Gewerbeversicherung Höhere Umsätze mit Handwerker-Netzwerken

Nach Autounfällen oder Gebäudeschäden wollen Kfz-Besitzer und Hauseigentümer eine schnelle Hilfe. Da ist das Service-Handwerker-Netzwerk der Versicherer gerne gesehen. Für Handwerker kann sich die Kooperation mit den Gesellschaften lohnen. Denn die Schadensteuerung der Versicherer wird künftig weiter zulegen.

  • Bild 1 von 2
    © Fabian Zapatka
    Heiko Ludwig, Geschäftsführer der MLT König Bau- und Immobiliengesellschaft mbH in Berlin, beschäftigt 28 Mitarbeiter.
  • Bild 2 von 2
    © Markus J. Feger
    Gerhard Strakeljahn, Geschäftsführer der Brillant GmbH in Köln, beschäftigt in Nordrhein-Westfalen 170 Mitarbeiter an fünf Standorten: »Wer sich den Anforderungen der Partner stellt und diese auch umsetzt, fährt sehr gut mit dieser Kooperation.«

Gerhard Strakeljahn spricht aus Erfahrung: „Ich bin jetzt 30 Jahre selbstständig und arbeite seit 20 Jahren in der Schadenssteuerung. Mit unseren Partnern aus der Versicherungs- und Leasing-Branche haben wir uns erfolgreich weiterentwickelt. Wer sich den Anforderungen der Unternehmen stellt und diese auch umsetzt, fährt sehr gut damit“, erklärt der Geschäftsführer der Brillant GmbH aus Köln. Heute arbeitet Strakeljahn an fünf Standorten im Rheinland und beschäftigt 170 Mitarbeiter.

Die Schadensteuerung der Versicherer von Fahrzeugen in kooperierende Werkstätten boomt. Denn das Modell der „Werkstattbindung“ ist für die Versicherungsbranche erfolgreich. Alle großen Marktteilnehmer wie HUK-Coburg, Allianz, R+V oder die Regionalversicherer machen mit. Die Kunden werden mit einem Nachlass auf die Versicherungsprämie von meist 20 Prozent gelockt. „In der Kaskoversicherung entscheidet sich über die Hälfte der Neukunden für den Tarif mit Werkstattbindung. Mittlerweile haben wir rund vier Millionen Verträge im Bestand“, so HUK-Coburg-Chef Wolfgang Weiler Anfang April 2017.

Schadensvolumen steigt deutlich

Rein rechnerisch haben die zwölf großen Kfz-Versicherer über 11.000 Partnerwerkstätten. Doch in der Praxis gibt es durchaus Überschneidungen, weil Werkstätten für mehrere Assekuranzen tätig sind. Davon geht auch die Innovation Group, ein großer Koopera- tionspartner der Versicherer, aus. Das bearbeitete Schadensvolumen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Nach eigenen Angaben wurden im Auftrag von 60 Versicherern 2016 in Deutschland rund 200.000 Schäden repariert. Rund 9.000 mehr als im Vorjahr.

Die Kfz-Versicherer dringen zudem immer stärker in den klassischen Reparaturbereich vor. So plant der Marktführer HUK-Coburg einen umfassenden Autoservice, der Wartung und Inspektionen für Autos umfasst. Dafür baut die fränkische Assekuranz in den nächsten drei bis vier Jahren ein Netz von 250 bis 300 Werkstätten auf.

Garantierte Auslastung

Auch für die Kfz-Betriebe lohnt sich das Modell der Werkstattbindung: Sie hilft den Werkstätten in schwierigen Zeiten zu einer besseren Auslastung. Dafür muss sich die Werkstatt aber den Vorgaben des Versicherers unterwerfen: Sehr professionelle Arbeit für oft weniger Geld. „Es wird nach Herstellervorgaben repariert mit original Ersatzteilen und gut geschulten Mitarbeitern“, bestätigt Kfz-Meister Strakeljahn. Der Hol- und Bring-Dienst, Abschlepp-Service und die Ersatzwagenbereitstellung sorgten für guten Service und die gewünschte Mobilität des Kunden.

Hoher Aufwand, der sich für die Werkstätten auch lohnen muss. Die HUK-Coburg bestätigt, dass sie die Verrechnungssätze für Werkstätten im Frühjahr 2017 nach oben anpasste. „Innerhalb eines bestimmten Rahmens verhandeln wir individuell mit den Werkstätten und berücksichtigen so lokale Gegebenheiten“, erläutert HUK-Coburg-Mitarbeiter Thomas von Mallinckrodt. Angesichts des Volumens, das der Versicherer in die Werkstätten steuere, seien die Konditionen „immer noch attraktiv“, meint von Mallinckrodt. Ob das stimmt, müssen Kfz-Meister im Dialog mit den Versicherern individuell verhandeln.

