Generalunternehmer: Erfolgreich als Komplettanbieter

Das Segment ist im Umbruch: Obwohl immer mehr Kunden Komplettlösungen suchen, ziehen sich die großen Unternehmen mangels Marge zurück. Das schafft Chancen für neue kleine Anbieter.

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    Baukoordination ist sein Job: Michael Heuschkel, Abteilungsleiter bei Niersberger Gebäudemanagement.
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    © Chart: handwerk magazin
    Die Bauunternehmen rechnen für dieses Jahr vor allem im Bereich Wohnungen und Häuser mit einem Umsatzplus.
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    © Christian Mader
    Bauträger Jochen Kurz, Geschäftsführer von Kurz Holzbau, hat sich als Handwerksbetrieb auf schlüsselfertige Passiv- und Plus-Energie-Häuser spezialisiert.
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    Baubetriebe konnten in den vergangenen Jahren ihre Rentabilität nur sehr wenig steigern.

Zeitdruck gehört für Michael Heuschkel und seine Kunden zum Tagesgeschäft: Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Objekte mit bis zu 100 Wohneinheiten zum Teil von Grund auf sanieren, während die Mieter in Ersatzwohnungen auf den Wiederbezug warten. Als Generalunternehmer bietet die Niersberger Gebäudemanagement GmbH & Co. KG aus Erlangen, 30 Mitarbeiter, die Projektausführung als Komplettpaket an – mit termingerechter Fertigstellung zum Fixpreis. „Wir übernehmen die Baukoordination bis zum schlüsselfertigen Objekt“, erklärt Abteilungsleiter Michael Heuschkel, der bei Niersberger für die gesamte Projektsteuerung verantwortlich ist. „Die handwerkliche Ausführung vergeben wir zum Großteil oder komplett an Nachunternehmer.“

Kunde will alles aus einerHand

Diese „Aus einer Hand“-Lösung wird im Baubereich zunehmend nachgefragt. Das Spektrum potenzieller Auftraggeber reicht vom schlüsselfertigen Eigenheimbau, über öffentlichen oder fondsfinanzierten Wohnungsbau, Industrie- und Gewerbebauten bis hin zum Kirchenbau. Wie viele der 75 332 im Jahr 2013 bundesweit im Bauhauptgewerbe und 19 974 im Ausbaugewerbe tätigen Betriebe als Generalunternehmer tätig sind, lässt sich zwar nicht in Zahlen ausdrücken. „Es gibt nicht einmal Schätzungen, zumal eine Firma je nach Bauvorhaben einmal als General- und ein anderes Mal als Nachunternehmer tätig werden kann“, erklärt Holger Seit, Mitarbeiter beim Landesverband Bayerischer Bauinnungen. Jedoch zeige sich eine klare Wachstumstendenz: „Wir beobachten, dass aufgrund des immer stärkeren Wunsches nach Leistungen aus einer Hand – insbesondere privater Bauherren – der Einsatz von qualifizierten Subunternehmern steigt, da der Hauptauftragnehmer Teilleistungen an Spezialisten vergibt.“

Diese Marktchance als Komplettanbieter nutzen inzwischen viele mittelständische Betriebe. „Viele regional aufgestellte, als klassische Rohbauer gestarteten Betriebe bieten heute Komplettleistungen an und stabilisieren so ihre Umsätze, während sich mancher Konzern wegen der vielen Jahre schlechter Konjunktur aus dem Geschäft zurückgezogen hat“, beobachtet etwa Projektleiter Heuschkel im Segment des öffentlichen Wohnungsbaus. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Einfamilienhausbau: „Größere Konzerne und Bauträger konzentrieren sich mehr auf Bereiche, die weniger reglementiert sind. In diese Lücke stoßen Firmen, die früher nur als Zulieferer tätig waren“, sagt Jochen Kurz, Geschäftsführer von Kurz Holzbau, als Bauträger im schlüsselfertigen Ein-, Mehrfamilien-, sowie Reihenhausbau im Passiv- und Plus-Energie-Hausstandard tätiger Handwerksbetrieb (20 Mitarbeiter) aus dem schwäbischen Urbach.

