Gewährleistung: Zu teure Mängelrügen ablehnen

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Urteil des Monats

Der Bundesgerichtshof schützt Betriebe vor teuren Mängelrügen. Erleichterung für Extremfälle.

Wärmedämmung an Wasserrohren hilft beim Energiesparen – sie muss aber dick genug sein, damit sie der Verordnung entspricht. - © nsj-images- iStockphoto

Mängelrüge zu teuer

Der Fall

Energiesparen ist nicht erst seit der Energiewende ein Thema für Hausbesitzer. So auch für einen Eigenheimbesitzer in der Nähe von Osnabrück. Er beauftragte einen SHK-Betrieb, die Wasserrohre seines Gebäudes entsprechend der Energieeinspar-Verordnung zu dämmen. Eine Stärke von 20 Millimeter war hierfür notwendig. Tatsächlich ummantelte der Handwerksbetrieb die Rohre jedoch nur mit 13 Millimeter.

Diesen Fehler entdeckte der Kunde ganz klassisch: Er wollte eine Rechnung des Handwerkers von über 6000 Euro nicht bezahlen, suchte nach Mängeln und fand die unzureichende Dämmung. Seine horrende Berechnung: Die neue Dämmung entfernen, eine ausreichend dicke anbringen, Kosten: rund 44000 Euro. Der SHK-Betrieb lehnte dies mit dem Einwand „unangemessen“ ab. Ein Sachverständiger bestätigte: Der Nachteil des Kunden infolge der zu dünnen Dämmung liege geschätzt und auf längere Zeit hochgerechnet pauschal bei 1000 Euro. Diesen sogenannten technischen Minderwert könne der streitbare Kunde geltend machen.

Das Urteil

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat dem Handwerker grundsätzlich Recht gegeben (Az. VII ZR 179/11). Die Richter gingen dabei zweistufig vor: Zunächst stellten sie fest, dass der Handwerksbetrieb die Gewährleistung selbst nach Paragraf 635 Absatz 3 BGB ablehnen durfte, weil sie unverhältnismäßig zum Mangel gewesen wäre. Dann prüften sie erstmals in der BGH-Rechtsprechung, ob der Kunde alternativ Schadenersatz geltend machen konnte, ließen dies jedoch auch nur in der geringen Höhe zu. Exakte Berechnungen muss die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Oldenburg, anstellen. Wichtigster Satz des Urteils: „Es besteht kein vernünftiger Grund, dem Unternehmer, der die Beseitigung von Mängeln wegen eines damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwands gemäß Paragraf 635 Absatz 3 BGB verweigern darf, gleichwohl im Wege des Schadenersatzes die Erstattung der Mängelbeseitigungskosten abzuverlangen.“

Die Praxisfolgen

Der Bundesgerichtshof stärkt mit diesem Urteil die Position der Handwerksbetriebe. Wenn die Mängelbeseitigung unverhältnismäßig ist, müssen die Betriebe maximal die Wertminderung als Schadenersatz begleichen. Anders als bei der Gewährleistung müsse der Kunde hierfür keine Frist setzen, so Eckhard Frikell, Lehrbeauftragter für Baurecht in München.

„Allerdings ist vor dem vorschnellen Einwand der Unverhältnismäßigkeit durchaus Vorsicht geboten“, warnt Rechtsanwalt Frederic Jürgens von der Kanzlei Melchers in Heidelberg. Denn wenn der Einwand unberechtigt ist, darf der Kunde eine andere Firma damit beauftragen, den Mangel zu beseitigen. „Diese Kosten sind regelmäßig höher als die der Mängelbeseitigung durch eigene Mitarbeiter“, so der Experte.

Tipp: Fragen Sie Ihre Innung oder Ihren Rechtsanwalt, bevor Sie Mängelrügen zurückweisen.