Handwerk will mehr Frauen für technische Berufe begeistern

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Frauen im Handwerk

Das Handwerk will mehr junge Frauen für die technischen Berufsprofile des MINT-Bereichs begeistern. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ist daher als Partner dem Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen beigetreten.

Lundt
Alicja Lundt und Thomas Lundt, Obermeister der Kfz-Innung Berlin. - © Lundt

„Wir brauchen noch mehr Frauen als gut ausgebildete Fachkräfte auch in den gewerblich-technischen Berufen. Von den Ausbildungsanfängern in den MINT-Berufen des Handwerks sind rund 8,5 Prozent junge Frauen. Diesen Anteil wollen wir deutlich steigern", erklärte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer.

Auf vielfältige Weise klären die Handwerksorganisationen Mädchen und junge Frauen in verschiedenen Lebensphasen bereits über die facettenreichen Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk auf. Dazu gehören Aktionstage, wie der bundesweite Girl's Day, aber auch die Teilzeitausbildung und Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie, sowie Kooperationen der Betriebe im Bereich der frühkindlichen Bildung.

Werbung für technische Handwerksberufe

Diese Angebote und Aktivitäten des Handwerks sollen junge Frauen künftig auch im Rahmen der Pakt-Partnerschaft mit der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten bundesweite Netzwerk-Initiative „Komm, mach MINT“ erreichen. Das Ausbildungsangebot ist breit gefächert, da 2014 über 20.000 Ausbildungsplätze im Handwerk unbesetzt blieben.

Das Handwerk bietet viele Qualifizierungs- und Karrieremöglichkeiten an. Ein wichtiger Schritt hin zu einer späteren Führungsposition im Handwerk ist der Meisterabschluss. Obwohl bereits jeder fünfte Meister im Handwerk eine Frau ist, sind Frauen mit Meisterqualifikation in den MINT-Handwerken eher selten.

Kfz-Meisterin erklärt Berufswahl und Ausbildungsweg

Alicja Lundt ließ sich davon nicht abschrecken. Die 27-jährige Kfz-Meisterin aus Berlin ist nach dem Abitur in den Betrieb ihres Vaters Thomas Lundt eingestiegen, der als Kfz-Meister und Geschäftsführer das 16-köpfige Werkstattteam der Lundtauto SportwagenService GmbH leitet. Der Betrieb hat sich auf die Pflege und Instandhaltung, Restauration und Modifikation, Lackierung und Inspektion exklusiver Fahrzeuge der Firma Porsche spezialisiert.

Alicja Lundt ist inzwischen im Kundendienst tätig. In einem Interview erklärt sie ihre Berufswahl.

Frau Lundt, warum haben Sie sich für das Kfz-Handwerk entschieden?

Schon als Kind habe ich sehr gern gewerkelt und repariert. Ich wollte einfach etwas Handwerkliches tun. In die Fußstapfen meines Vaters zu treten, fand ich ebenfalls eine tolle Idee. Zunächst machte ich jedoch erst einmal mein Abitur. Ich wollte studieren können, falls mir die Ausbildung gar nicht liegt.

Welchen Ausbildungsweg sind Sie dann gegangen?

Gleich nach dem Abitur habe ich Anfang September 2007 meine berufliche Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin bei einer Firma in Hamburg begonnen. Dafür bin ich mit Sack und Pack dort hingezogen. Leider war ich nicht zufrieden, sodass ich mich nach zwei Monaten entschloss, wieder nach Berlin zurückzukehren, um die Lehre im Betrieb meines Vaters fortzusetzen. Nach dem Abschluss arbeitete ich zunächst als Gesellin, um bereits nach drei Monaten mit der Meisterschule als Tageskurs anzufangen. Die Meisterprüfung habe ich im Mai 2012 bestanden. Innerhalb von 4,5 Jahren war ich also von einer Abiturientin zur KFZ-Meisterin herangewachsen.

Was hat Sie zur Meisterqualifikation bewogen?

Am Fahrzeug zu arbeiten macht mir zwar viel Spaß, viel lieber bin ich aber in der organisatorischen Welt unterwegs. Ich wollte in den direkten Kundenkontakt und wollte mit all dem Wissen, das ich mir bis heute angeeignet habe, meinen Kunden als qualifizierte Ansprechpartnerin zur Seite stehen. Dieser Weg war zwar lang und nicht immer einfach, hat sich aber gelohnt.

Können Sie uns einen kurzen Einblick in Ihren beruflichen Alltag geben?

Mein beruflicher Alltag ist genauso spannend wie abwechslungsreich. Jeden Tag gibt es was Neues zu erledigen, langweilig wird es bei uns nie. Ich kümmere mich in der Hauptsache um die Betreuung der Kunden, teile die Arbeiten ein, organisiere benötigte Ersatzteile und bin immer dabei, die Abläufe zu überwachen und zu schauen, ob alles nach Plan läuft. Auch Probefahrten gehören zu meinen Aufgaben.

Als Frau in einem „Männerberuf“ arbeiten – welche Herausforderungen gibt es da?

Als Frau in einer Männerdomäne zu arbeiten, ist nicht immer einfach. Man wird oft nicht wirklich ernst genommen. Daher ist es sehr wichtig, von seinem Wissen und Können überzeugt zu sein. Als Frau in so einem Beruf muss man mindestens genauso gut sein wie die männlichen Kollegen und darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen - auch wenn vielleicht einmal etwas nicht ganz nach Plan verläuft. 

Was sollten junge Frauen für Ihren Beruf mitbringen?

Junge Frauen mit Interesse für diesen Beruf sollten auf jeden Fall Durchhaltevermögen und ein "dickes Fell" mitbringen. Wenn das noch nicht vorhanden ist, wird es in der beruflichen Laufbahn zumindest sehr schnell aufgebaut. Frauen sollten den Männern zeigen können, das auch sie in der Lage sind, Fahrzeug instand zuhalten oder Fehlersuchen durchzuführen. Aber keine Angst, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Jeden Tag lernt man wieder etwas dazu.

Was raten Sie jungen Frauen in der Berufsorientierungsphase?

Die Berufsorientierungsphase ist sehr wichtig. Sie sollte daher gut überlegt sein - bestenfalls ist es eine Entscheidung, die man für den Rest des Lebens trifft. Ich persönlich rate den jungen Frauen, etwas zu tun, was ihnen Spaß macht. Und wenn es etwas ist, was als so genannter "Männerberuf" beschrieben wird, umso besser. Auch in diesen Berufen ist es kein Nachteil, eine Frau zu sein. Wenn sie dann eine Entscheidung getroffen haben, sollten sie zu 100 Prozent dahinter stehen. Und sich nicht abschrecken lassen: Trotz – oder vielleicht sogar wegen – der Herausforderungen ist die Ausbildung zu Gesellin und Meisterin dennoch eine tolle Erfahrung. Ich würde diesen Berufsweg immer wieder gehen.