Handwerksorganisation: „Holt endlich den Nachwuchs“

Kreishandwerksmeister Jens Beland fordert eine aktivere Rolle der Innungen, wenn sie überleben wollen. Für junge ­Betriebsinhaber müssen sie mit klaren Mehrwerten attraktiver werden.

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    Jens Beland, Maler- und Lackierermeister mit eigenem Betrieb im fränkischen Großheirath, Betriebswirt (BdH) und Restaurator i.H., ist mit 40 Jahren der jüngste Kreishandwerksmeister Deutschlands. Davor war er lange Jahre der Landesvorsitzende der Junioren des Handwerks in Bayern. beland-gmbh.de
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    „Eine gewerkspezifische Beratung könnte eine bessere Qualität liefern. Das wäre eine Aufgabe der Innungen.“ Jens Beland (links) mit Alexander Dietz, ­bayerischer Landesgeschäftsführer Junioren des Handwerks (rechts).

Jens Beland hält nicht hinterm Berg. Der Inhaber eines Maler-, Stuckateur- und Restaurationsbetriebes im oberfränkischen Großheirath sagt, was er denkt. Und denkt, was er sagt. Aber nicht nur das: Als Kreishandwerksmeister und ehemaliger Landesvorsitzender der bayerischen Junioren des Handwerks ist er sehr aktiv, für die Betriebe, für die Organisation. Das braucht das Handwerk auch.

Der Organisationsgrad der Betriebe in den Innungen ist sehr stark rückläufig? Gibt es Muster?

Jens Beland: Diese Tendenz zeichnet sich generell ab. Allerdings: Oft liegt es an den handelnden Personen. Innungen mit einem rührigen Obermeister haben weniger Probleme. Wo Obermeister ihren alten Stil fahren, sind meist die Mitgliederzahlen rückläufig.

Was verstehen Sie unter altem Stil?

Um ehrlich zu sein: Man kümmert sich zum Beispiel nicht um neue Mitglieder. Man wartet, bis sich Neugründer bei der Innung melden. Man macht die Dinge so, wie man sie immer schon gemacht hat. Der Zweck der Innungen ist die Vermittlung von Fachwissen, ein gewerkspezifisches Netzwerk zu pflegen, Beratung bei Rechtsfragen, Lobbyarbeit sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl. Es ist mittlerweile leider so, dass etwa die Hersteller ihre Schulungen selbst machen. Das fällt dann für die Innungen weg. Informationen zu Rechtsfragen holen sich die Betriebe aus dem Internet oder von den Kammern. Bleibt nur das Netzwerken. Aber das reicht oft nicht, damit die Betriebe der Innung beitreten.

Sie meinen, das sei ein selbst verschuldetes Problem der Innungen?

Der Fisch stinkt vom Kopf her. Viele Betriebe sind bereits seit mehreren Generationen in der Innung. Die werden auch in der Innung bleiben. Bei Neugründungen sieht das anders aus. Diese Betriebe fragen direkt nach dem Nutzen für sich.

Welchen Nutzen bieten denn die agilen Innungen oder Obermeister?

Die Müncher Maler-Innung ist ein gutes Beispiel: Sie ist so stark, dass sie einen eigenen Juristen beschäftigt, der die Mitglieder auch vor Gericht vertritt. Das kann die Handwerksammer zum Beispiel nicht tun.

Wie sieht gute Innungsarbeit für Sie künftig aus?

Gute Innungen engagieren sich stark bei der Wissensvermittlung. Sie bieten hochwertige Schulungen, die man sonst nicht bekommt oder nur für viel Geld. Sie lassen sich etwa als Innung von der Industrie einladen und schulen. So etwas bekommen einzelne Betriebe nicht. Man muss einen Mehrwert anbieten, den es sonst nicht gibt – und wenn, dann nur sehr teuer. Damit kann man dann auch Mitglieder gewinnen.

