Genussscheine: Ein guter Weg zu Kapital und Kundenbindung

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Je höher das Eigenkapital, umso besser werden die Kreditkonditionen für Handwerksbetriebe. Ein Weg die Eigenkaptalquote aufzustocken, ist die Ausgabe von Genussscheinen. Wann das sinnvoll ist und wie es funktioniert: die wichtigsten Fragen und Antworten.

Für Nahrungsmittelgewerke wie Bäckereien können Genussscheine ein attraktives Angebot für Kunden und Lieferanten sein. - © Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. Fotograf: Darius Ramazani

Was sind Genussscheine?

Der Begriff „Genussschein“ ist rechtlich nicht definiert. Daher gibt es verschiedene Formen und Ausprägungen. Je nach Einzelfall entsprechen Genussscheine eher einer Aktie oder eher einem verzinslichen Wertpapier. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen, durch Genussscheine erwirbt der Anleger das Recht (Genussrecht), vom Gewinn des Unternehmens zu profitieren. Wie dies geschieht, kann unterschiedlich vereinbart werden.

Genussscheine können, müssen aber nicht an der Börse gehandelt werden.

Was haben Betriebe von der Ausgabe?

Von der Form her handelt es sich bei Geld aus Genussscheinen um sogenanntes Mezzaninkapital. Hier gibt es drei große Vorteile:  

1. Wie bei einer stillen Beteiligung erhalten Unternehmen Kapital, ohne den Geldgebern echte Mitspracherechte zu gewähren

2. Über Genussscheine gesammeltes Geld wird von Banken wenigstens zur Hälfte, oft aber auch ganz als Eigenkapital anerkannt.

3. Gleichzeitig gilt es steuerlich gesehen als Fremdkapital. Deswegen sind die Zinsen steuerlich absetzbar.

Wann ist eine Kapitalbeschaffung über Genussscheine sinnvoll?

Grundsätzlich können Genussscheine immer dann eine Alternative sein, wenn es um Investitionen geht – und dies umso mehr, wenn noch weiteres Kaptal benötigt wird. Hier schlägt bei der Ausgabe entsprechend gestalteter Genussscheine der Eigenkapitalcharakter zu Buche. Denn je besser die Eigenkapitalquote ist, umso eher steigen auch Banken in die Kreditvergabe ein. Und umso besser sind dann auch die weiteren Kreditkonditionen für den Betrieb.

Zur Schuldentilgung oder bei Liquiditätsengpassen sind Genussscheine keine Option.

Tipp: Wohl aber zur Bildung von Rücklagen. Experten empfehlen die Ausgabe von Genussscheinen daher gerade in Zeiten, in denen es dem Betrieb gut geht.

Wie sehen die Konditionen aus?

Die Gestaltung kann sehr unterschiedlich sein. In der Regel sind Genussscheininhaber am Gewinn beteiligt und/oder erhalten Zinsen. Der Zins kann sowohl fest vereinbart als auch an das Erreichen definierter Unternehmenskennziffern gekoppelt werden. Ebenso ist es möglich, Zinszahlungen so festzulegen, dass sie nur geleistet werden, wenn das Unternehmen im betreffenden Geschäftsjahr einen Gewinn erzielt.

Im Prinzip sind Genussscheininhaber auch am Verlust beteiligt. Dies bedeutet: Erwirtschaftet der ausgebende Betrieb in einem Jahr Verluste, schrumpft das eingezahlte Kapital. Wird dann in den Folgejahren wieder Gewinn erzielt, werden diese zunächst zur Wiederauffüllung der Rückzahlungsansprüche verwendet. Die Beteiligung am Verlust kann aber sowohl gedeckelt als auch ausgeschlossen werden – außer der ausgebende Betrieb, also der Emittent, geht in Insolvenz oder Liquidation.

Wann muss das Kapital zurückgezahlt werden?

