Hobby Der Karnevalsprinz unter den Bäckern

Bäckermeister Josef Hinkel aus Düsseldorf ist als Präsident des Comitees Düsseldorfer Karneval Chef-Organisator der dortigen Jecken. Das Ehrenamt ist mehr als nur Nebenjob, und zwar das ganze Jahr.

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    Prinz Josef I. – Bäckermeister Josef Hinkel mischt im Düsseldorfer Karneval seit Jahren kräftig mit.
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    In der Session 2007/2008 war Bäckermeister Josef Hinkel Prinz der Düsseldorfer Jecken.
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    k Vita Josef Hinkel, geb. am 8.6.1959 in Düsseldorf. Verheiratet, fünf Kinder. Ausbildung: Handelsschule, Bäckerlehre, Gesellenzeit u.a. in München, 1982 Meisterschule Hannover. 1988 Übernahme des elterlichen Betriebes. 1991 Betriebswirt des Handwerks. Ehrenämter (Auswahl): Stellvertretender Obermeister der Gesamtinnung Rhein-Ruhr und Obermeister der Bäckerinnung Düsseldorf – seit 2011 Präsident CC.

Ganzjährige Session

Karneval heißt für Menschen im Rheinland und anderen Hochburgen vor allem Feiern. Sie treffen Freunde und sind für ein paar Tage ein anderer, als Pirat, Elvis oder Fee. Für den Düsseldorfer Bäckermeister Josef Hinkel ist Karneval eher Profession als Freizeit, er ist Präsident des Comitees Düsseldorfer Karneval (CC). Damit fungiert der 53-Jährige als Chef der Jecken, organisiert das ganze Jahr über den reibungslosen Ablauf der fünften Jahreszeit in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Den Rosenmontagszug als Höhepunkt der Session schaut sich der Chef traditionell von der Tribüne am Rathausplatz aus an: „Das ist eine schöne Ecke zum Gucken, auch für Familien mit kleinen Kindern gut geeignet“, wirbt Hinkel.

Karneval gehört bei der Düsseldorfer Bäcker-Familie Hinkel seit Generationen zur Tradition. Seine Tante war schon 1962 die „Venetia“, die gemeinsam mit dem „Prinz Karneval“ das operative Chef-Doppel einer Düsseldorfer Session formiert, ähnlich wie einige Kilometer rheinaufwärts das Kölner Dreigestirn. Hinkel selbst war auch schon „Prinz Karneval“, ebenso wie sein Vater, auch die Mitgliedschaft beim Traditionsverein DKG Weißfräcke hat er übernommen, inklusive Senatoren-Amt. Häufig sind solche Karnevals-Ämter der lokalen Prominenz vorbehalten, die Familie Hinkel zählt zum festen Inventar der Landeshauptstadt. Hinkel engagiert sich seit vielen Jahren in Ehrenämtern, ist Obermeister der Bäckerinnung Rhein-Ruhr für die Region Düsseldorf. Und er hält es für naheliegend, dass sich viele Standes-Kollegen im Karneval engagieren: „Handwerker sind oft in ihrer Heimat verwurzelt, und Karneval ist eben regional verankerte Tradition.“

Prinz Josef im Dauereinsatz

In der Session 2007/2008, als Prinz, hat Hinkel das gleiche Marathon-Programm absolviert wie sein Vorgänger und Nachfolger: Am 11.11. startet der Karneval in Düsseldorf mit dem Hoppeditz-Erwachen, bei dem ein Karnevalist im Beisein des Oberbürgermeisters auf dem Rathausplatz die Eröffnungsrede hält und tausende Feiernde einen ers-ten Vorgeschmack auf die kommenden Wochen geben. In der Adventszeit ist traditionell Pause, nach Neujahr geht es richtig rund, dann läuft die fünfte Jahreszeit sechs Wochen lang zur Höchstform auf. Der Prinz tingelt samt Venetia täglich quer durch die Stadt von einer Sitzung zur nächs-ten, verleiht Orden, ehrt Jubilare, hält Reden. Düsseldorf hat 70 Vereine, 400 Veranstaltungen zählt die Landeshauptstadt pro Session. Und der Prinz ist immer mittendrin, wenn auch nur auf einen Sprung, anders geht es nicht bei 25 Veranstaltungen pro Tag in der Hoch-Zeit. „Das ist dann schon eine professionelle Sache, die nichts mit Karnevalfeiern im eigentlich Sinn zu tun hat“, sagt Hinkel. „Mehr als zwei oder drei Bier pro Abend sind nicht drin, sonst hält man das nicht durch.“ Sein Vater Karl-Josef war 1988 „Prinz Kajo I.“, just als sein Sohn den Betrieb übernahm. „Ich habe damals nicht viel davon mitbekommen“, sagt Hinkel. „Das war ja mein erstes Jahr als Chef in der Firma, da hat man anderes zu tun als Karneval zu feiern.“

