Corona und Erbrecht Unternehmen übergeben: Bieten Sie Erbschleichern keine Chance

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Die Corona-Krise erhöht die Gefahr von Erbschleicherei. Wie Erblasser vorbauen und sich ausgebootete Erben zur Wehr setzen können. Ratsam sind vorausschauende Regelungen, um manipulative Einflüsse im Vorhinein zu unterbinden.

Erbschleicher
Betrüger gewinnen erst das Vertrauen der Person, dann machen sie sich unentbehrlich und schirmen den Erblasser von seinem sozialen Umfeld ab. - © Katarzyna Bialasiewicz photographee.eu-stock.adobe.com

Demenz oder vergleichbare Erkrankungen nehmen in Deutschland stark zu. Was daran liegt, dass die Bevölkerung stark altert. Oft können Ältere ihren Alltag ohne Hilfe nicht mehr bewältigen. Die Corona-Krise verstärkt die Isolation, während der Lockdowns und durch Kontaktbeschränkungen bleiben viele Ältere über Wochen für sich. Die Besuche von Familie und Freunden bleiben aus oder werden seltener. Die Folge: Die Menschen vermissen Kontakte oder eine Bezugsperson, mit der sie in engem Austausch stehen. An dieser Stelle betreten Erbschleicher die Bühne. Sie bauen zunächst ein Vertrauensverhältnis zu der alleinlebenden Person auf und sorgen durch regelmäßige Anwesenheit für emotionale Abhängigkeit. Gerade in Corona-Zeiten haben sie leichtes Spiel.

Besonders gern suchen sich Betrüger ältere Menschen aus, die wenig Verbindung zu ihren Angehörigen haben und vermögend sind. Familien sollten daher die Vorgehensweise von Erbbetrügern und die Rechtssituation kennen, um frühzeitig gegensteuern zu können. Ein besonders hoher Handlungsbedarf besteht bei Unternehmensvermögen. Wird etwa über Testamente gestritten, ist schnell der Betrieb in Gefahr. Daher sollten Sie auch als Unternehmer solche Gefahren berücksichtigen und im Vorfeld entsprechende Regelungen treffen.

So machen Erbschleicher ihre Opfer gefügig

Erbschleicher gehen meist nach dem gleichen Prinzip vor. Sie gewinnen das Vertrauen der Person, machen sich unentbehrlich und schirmen den Erblasser zunehmend von seinem familiären Umfeld ab. Das gelingt ihnen, indem sie schlecht über Familie und Freunde sprechen, mit der Folge, dass der vermeintlich gut Umsorgte den Kontakt nach und nach einschlafen lässt. Plötzlich wirkt die neue Vertrauensperson an allen Entscheidungen mit, argumentiert im Namen des Erblassers, der immer seltener zu Wort kommt. Irgendwann nehmen solche Betrüger auch Einfluss auf die Finanzen und lassen sich von der bedürftigen Person eine Vorsorgevollmacht geben. Am Ende drängen Erbschleicher die bedürftige Person dazu, sie als Erben einzusetzen. Auch eine Adoption oder Heirat können im Raum stehen. Immer mit dem Druckmittel, man würde andernfalls den Kontakt abbrechen.

Solche Betrüger machen sich die Hilfsbedürftigkeit von Menschen zunutze, wissen aber auch um die rechtlichen Besonderheiten und Freiräume rund um das Erbe. So räumt das deutsche Erbrecht Erblassern eine fast unbeschränkte Testierfähigkeit ein. Erblasser können jederzeit frei verfügen, wer im Umfeld was genau erben soll. Im schlimmsten Fall kann sogar eine Person, die womöglich zeitweise geschäftsunfähig ist, via Testament über ihr gesamtes Vermögen verfügen.

Mangels einer medizinischen Ausbildung kann ein Notar eine Testierunfähigkeit gegebenenfalls nicht feststellen., wie das Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 18. Mai 2020 (Az.: 2 Wx 102/20) ist die Unterschrift des Erblassers unter einem notariell beurkundeten Testament jedoch bereits wirksam, wenn dieser erkennbar den Versuch unternommen hat, den Familiennamen auszuschreiben – beispielsweise, weil der Anfangsbuchstabe lesbar ist. Dies begründet sich darin, dass die Unterschrift bei einem notariellen Testament lediglich die Verantwortungsübernahme beurkundet. Anderes gilt hingegen bei einem handschriftlichen Testament. Bei diesem hat die Unterschrift eine Identifizierungsfunktion, sodass höhere Maßstäbe anzusetzen sind.

Auf der Familie liegt die Beweislast

Familienangehörige, die nicht hinnehmen wollen, dass etwa die Zugehfrau, Nachbarn oder sogar ganz Fremde, erben sollen, tragen die Beweislast. Sie sind aufgefordert, die Manipulationen Dritter zu dokumentieren und nachzuweisen. Auch müssen sie belegen können, dass der Erblasser die Folgen des Testaments nicht absehen konnte – im Nachhinein ein schwieriges, nahezu unmögliches Unterfangen. Familienmitglieder sind gut beraten, Auffälligkeiten unverzüglich und vollständig zu dokumentieren. Das könnten etwa das Verfassen mehrerer Testamente in kurzen Abständen sein oder Terminvereinbarungen bei einem Notar durch zum Beispiel die betreuende Person. Spricht der Erblasser von Gegenleistungen, die ihm versprochen wurden, sofern er Dritte im Testament berücksichtigt, sollten Verwandte ebenfalls hellhörig werden.