Die Rückzahlung des Grundkapitals erfolgt frühestens nach fünf Jahren, in der Regel werden jedoch längere Laufzeiten vereinbart. Es gibt sowohl begrenzte als auch unbegrenzte Laufzeiten.

Gibt es bei der Ausgabe von Genussscheinen eine Mindestsumme?

Nein, rein rechtlich nicht. Grundsätzlich ist das Verfahren jedoch recht  komplex und diversen Auflagen verbunden ist. So dürfen beispielsweise in Deutschland Vermögensanlagen nur dann öffentlich angeboten werden, wenn ein sogenannter Bafin-Prospekt erstellt wird. Die Auflagen machen das Verfahren teuer, weswegen Experten die Ausgabe im Allgemeinen erst ab einem Kapitalbedarf von mehreren Millionen empfehlen.

Hinweis: Ist die benötigte Summe nicht höher als 100.000 Euro pro Jahr gibt es Ausgestaltungsmöglichkeiten, bei denen diese Prospektpflicht eben nicht gilt. Insofern können Genussscheine gerade auch bei kleinerem Geldbedarf attraktiv sein.

Mit welchen Kosten müssen ausgebende Betriebe rechnen?

Um genügend Geld einsammeln zu können, empfehlen Experten Verzinsungen zwischen sechs und acht  Prozent. Hinzu kommen oftmals Gewinnbeteiligungen und die Kosten für die Beratung von Finanzierungsspezialisten. Bei Summern unter 100.000 Euro gibt es hier Pauschalangebote, die bei vier bis fünf Prozent der benötigten Summe liegen.

Hinweis: Ist die Erstellung eines Bafin-Prospektes notwendig, kostet dies zusätzlich mehrere Tausend Euro.

Welche Vorteile hat die Ausgabe von Genussscheinen gegenüber anderen, mezzaninen Finanzierungsmöglichkeiten?

1. Die relativ offene Gestaltungsfreiheit macht es möglich, die Finanzierung exakt auf den eigenen Betrieb zuzuschneiden.

2. Die Rendite lässt sich auch in Form von Naturalien oder Warengutschriften gestalten. Das ist insbesondere für Nahrungsmittelhandwerker wie Bäcker, Fleischer oder Brauer interessant.

3. Gut vorbereitet und ausgestaltet, kann die Ausgabe von Genussscheinen auch als Marketinginstrument genutzt werden und sowohl den Umsatz als auch die Kundenbindung verbessern. Eine gute Möglichkeit hierzu bieten spezielle Rabattangebote oder Sonderaktionen für Genussscheininhaber.

Gibt es Betriebe, die keine Genussscheine ausgeben können/dürfen?

Grundsätzlich dürfen Unternehmen aller Rechtsformen Genussscheine ausgeben.

Tipp: Vielversprechend ist die Ausgabe von Genussscheinen aber vor allem dann, wenn ein Betrieb in einem Umfeld agiert, aus dem sich Anleger gewinnen lassen. Es also viele Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter oder Geschäftspartner gibt, die sich aktivieren lassen.

Lohnt sich die Ausgabe von Genussscheinen nur für die Betriebe? Oder profitieren auch die Anleger?

Anleger bekommen im Normalfall eine höhere Rendite als bei den meisten anderen Anlageformen. Gerade bei kleineren Projekten beispielsweise kann die Motivation aber auch über den finanziellen Aspekt hinausgehen. Genussscheinerwerber möchten dann in erster Linie einen regionalen Betrieb unterstützen oder die Entwicklung beziehungsweise Markteinführung eines bestimmten Produktes fördern. Um dies zu erreichen, ist eine gute Marktkommunikation des ausgebenden Betriebes gefragt.

Je größer die Summe ist, die jemand in Genussscheine investiert, je mehr sollte er sich auch des Risikos bewusst sein: Im Falle einer Insolvenz oder der Liquidation des Betriebes bekommen sie ihr Geld erst zurück, nachdem alle anderen Gläubigeransprüche befriedigt wurden.