Verkehrsrecht Freie Fahrt für Handwerker

Parkverbote, Umweltzonen, Tachografenpflicht, neue Führerscheinregeln, Punktesystem - Betriebe werden immer mehr drangsaliert. Wie sie sich in der Praxis dennoch behaupten.

  • Bild 1 von 6
    © Andreas Simon
    Erster Erfolg für die Betriebe Viele Jahre lang hat Matthias Frankenstein, Chef des SHK-Unternehmens Mercedöl-Feuerungsbau in Berlin, für bessere Parkbedingungen mit den Behörden gekämpft. Jetzt bewegt sich etwas - im November kommt der neue Handwerker-Parkausweis.
  • Bild 2 von 6
    © handwerk magazin
    Leicht unterwegs: Im Handwerk sind zu fast zwei Drittel Fahrzeuge bis zu 2,8 Tonnen im Einsatz. Dies ergab eine große Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Sie sind von der verschärften Tachografenpflicht (siehe Seite 14) nicht betroffen.
  • Bild 3 von 6
    © Kotz
    „Der Handwerker-Park-ausweis hat die Lage in der Stadt etwas entspannt.“ Alexander Kotz, Kreishandwerksmeister in Stuttgart.
  • Bild 4 von 6
    © KD Busch
    Sichere Ladung ist bei der Karl Sikler & Sohn GmbH & Co.KG in Stuttgart ein wichtiges Thema. Antonio Mingrone, Jürgen Barth, Chefin Charlotte Brucker und Ralf Glunz achten darauf (v.l.).
  • Bild 5 von 6
    © Elsner
    „Bei unzureichend gesicherter Ladung kann die Fahrt schnell zu Ende sein.“ Jörg Elsner, Vorsitzender Arge Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein.
  • Bild 6 von 6
    © Harald Klein
    Autor: Harald Klein

Freie Fahrt für Handwerker

Matthias Frankenstein, Geschäftsführer der Mercedöl-Feuerungsbau GmbH in Berlin, hat seit vielen Jahren schon das Problem, wie die Außendienstler unter seinen 120 Mitarbeitern zügig zu den Kunden kommen. Für ihre Fahrten stehen über 70 Fahrzeuge bereit, 20 Pkws und Kombis, 50 Transporter und ein Lkw. „Doch vor Ort werden wir regelmäßig durch starre Verkehrsregeln behindert“, so der Chef des Unternehmens für Heizung, Sanitär und Lüftung mit 17 Millionen Euro Jahresumsatz. „Das Parken beim Kunden erschwert die Stadt extrem.“

Konkret meint er reservierte Stellplätze für Parkautomaten und Anwohner. Auch den Stopp im Halteverbot, um schnell zum Kunden zu kommen, duldet die Polizei nicht. „Weil wir aber die Monteure mit Heizkesseln und Werkzeugen nicht zwanzigmal um den Block fahren lassen wollen, bis ein Parkplatz frei wird, kalkulieren wir Strafzettel mit ein“, so Frankenstein. Rund 250 im Jahr und 9500 Euro gehen auf dieses Konto (siehe „Strafzettel und Punkte“, Seite 16).

Wie die Mercedöl-Feuerungsbau GmbH, so kämpfen praktisch alle Handwerksbetriebe täglich gegen Behinderungen durch das Verkehrsrecht und die Behörden. Zu den Parkproblemen kommen laufend neue hinzu, wie das verschärfte Punktesystem ab 2014 (Seite 16), die immer strengeren Umweltzonen (Seite 13), die erweiterte Tachografenpflicht (Seite 14) und neue EU-Führerscheinpflichten, vor allem für Anhänger (Seite 14). Wer die neuen Regeln kennt, sich für seinen Betrieb und fürs Handwerk einsetzt, verschafft sich Erleichterungen im täglichen Straßenverkehr.

Handwerker-Parkausweis hilft

Eine kleine Erleichterung hätte die Mercedöl-Feuerungsbau in Berlin bekommen können - die Betriebs-Vignette. Dafür muss jedoch eine Firma unter anderem belegen, dass sie in den letzten beiden Monaten mindestens fünfmal in einem der sieben Berliner Lizenzgebiete geparkt hat. Svend Liebscher von der Handwerkskammer: „Wer dann für mehrere Fahrzeuge und alle sieben Gebiete Anträge stellen muss, hat eine Menge Papierkram zu erledigen.“ Hinzu kommt, dass geringe Abweichungen dieser Genehmigungen, wie anderes Fahrzeug oder anderer Termin, dazu führen, dass die Vignette nicht mehr gültig ist. „Dieser erhebliche bürokratische Aufwand hat bei uns dazu geführt, dass wir keine Sondergenehmigungen mehr beantragen“, so Matthias Frankenstein. Doch ab November soll endlich der neue Handwerker-Parkausweis kommen, wie es ihn in vielen deutschen Großstädten wie München längst gibt. Dieser berechtigt zum Parken ohne Parkschein und auf Anwohnerparkplätzen.