Als potenzieller Erbe behalten Sie den Erblasser in solchen Fällen besser im Auge. Trifft der Erblasser seine Entscheidungen selbstbestimmt? Verlässt er sich in seinem Handeln ausschließlich auf fremde Personen? Dies könnten Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit sein. Auch Zeugenaussagen aus dem unmittelbaren Umfeld können dies womöglich belegen. Wichtig: Sie sollten schriftlich festgehalten werden. Eigene Einschätzungen haben nur einen eingeschränkten Beweiswert, da dahinter auch ein starkes Eigeninteresse vermutet wird.

Ist der Erblasser testierfähig?

Nur wenn der Nachweis erbracht ist, dass der Erblasser testierunfähig ist, gilt das Testament als unwirksam. Es existieren keine Krankheitsbilder, die automatisch zu einer Testierunfähigkeit führen. Maßgeblich bleiben der Einzelfall und der gesundheitliche Zustand des Erblassers bei Abfassung des Testaments.

Rechtlich führt ein zweistufiges Verfahren zur Klärung: Zunächst wird geprüft, ob eine geistige Störung vorliegt. In einem zweiten Schritt wird festgestellt, ob die Beeinträchtigung die Einsichts- und Handlungsfähigkeit mindert.

Allerdings bleibt es schwierig, die Testierunfähigkeit nachzuweisen. Viele Krankheitsbilder führen dazu, dass die kognitiven Fähigkeiten nur vorübergehend und nicht dauerhaft beeinträchtigt sind. Beispielsweise reichen eine Demenzerkrankung, Medikamenten- oder Alkoholsucht nicht aus, um eine dauerhafte Testierunfähigkeit festzustellen. Vielmehr sind auch der Schweregrad und Verlauf der Erkrankung und die Frage, ob eine Beeinträchtigung zum Zeitpunkt der Testierung vorlag, zu berücksichtigen.

Betroffene Angehörige sollten beizeiten rechtlichen Rat einholen. Auch wenn Familienmitglieder zu Recht Zweifel an der Wirksamkeit eines Testaments hegen, dürfen sie zu Lebzeiten des Erblassers keine Klage einreichen. Dies begründet sich in dem Recht des Vererbenden, nicht zu Lebzeiten mit einem Prozess über seine Testierfähigkeit konfrontiert zu werden. Auch haben potenzielle Erben nur eine Erwerbschance und keinen einklagbaren Anspruch.

Tritt der Erbfall ein, steht der Gerichtsweg offen. Sie haben dann die Möglichkeit die Testierfähigkeit im Rahmen des Erbscheinverfahrens oder einer Erbenfeststellungsklage überprüfen zu lassen. Doch Vorsicht: Zweifel an einer Testierfähigkeit des Erblassers reichen allein nicht. Die Testierunfähigkeit muss nachgewiesen werden. Als Beweismittel gelten neben Zeugenaussagen auch ärztliche Befunde. Gerichte entscheiden grundsätzlich auf Basis eines psychiatrischen Gutachtens durch einen gerichtlich bestellten Facharzt. Der benötigt für seine posthume Betrachtung möglichst viele Daten und Anhaltspunkte. Andernfalls wird er davon ausgehen müssen, dass der Erblasser testierfähig war.

Und auch darüber müssen sich Angehörige im Klaren sein: Schnelle Gerichtsbeschlüsse sind nicht zu erwarten. Vielmehr ist von langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen auszugehen, mit ungewissem Ausgang.

Vorkehrungen treffen Unternehmer jetzt

Als vererbender Unternehmer sollten Sie daher die Nachlassplanung möglichst frühzeitig vornehmen. Ihnen bleiben dadurch mehr Gestaltungsoptionen und Sie können sicher sein, das eigene Erbe nach persönlichen Vorstellungen geordnet zu haben. Idealerweise beziehen Sie die Nachkommen mit ein, damit alle Beteiligten informiert sind. Damit beugen Sie auch späteren Erbstreitigkeiten vor.

Verheirate Paare schützen sich mit einem gemeinschaftlichen Testament. Sie können sich im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des Überlebenden der gemeinsame Nachlass an die Kinder oder sonstige Dritte als Schlusserben fallen soll. Dann kann der überlebende Partner das Testament nicht zugunsten eines Erbschleichers ändern. Unverheiratete Paare bauen auf gleiche Weise mit einem Erbvertrag vor.

Komplexe Nachfolgeregelungen nehmen Sie als Unternehmer früh in Angriff. In der Fachliteratur wird aktuell die Bedeutung der "relativen Testierfähigkeit" diskutiert. Übernimmt die Rechtsprechung das Konstrukt tatsächlich, fließen bei der Prüfung der Testierfähigkeit auch Umfang und Komplexität des Testaments ein. Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers sind dann womöglich anzumelden, wenn er das Rechtsgeschäft nicht verstehen konnte.

Grundsätzlich gilt: Jedes Testament sollten Sie regelmäßig, spätestens nach zehn Jahren überprüfen. So passen Sie es als Erblasser der eigenen Lebenssituation optimal an und stellen sicher, dass alle Verfügungen wirksam und im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung sind.

*Gastautor Dr. Björn Krämer, LL.M.
Dr. Björn Krämer, LL.M
Dr. Björn Krämer, LL.M. ist Rechtsanwalt der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner - © BKL Fischer Kühne + Partner

Dr. Björn Krämer, LL.M. ist Rechtsanwalt der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner ( bkl-law.de ). Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Kapitalmarktrecht und im Erbrecht. Er beschäftigt sich mit aktuellen Fragestellungen und entwickelt nachhaltige Lösungen.