Bäckerei Hinkel floriert

Hinkel hat den Betrieb seitdem auf Expansion getrimmt, aus den damals 23 Mitarbeitern sind mittlerweile 95 geworden. Hinkel ist kein Filialist, er verkauft über seine beiden Geschäfte und zahlreiche Weiterverkäufer wie Hotels und Cafés. Der Chef hat sich vor allem als Brot-Spezialist einen Namen gemacht, an Samstagen herrscht in den beiden Filialen regelmäßig großes Gedränge. Wer in Düsseldorf etwas auf sich hält, kauft sein Brot bei Hinkel. Rund 50 bis 60 Sorten hat er ständig im Angebot, darunter allein fünf verschiedene Arten französisches Baguette. Mittlerweile hat er einen seiner Mitarbeiter zum Chef fürs operative Geschäft aufgebaut. Hinkel selbst steht zwar noch jeden Tag immer wieder mal im Laden, um zu schauen, wie die Stimmung ist. Die meiste Zeit verbringt er aber damit, den Karneval in der Landeshauptstadt zu organisieren. Seit zwei Jahren ist Hinkel CC-Präsident. „Übers Jahr komme ich auf rund sechs Stunden am Tag“, sagt Hinkel. „Da sind dann natürlich eine Menge Veranstaltungen eingerechnet, die man besucht. Das ist nicht Arbeit im eigentlichen Sinne, aber Zeit aufwenden muss man dafür.“ 14 Mitglieder hat das Comitee, das samt Rosenmontagszug- und Wagenbauleiter jedes Jahr aufs Neue den Karneval vorbereitet: Prinzenpaar aussuchen, die großen Sitzungen vorbereiten, die im Fernsehen bis zu sechs Millionen Zuschauer verfolgen, Sponsoren ins Boot holen. „Das ist wie in einem klassischen Unternehmen auch, man muss fähige Leute an seiner Seite haben, Aufgaben abgeben können, netzwerken.“ Und natürlich den Rosenmontagszug als Höhepunkt der Session planen, wenn rund 400 000 Besucher rund um die Nobel-Einkaufsmeile Kö und in der Altstadt den Motto-Wagen zuschauen und die ganze Innenstadt in eine einzige Feiermeile verwandeln.

Karnevalsumzüge sind politisch

Auf ihren erfolgreichsten Wagenbauer sind die Düsseldorfer besonders stolz, jedes Jahr fahren gleichen mehrere Wagen mit Dutzenden von Plastiken aus der Werkstatt von Jaques Tilly mit. Vor 30 Jahren hat der Künstler begonnen, Plastiken für den Rosenmontagzug zu bauen, die immer für Diskussionen gut sind: Auf seinem ersten Wagen stand eine Figur von Helmut Kohl als goldene Birne, hinter ihm Franz-Josef Strauß mit Messer in der Hand und einem Schild mit dem Spruch „Esst mehr Obst“ um den Hals. Im Jahr 2004 schockte Gerhard Schröder als Exhibitionist mit dem Spruch „Der Staat ist pleite“, im ausgebreiteten Mantel die von der Agenda 2010 traumatisierte alte Tante SPD im roten Blümchenkleid. Und im Jahr 2009 fuhr Angela Merkel nach der Finanzkrise als säugende Wölfin auf einem Wagen, an deren Zitzen Banken und Autohersteller hingen. „Die Rosenmontags-Wagen sind jedes Jahr ein Highlight, die Bilder werden im Internet massenhaft angeklickt, und das weltweit“, sagt Hinkel.

In Düsseldorf ist der Karneval lange vor dem Höhepunkt am Rosenmontag ein Massenphänomen, bis zu 200000 Menschen besuchen über Wochen hinweg die Sitzungen der Düsseldorfer Vereine, die Jecken geben pro Session ca. 300 Millionen Euro aus, schaffen mehr als 3000 Arbeitsplätze. Hinkel: „Der Tag war schon immer was Besonderes. Wir haben dann traditionell unser Geschäft geschlossen, damit alle Mitarbeiter feiern können. Das war schon so, als ich noch Geselle war.“ ◇

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