Gleiches Bild in Stuttgart, wo Charlotte Brucker die Karl Sikler & Sohn GmbH & Co. KG leitet. „Es gibt in der Stadt praktisch nur noch Bereiche mit Parkraumbewirtschaftung und damit Probleme für uns, direkt beim Kunden zu halten“, so die Chefin der Gerüstbau- und Dachdeckereifirma mit 70 Beschäftigten. Alexander Kotz, Kreishandwerksmeister in Stuttgart und Chef der CDU-Stadtratsfraktion, besänftigt: „Wir haben den Handwerker-Parkausweis zum Preis von 220 Euro, gültig wahlweise für eins von fünf genannten Fahrzeugen. „Zusätzlich gibt es den Handwerker-Notparkausweis, mit dem Elektriker, SHK-Betriebe und Glaser in Fußgängerzonen fahren sowie im eingeschränkten Halteverbot parken dürfen.“

Doch das sind Kleinigkeiten im Vergleich zum bürokratischen Aufwand, der Handwerksbetrieben bei der Einrichtung von Baustellen abverlangt wird. Größere Firmen haben in der Regel einen Mitarbeiter, der das MVAS-Zertifikat (MVAS = Merkblatt zur Verkehrssicherung von Arbeitsstellen an Straßen) besitzt und keine Probleme damit hat, bei den Behörden die Anträge zu stellen. „Dennoch dauert es vom Antrag bis zur Genehmigung mindestens eine Woche. Hinzu kommt, dass bei uns die Stelle im Amt für öffentliche Ordnung telefonisch nur zwischen acht und neun Uhr erreichbar ist“, ärgert sich Charlotte Brucker. „Und je nach Umfang und Dauer der Sondernutzung werden ohne Weiteres Gebühren von mehreren Hundert Euro fällig, bei Umleitungen für Fußgänger und Fahrzeuge zusätzlich mehrere Tausend Euro.“ (siehe „Parken“, Seite 12)

Sorgfaltspflicht des Chefs

Arbeitgeber müssen aber auch im Betrieb Regeln beachten und gegenüber ihren Fahrern ihre Sorgfaltspflicht erfüllen. Das beginnt bei der Prüfung, ob sie den richtigen Führerschein haben (siehe „Führerschein“, Seite 14), und setzt sich fort bei der Unterrichtung, wie sich Mitarbeiter bei Einsätzen mit dem Parkausweis verhalten sollen. Monika Bast von der Stadtverwaltung Bonn sieht Defizite: „Häufig fehlt hinter der Windschutzscheibe neben dem Ausweis der Nachweis über den Aufenthaltsort. Handwerker parken auch in Fußgängerbereichen, obwohl sie gerade dafür keine Ausnahmegenehmigung haben.“

Auch bei dringenden Einsätzen wie bei Sturmschäden gibt es keine Sonderrechte für Handwerker, wenn sie zu schnell fahren, um den Ort des Schadens möglichst früh zu erreichen. Rechtsanwalt Jörg Elsner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV): „Allerdings ist in solchen Fällen die subjektive Verwerfbarkeit geringer, so- dass es einem Verteidiger gelingen kann, zum Beispiel ein sonst fälliges Fahrverbot zu verhindern. Verlassen kann man sich darauf aber nicht.“

Auf sichere Ladung achten

Ein hohes Risiko gehen auch Chefs und Fahrer ein, wenn sie nicht gemeinsam für eine sichere Ladung auf den Firmenwagen sorgen. Charlotte Brucker in Stuttgart achtet darauf, dass diejenigen ihrer 70 Mitarbeiter, die Teile für den Gerüstbau und Material fürs Dachdecken zum Kunden transportieren, die Ladungssicherheit kontrollieren. „Dabei kommt es vor allem darauf an, das Material durch Spanngurte, Netze und andere Befestigungen stabil zu halten“, so die Chefin. Ihr Mitarbeiter Martin Heinz, der die Vorschriften der Berufsgenossenschaft und die Strenge der Polizei genau kennt, achtet besonders darauf. Jährliche Schulungen der betroffenen Mitarbeiter sensibilisieren für den täglichen Einsatz.

Rechtsanwalt Elsner bestätigt: „Vor jeder Fahrt überprüfen, ob die Ladung korrekt gesichert ist, und das unterwegs wiederholen.“ Bei Verstößen drohen nicht nur Punkte in Flensburg, auch die Weiterfahrt wird so lange untersagt, bis die Ladung ordnungsgemäß gesichert ist. Elsner: „Je nachdem, ob es sich um einen Verstoß mit oder ohne Gefährdung handelt, drohen drei Punkte und 390 Euro Strafe. Kommt es zum Unfall mit Verletzten, kann eine Geld- oder Freiheitsstrafe folgen.“ (siehe „Strafzettel und Punkte“ unten)

Falls ein Mitarbeiter den Führerschein verliert, im Betrieb aber gebraucht wird, weiß Rechtsanwältin Dronkovic folgenden Ausweg: „Chefs können ihren Mitarbeiter auf Paragraf 25 Absatz 2 a des Straßenverkehrsgesetzes aufmerksam machen: Danach darf er vier Monate nach Rechtskraft seines Falles wählen, wann er den Führerschein abgeben möchte, zum Beispiel im Urlaub.“

So weit ist es bei den Mitarbeitern der Mercedöl-Feuerungsbau bei Firmenfahrzeugen noch nicht gekommen. Geschäftsführer Matthias Frankenstein beschäftigen weitreichendere Gedanken: „Bis 2020 fehlen im Berliner Handwerk 380000 Fachkräfte. Um dem zu begegnen, muss die Politik die Rahmenbedingungen für die Betriebe verbessern - das Verkehrsrecht gehört dazu. ◇

harald.klein@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Merkblatt für Unfälle, Tipps zur Parkgenehmigung und Ergebnisse einer Umfrage bei Handwerkskammern hier:handwerk-magazin.de/09_2012

Unfalltipps

Parkgenehmigung

Umfrageergebnis

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie hier: handwerk-magazin.de/mehr-recht