Wie wichtig sind gemeinsame Marketing-Aktivitäten für die Betriebe?

In diesem Bereich sind die Tischler sehr stark. Etwa mit Vermarktungsplattformen im Internet, mit Content-Marketing, Produktkonfiguratoren und Lead-Generierung. Oder auch mit Events wie etwa dem „Tag des Schreiners“ in Bayern. Allerdings: Ein einheitliches Erfolgsrezept, das für alle Innungen gilt, gibt es nicht.

Gibt es von Innungen und Kammern ähnliche Angebote und Services?

Das gibt es, gerade in der Rechtsberatung. Es ist allerdings nicht gut, wenn man sich hier in eine Konkurrenzsituation begibt. Weiteres Beispiel ist die Lehrlingsausbildung: Weil manche Innungen das nicht mehr schultern können, übernimmt die Kammer diese Dienstleistungen. Die überbetrieblichen Unterweisungen wurden früher von den Innungen durchgeführt, heute machen das oft die Kammern. Damit fallen für die Innungen allerdings Einnahmequellen weg.

Wie könnte aus Ihrer Sicht eine funktionierende Zusammenarbeit aussehen?

Das Problem ist: Die Innungen werden kleiner, das Kapital der Innungen schrumpft. Bei den überbetrieblichen Unterweisungen gibt es bei uns eine Zusammenarbeit zwischen Kammer und Innung: Die Innung leistet einen Sachbeitrag, die Innungsmitglieder bekommen einen Rabatt. Aus meiner Sicht ein sehr gelungenes Beispiel.

Sind solche Kooperationen schwer zu realisieren?

Bei uns funktioniert das optimal. In Norddeutschland sind sich Innungen beziehungsweise Kreishandwerkerschaften und Kammern allerdings mitunter spinnefeind. Ein weiteres Problem ist der Altersdurchschnitt: Ich bin Mitglied im Bayerischen Handwerkstag und ich hoffe, dass wir in 15 Jahren auch noch einen Bayerischen Handwerkstag haben und keinen Rentnerclub.

Ist das ein generelles Problem?

Ich bin in sehr vielen Gremien und mit 40 Jahren immer einer der mit Abstand Jüngsten – und praktisch immer der einzige um die vierzig. Der Rest ist 55 Jahre und älter. Ich möchte die Leistung der Kollegen und älteren Herren keinesfalls schmälern. Nur sehe ich keinen Nachwuchs kommen. Und ich sehe bei den Innungen und Kammern eine skeptische Einstellung gegenüber den Handwerksjunioren. Speziell die Junioren könnten der Organisation den eigenen Nachwuchs liefern.

Was müssen die Innungen jetzt tun?

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    Maler- und Lackierermeister mit eigenem Betrieb im fränkischen Großheirath, Betriebswirt (BdH) und Restaurator, ist mit 40 Jahren der jüngste Kreishandwerksmeister Deutschlands. Davor war er lange Jahre der Landesvorsitzende der Junioren des Handwerks in Bayern.beland-gmbh.de

Es wäre sicher richtig, in den Innungen die Marketing-Aktivitäten für die Betriebe zu verstärken. Man könnte auch über eine Beratung bei den Innungen nachdenken. Dadurch könnte eine gewerkspezifische Sicht angeboten und so die Qualität gesteigert werden. Da der jeweilige Berater als Spezialist dann die Probleme des Gewerks besser kennt. Allerdings befürchte ich, dass das die Innungen gar nicht leisten können, da ihnen dafür die Manpower fehlt. Im Augenblick sind die Innungen auf einer Spirale nach unten: weniger Mitglieder, weniger Mittel, weniger Ressourcen, rückläufige Attraktivität für Mitglieder. Man muss jetzt auf die jungen Leute aktiv zugehen und ihnen die Vorteile einer Mitgliedschaft in einer Innung deutlich machen. Und vor allem: Keine Angst vor den Junioren des Handwerks!