Allgemein gilt, dass Werkstätten, die ins Geschäft mit den Versicherungen einsteigen, sich auch Qualitätskontrollen unterwerfen müssen. So macht etwa die LVM aus Münster Stichproben bei den Kunden vor Ort, und die Experten der HUK-Coburg besuchen die Partner-Werkstatt unangemeldet.

Handwerksbetriebe, die mit den Kfz-Versicherungen kooperieren, sollten zudem alle Fahrzeugmodelle bedienen können. „Wir müssen in immer kürzeren Zeitabständen neu investieren, damit die neue Generation von Fahrzeugen instand gesetzt werden kann“, erläutert Kfz-Meister Strakeljahn. Für kleinere Werkstätten ist das oft eine hohe Hürde.

Digitale Kompetenz gefragt

Handwerker-Netzwerke der Versicherer gibt es aber nicht nur in der Kfz-Branche, sondern auch im Immobilienbereich. Der etablierte Allianz-Handwerker-Service (AHS) umfasst aktuell 2.500 Meister-Betriebe aus der Bau- und Ausbau-Branche. Seit Gründung von AHS 1999 bearbeiteten die angeschlossenen Handwerksbetriebe bereits 500.000 Schadensfälle. Mit steigender Tendenz. Für 2016 schätzt der Versicherer die Zahl der bereits erledigten Immobilienschäden auf 65.000.

Zum Vergleich: Die Axa wickelt über ihr Handwerkernetz jährlich rund 30.000 Schäden ab, und selbst der Regionalversicherer Provinzial Rheinland konnte im vergangenen Jahr ein Plus von 20 Prozent verbuchen und 23.000 Schäden sanieren. Diesen positiven Trend bestätigt auch Heiko Ludwig, Geschäftsführer der MLT König Bau- und Immobiliengesellschaft mbH in Berlin mit 28 Mitarbeitern: „Die Auftragslage ist sehr gut. Insgesamt liegt unsere Zielvorstellung pro Monat bei einem Umsatz von 300.000 Euro. Davon entfallen im Schnitt etwa 80.000 Euro auf Aufträge über den Allianz-Handwerker-Service, etwas mehr als ein Viertel.“

Aufgrund der steigenden Nachfrage baut die Allianz ihr Handwerker-Netzwerk weiter aus. Wer auf die AHS-Seite klickt, findet unter der Rubrik „Netzwerkpartner gesucht“ einen Bewerbungsfragebogen, der fast 70 handwerkliche Spezialgebiete umfasst.

Eine Fähigkeit müssen aber alle Betriebe, die sich bei AHS bewerben, mitbringen: eine hohe digitale Kompetenz. Schon im Fragebogen möchte die Allianz-Tochter wissen, ob das Handwerksunternehmen die neuesten GAEB-Schnittstellen zur Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauleistungen beherrscht.

Denn schnelle, digitale Prozesse sind oberstes Gebot der Versicherungsgesellschaften, wenn es um Schadensanierung bei Wohngebäuden geht. „Den Bewerbungsprozess können viele Handwerker bestehen. Denn solide arbeiten viele meiner Kollegen. Anders sieht es bei der Geschwindigkeit aus. Wir haben mit dem Allianz-Handwerker-Service vereinbart, dass wir auf einen Auftrag innerhalb von 48 Stunden reagieren. Das geht nur, wenn die Prozesse optimal aufeinander abgestimmt sind und eine Reserve an Mitarbeitern zur Verfügung steht“, sagt Bauunternehmner Heiko Ludwig.

Preise sind straff kalkuliert

AHS arbeitet mit der Plattform „Handwerker Reparatur Dienst“ (HRD). Das webbasierte Tool ermöglicht, bundesweit Versicherungsschäden, Baumaßnahmen und Reparaturen an Immobilien transparent und effizient durchzuführen. Highlights sind zwei Apps zur Schadenabwicklung und Organisation der benötigten Handwerker-Leistungen. Mit der Tablet-App „ClaimsFix“ können AHS-Projektleiter vor Ort Schäden aufnehmen, die Kosten für Modernisierungen kalkulieren und die Arbeiten protokollieren.

