Gewinn jenseits der Grenze

Export Made in Germany boomt wie nie zuvor. Trotzdem zögert jeder zweite Handwerker bei Auslandsgeschäften. Mit dem richtigen Geschäftsmodell und Planung klappt der Einstieg jedoch sicher.

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    Kay Gundlack, Schuhdesigner in Parchim, verkauft seine Maßschuhe an Prominente wie Thomas Gottschalk.
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    Nachbar Frankreich war 2010 der wichtigste Handelspartner Deutschlands, die Chinesen belegen bislang auf der Exporthitliste nur Rang sieben.

Gewinn jenseits der Grenze

Ein wenig komisch kam sich Kay Gundlack schon vor, als er seinen Hartschalenkoffer mit den maßgefertigten Schuhen über das Pflaster in der Mailänder Innenstadt zog: „Anfangs hatte ich immer Angst, dass der Koffer aufspringt und die Schuhe vor allen Passanten herausfallen“, erinnert sich der Orthopädieschuhmacher an seine ersten Kundenbesuche in Italiens Nordmetropole. Schließlich ist es aus Sicht der stolzen Marktführer im Schuhdesign schon ein wenig vermessen, wenn ein deutscher Kleinunternehmer aus Parchim in Mecklenburg-Vorpommern den heimischen Branchengrößen Marktanteile streitig macht. „Meine Schuhe kommen auch bei den Italienern sehr gut an, bislang bin ich noch nie ohne einen neuen Auftrag nach Hause geflogen“, freut sich Gundlack über seinen Erfolg.

Erfolg in der Marktnische

Zu seinen Kunden zählen vor allem Privatpersonen, die Wert auf schöne und individuelle Schuhe legen. Letztere gibt es zwar gerade in Italien in großer Auswahl, aber Kay Gundlack hat neben Schönheit und Exklusivität ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal: Seine Schuhe haben ein auf den Träger abgestimmtes Fußbett. „Für viele Kunden mit Problemfüßen bin ich so etwas wie die letzte Hoffnung“, erklärt er seinen Wettbewerbsvorteil. Der hat sich nicht nur bis Italien herumgesprochen, auch in Luxemburg, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden schätzen die Kunden die Maßarbeit aus Parchim.

Obwohl die Erweiterung des Marktes nicht nur für Nischenanbieter wie Gundlack ein wichtiger Schritt zu Existenzsicherung ist und der Export boomt wie nie zuvor, sind laut Statistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks nur rund fünf Prozent der Betriebe grenzüberschreitend
tätig. Zu hohes Risiko, fehlende Kapazitäten, Sprachschwierigkeiten und Finanzierungsprobleme werden von den Betrieben als Gründe für die Zurückhaltung genannt.

„Viele Unternehmer sind unsicher, wie viel sie im Auslandsgeschäft investieren müssen und ob sich das Investment wirklich lohnt“, bestätigt Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer in Dresden (siehe Seite 38). Da sein Kammerbezirk von allen Handwerkskammern die längste Außengrenze zur EU besitzt, sind grenzüberschreitende Geschäfte für die Betriebe laut Brzezinski naheliegend: „Etwa fünf Prozent unserer Unternehmen sind im Ausland aktiv, der Schwerpunkt liegt dabei vor allem beim Export von Waren und Dienstleistungen.“

Erst arbeiten, wenn das Geld fließt

Diese Variante des Auslandsgeschäfts ist gerade für Kleinbetriebe ideal, da das Risiko überschaubar bleibt (siehe Tabelle unten). Denn oft lassen sich zwar im Ausland bessere Preise realisieren als im heimischen Markt, dafür sind die Kosten für die Abwicklung in der Regel höher.

Reinhard Schips, Inhaber eines Betriebs für hochwertige Möbel und Innenausbauten im schwäbischen Kongen, hat bereits Einkaufscenter, Yachten und Verkaufsniederlassungen in Kasachstan, England und Shanghai eingerichtet: „Da der logistische Aufwand im Ausland deutlich größer ist, kommt es vor allem auf eine gute Vorbereitung an.“ Um das finanzielle Risiko zu begrenzen, arbeitet Schips nur gegen Vorauskasse. „Wenn das Geld nicht pünktlich fließt“, so seine Erfahrung, „fängt man besser erst gar nicht an.“ Gemeinsam mit neun weiteren Schreinern hat der Chef von 30 Mitarbeitern die Kooperation „Schreiner International“ gegründet. Ziel ist vor allem die Erweiterung der eigenen Absatzmärkte und die Akquise von Großprojekten. „Für einen Betrieb ist der Spielraum im Ausland begrenzt, da haben wir als Team andere Chancen“, ist Schips überzeugt. Noch gibt es zwar kein gemeinsames Projekt, doch Schips weiß aus Erfahrung, dass man im Ausland einen langen Atem braucht.

Mit Geduld den Markt erschließen

Schuhdesigner Gundlack baut seine Auslandskontakte ebenfalls sehr behutsam auf. „Unter der Woche produziere ich meine Schuhe, am Wochenende reise ich zu den Kunden und passe an.“ Bei diesen Besuchen ist dann fast immer ein potenzieller Kunde anwesend, der dem Parchimer Unternehmer einen weiteren Auftrag bringt. So entsteht Stück für Stück ein länderübergreifendes Netzwerk mit Kontakten, das über Mundpropaganda langsam, aber stetig wächst. Kay Gundlack ist dieses überschaubare Wachstum gerade recht: „Das Fernsehen hat zwar schon häufig über mich und meine Maßschuhe berichtet, dennoch sehe ich mich nicht als Überflieger, sondern vor allem als Handwerker mit der Liebe zu schönen Schuhen.“ Ein wenig Träumerei lässt der sympathische Jungunternehmer dann aber trotzdem zu: „Eine kleine Dépendance in der Mailänder Innenstadt - das wäre wirklich super!“

kerstin.meier@handwerk-magazin.de


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