit dem Argument, der Fall sei „sehr einfach gelagert“. Dem widersprach das Gericht. Von einer „Waffengleichheit“ beider Parteien sei nicht auszugehen. Auch deshalb empfiehlt es sich für Handwerksbetriebe, nach einem Verkehrsunfall sofort einen Rechtsanwalt einzuschalten.

Für den Fall, dass der Unternehmer oder einer seiner Mitarbeiter am Unfall mitschuldig sind, sollte die Firma eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Nach einem Unfall mit Bußgeld- oder Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung deckt sie auch die anwaltlichen Kosten zur Abwehr und für die Verteidigung ab (mehr dazu im Onlineangebot von handwerk magazin).

Ob unschuldig, teilschuldig oder allein verantwortlich für einen Verkehrsunfall, niemand sollte sich auf direkte Verhandlungen mit dem Unfallgegner oder dessen Versicherung einlassen. Zu groß ist das Risiko, unwissentlich auf Ansprüche zu verzichten oder bei eigener Schuld dem Unfallgegner zu viel Schadenersatz zu zahlen. Mit anwaltlicher Hilfe kann dieses Risiko minimiert werden.

harald.klein@handwerk-magazin.de