Denn auch hier, wie bei den Kfz-Werkstätten, herrscht Kostendruck. „Die Preise sind straff kalkuliert. Der Grund ist, dass die Schadenregulierung direkt auf die Versicherungsprämien reflektiert. Da wollen die Versicherer nicht, dass zu viel gezahlt wird, um die Prämien stabil halten zu können“, erklärt Bauunternehmer Ludwig. Der Kunde wolle logischerweise eine schnelle und optimale Schadensbeseitigung. Für Handwerksbetriebe sei das oft ein anstrengendes Dreiecksverhältnis. „Wir haben mit den Versicherern Rahmenvereinbarungen mit festen Preiskonditionen getroffen“, erläutert Ludwig die Lösung für seinen Betrieb.

Logistik muss stimmen

Beim Kunden punkten die Versicherungen und ihre Netzwerke außerdem mit einer längeren Gewährleistung. So müssen Privatleute damit rechnen, dass ihr lokaler Handwerksbetrieb ihnen nur zwei Jahre Mangelbeseitigungsgarantie auf die Arbeiten gibt, während die Axa-Versicherung grundsätzlich sechs und die Allianz und die Provinzial Rheinland fünf Jahre bieten.

Die Kooperation mit den Versicherungsunternehmen kann sich für Handwerksbetriebe durchaus lohnen, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen und logistisch entsprechend aufgestellt sind. „Unter fünf Mitarbeiter geht es nicht. Wir haben 2003 mit sieben Mitarbeitern angefangen. Wenn Betriebe langfristig mit Versicherungen zusammenarbeiten wollen, müssen sie hohe Ansprüche erfüllen und sehr flexibel sein. Kleinere Betriebe sind hier schnell überfordert, beispielsweise von der Schadenanalyse“, fasst Ludwig zusammen.

Der Bauunternehmer unterstreicht aber auch die Vorteile für Handwerker, von denen auch sein Betrieb profitiert: „Der Allianz-Handwerker-Service ist für uns ein zuverlässiger Auftraggeber. Stürme, Brände und Leitungswasserschäden kommen immer wieder vor. Hier gibt es keine Saison.“

Zusatzleistungen: Versicherungen weiten Geschäft aus

Immer mehr Versicherungen bieten beim Vertragsabschluss besondere Zusatz- und Serviceleistungen an. Dabei greifen sie auf ein Netzwerk von externen Profis wie auch Handwerksbetrieben zurück. Wie das System funktioniert.

Assistance-Leistungen

Zusätzlich zur reinen Risikoabsicherung und einer reinen Kostenerstattung bei Wasserschäden, Brandschäden, Frostschäden oder Sturmschäden bieten Versicherungen häufig weitergehende Serviceleistungen (Assistance-Leistungen) an: wie Soforthilfen im Schadensfall bei Wasser- und Brandschäden.

Zielgruppe

Die Assistance-Leistungen werden oft von privaten Endverbrauchern nachgefragt. Deutsche Versicherungskunden legen immer mehr Wert auf Assistance-Leistungen im Bereich der Versicherungszweige Hausrat-, Kfz-, Reise-, Rechtschutz-, Kranken-, Lebens- und Unfallversicherung.

Dienstleister

Da Versicherer in vielen Fällen die Assistance-Leistungen oft nicht selbst erbringen können, werden externe Dienstleister eingeschaltet, die im konkreten Schadensfall eine Leistung für den Versicherten erbringen. Die Assistance-Leistungen werden daher häufig von Handwerkerdiensten, Reparaturwerkstätten oder Facility Managern erbracht.

Schadensmanagement

Im Schadensfall kann der Endverbraucher mit einem Anruf bei einer Servicehotline bereits die ersten Maßnahmen einleiten. Das Assistance-Versicherungsunternehmen wird nach der Meldung umgehend einen handwerklichen Spezialisten sowie alle anderen benötigten Handwerker aus dem hauseigenen Handwerkernetzwerk zum Schadensort entsenden. Im professionellen Schadensmanagement verkörpert diese Assistance-Leistung das absolute „Muss“.

Schadensteuerung der Kfz-Versicherer

Nach Angaben der zwölf großen Kfz-Versicherungen arbeiten sie mit über 11.000 Partnerwerkstätten. Doch in der Praxis gibt es Überschneidungen, weil die Betriebe oft für mehrere Gesellschaften tätig sind.

VersicherungZahl der Kfz-Partner-Werkstätten
DEVK4.000
Ergo2.700
LVM1.450
HUK-Coburg - auch für VHV, Gothaer, Generali, Concordia, Debeka1.400
R + V1.200
Allianz1.000
AXA700