Regionale Baubetriebe im Vorteil

Mittelständlern gerät ihre überschaubare Größe hier zum Vorteil: Sie können flexibel auf Kundenanforderungen reagieren und sind oft auf einen bestimmten Bereich spezialisiert, in dem sie die wirtschaftlichen Risiken abschätzen können. Denn: „Kein Bau gleicht dem anderen“, sagt Michael Heuschkel. „Ich kann in Nürnberg ein Haus zum Preis X bauen, werde das gleiche aber im Schwarzwald nicht hinbekommen“. Matthias Schäfer, Geschäftsführer der Mörk GmbH & Co. KG, Generalübernehmer für schlüsselfertige Wohn-, Industrie-, Gewerbe- und Kirchengebäude, mit Hauptsitz in Leonberg bei Stuttgart, 90 Mitarbeiter, rät deshalb am GU-Geschäft interessierten Betrieben zu einer klaren Strategie: „Welche Anforderungen stellt der beabsichtigte Markt? Wie ist der Betrieb aufgestellt, habe ich ausreichend Personal, die richtigen Nachunternehmer und Partner, auch in der Beratung, an der Hand?“

Ohne technisches, kaufmännisches und juristisches Know-how – im eigenen Haus oder als Externe – birgt das GU-Geschäft viele Risiken: Bauverzug, Qualitätsprobleme und der Verwaltungsaufwand hinsichtlich der Rechtskonformität machen Projekte schnell unwirtschaftlich. Bei Margen von zwei bis drei Prozent im Baugewerbe sorgen Störungen schnell dafür, dass Projekte in die roten Zahlen rutschen. „Bei Bilfinger lag 2013 das Konzernergebnis bei 176 Millionen Euro bei einer Leistung von 8,5 Milliarden Euro im Jahr. Das entspricht einem mageren Gewinn von zwei Prozent“, so Heuschkel. Zum Vergleich: BMW hat bei 76 Milliarden Euro Umsatz im letzten Jahr 7,9 Milliarden Euro vor Steuern verdient.

Koordination muss funktionieren

Im Tagesgeschäft ist der wichtigste Erfolgsfaktor eine funktionierende Baustellen-Koordina­tion. Das beginnt mit dem Erstellen gewerkespezifischer Leistungsverzeichnisse für die Vergabe. Bis zu 30 verschiedene Gewerke beauftragen etwa Heuschkel und sein Team pro Projekt. Natürlich spielt hier der Preis eine Rolle, aber vor allem mittelständische Generalunternehmer, die längerfristig am Markt bestehen wollen, arbeiten bevorzugt mit einem festen Netzwerk verlässlicher Partnerbetriebe.

„Das minimiert das Risiko, weil man sich zum Großteil seit Jahren kennt. Eine Firma von irgendwoher käme für uns als Partner nicht in Frage“, sagt auch Jochen Kurz, dessen Holzbaubetrieb Planung, Projektierung, Montage der Holzbauteile, Trockenbau und Innenausbau selbst übernimmt und Erdarbeiten, Kellerbau, Elektro und Sanitär an regionale Betriebe vergibt. Wichtig sei bei der Zusammenarbeit vor allem eine klare Struktur, die der Generalunternehmer vorgeben und mit Beharrlichkeit durchsetzen muss. „Die Kunden akzeptieren keine Mehrkosten und keine Terminverschiebung, daher ist der Korridor sehr eng, in dem wir uns bewegen – da müssen die Nachunternehmer mitgehen.“ Und der Erfolg wird wiederholt: So erscheint es lohnender, mit dem vorhandenen Netzwerk auch an entfernten Standorten zu arbeiten, als dort neue Subunternehmer zu suchen. Bei nur rund 50 Prozent Lohnanteil an der Gesamtleistung ist das rentabler, eine störungsfreie Arbeit wiegt die Mehrkosten für Unterbringung schnell auf.

Erfolg ist abhängig vom Bauleiter

Mörk Bau stellt zur Risikominimierung noch höhere Anforderungen: „Unsere Partner müssen sich mit unseren Werten, Aufrichtigkeit, Kompetenz und Zuverlässigkeit, identifizieren“, sagt Geschäftsführer Matthias Schäfer. Diese wertebasierte Zusammenarbeit zeichne sich neben beiderseitigem Einhalten von Absprachen und pünktlicher Zahlung auch durch lösungsorientiertes Verhalten aus. „Wir wünschen uns Feedback, wenn sich etwas geschickter oder kostengünstiger realisieren lässt.“

Doch selbst bei „Normalbetrieb“ sollten Generalunternehmer erhöhten Betreuungsaufwand einplanen. „Man muss die Gewerke oft sehr eng führen“, sagt Peter Haas, aufs Bauhandwerk spezialisierter Unternehmensberater aus dem hessischen Rodgau. „Der Erfolg steht und fällt mit einem starken Bauleiter, der die Schritte vorgibt und das Ergebnis prüft.“ Neulinge im GU-Geschäft sollten mit „doppeltem bis dreifachem Betreuungsaufwand“ rechnen. Nur so lassen sich Baustellen im gesetzten Zeit- und Preisrahmen realisieren – und die Chancen dieses Geschäftsmodells nutzen. Die schlechten Margen müssten nicht sein, meint ein Insider, auch wenn sich die Branche dies durch einen Preiswettbewerb selbst eingebrockt hat: „In den meisten Kalkulationen findet man Optimierungspotenzial“.