Neue Wege für Gründer Fragen und Antworten zu Online-Vergleichsportalen

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Brauchten Betriebe Geld, blieb oft nur der Gang zur ­Hausbank. Das ändert sich jetzt: Online-Vergleichsportale mischen die Bankenszene auf. Wie Handwerker die neuen Angebote richtig nutzen.

„Die Alternativen im Kreditmarkt eröffnen Handwerkern plötzlich neue Chancen.“ Volker Hauck, ­ Inhaber eines Heizungs- und Sanitärbetriebs in Ludwigshafen. - © Tim Wegner

Das Kreditgeschäft verändert sich. Schon seit einigen Jahren, so Carl-Dietrich Sander, stellvertretender Vorsitzender des KMU-Beraterverbandes und Spezialist für Finanzierungen im Mittelstand, organisieren Online-Unternehmen das Kreditgeschäft für das Handwerk neu. Er ist überzeugt: Die Bedeutung der Online-Portale wird künftig steigen. „Richtig genutzt, können sie für kleinere Betriebe hilfreich sein“, sagt Sander.

Kredite über Online-Plattformen

Marktforscher unterstützen Sanders These: In den kommenden fünf Jahren werden sich immer mehr Mittelständler über Online-Plattformen Kredite besorgen statt über ihre Hausbanken, zeigt eine aktuelle Studie des Statistik-Portals Statista. Der Trend zum „Crowdlending“ setzt die etablierten Banken damit unter Druck.

Allerdings stecken die Kreditportale in Deutschland noch in den Kinderschuhen. 2015 betrug das Volumen für Online-Businesskredite in Deutschland gerade mal 16 Millionen Euro. Zum Vergleich: In den USA lag das Volumen 2015 voraussichtlich bei 6,4 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2020 wird das Volumen von B2B-Kreditportalen in Deutschland jährlich um 274 Prozent wachsen, schätzen die Experten von Statista, ausgehend von einem aktuell sehr niedrigen Wert.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll das Transaktionsvolumen über Kreditplattformen in Deutschland auf satte 11,4 Milliarden Euro steigen, schätzen die Analysten. In den USA dürfte es 2020 sogar auf etwa 57,9 Milliarden Euro klettern.

Neue Alternativen für Gründer

In Deutschland sind es derzeit zwei unterschiedliche Geschäftsideen, die den Banken jetzt Konkurrenz machen. Die eine basiert auf dem Schwarm- oder Crowd-Gedanken. Das heißt, Kreditnehmer bekommen ihr Geld nicht von einem Geldgeber wie einer Bank, sondern über Online-Plattformen. Dort investieren viele Kleininvestoren, die teilweise nur wenige hundert Euro einsetzen. Das zu finanzierende Projekt wird auf der Homepage vorgestellt, die zu zahlenden Zinsen werden dann über die Plattform ausgehandelt.

Die anderen Angreifer auf das klassische Bankengeschäft sind Vergleichs- oder Vermittlungsportale. Wie bei den Crowdplattformen erfolgt auch hier die Abwicklung des Kredites online. Nur erhalten die Kreditnehmer ihr Geld nicht von Kleinanlegern, sondern von Banken. Dazu laden Firmen ihren Kreditwunsch mit einer geführten Dateneingabe hoch. Angeschlossene Banken sehen die Daten ein und geben ein Finanzierungsangebot ab. Der Kreditnehmer vergleicht und sucht das beste Angebot heraus.

Wenig Zeit für Vergleiche

Anfangs richteten sich beide Geschäftsmodelle nur an Privatpersonen. Einer der Pioniere auf dem Gebiet der Crowdfinanzierung ist die in Berlin ansässige Smava GmbH. Das Unternehmen geht jetzt noch einen Schritt weiter und vereint beide Geschäftsmodelle. Inzwischen starten im gewerblichen Bereich auch neue Anbieter wie Lendico und das noch junge Vergleichsportal Fintura. Lendico ist seit zwei Jahren am Markt und richtet sich an etablierte, solide finanzierte Unternehmen.

Warum diese Optionen Inhabern von Handwerksbetrieben künftig das Leben erleichtern, hat laut Fintura-Chef Gernot Overbeck einen einfachen Grund: Wer sich im Handwerk selbständig macht, ist Meister in seinem Metier. Das Thema Finanzierung überlässt er seiner Hausbank. Für Vergleiche bleibt wenig Zeit. „Das bedeutet, dass sich der Unternehmer in eine große Abhängigkeit begibt“, betont Overbeck. Mit den Online-Alternativen stehen plötzlich neue Wege offen .

Mittler zwischen Handwerk und Bank

Eine Einschätzung, die Handwerksunternehmer Volker Hauck nur bestätigen kann. Hauck startete vor vier Jahren in Ludwigshafen mit einem Heizungs- und Sanitär-Betrieb in die Selbstständigkeit. Das Unternehmen wuchs unerwartet schnell – zu schnell für die Anfangsfinanzierung und die von der Hausbank eingeräumte Kontokorrent-Linie. Doch als diese nicht mehr reichte, stellten sich die Banker quer. Hauck ließ sich von Finanzcoach Daniel Habich beraten. Habich riet dem Unternehmer die Vergleichsmöglichkeiten des Online-Finanzportals Fintura zu testen. Dort sah man sich die Gesamtfinanzierung genau an und diskutierte sie mit den angeschlossenen Partnerbanken. Ebenfalls ein Service, von dem Betriebsinhaber profitieren.

Vergleichsportale wie Fintura unterstützen Handwerker auch bei der Aufbereitung der Unterlagen. Aus diesem Grund sieht Overbeck sein Unternehmen nicht als Konkurrenz zu den Banken, sondern als Partner. „Wir helfen, die Gesamtprozesskosten zu reduzieren. Davon profitieren alle.“ Für Hauck bedeutete der Einsatz: Er bekam zusätzlichen Kredit und hat seine Finanzsituation inzwischen wieder im Griff.

Ergänzung zur Hausbank

Grundsätzlich, erläutert Finanzcoach Habich, bringen die neuen Online-Alternativen kleinen Betrieben gleich mehrere Vorteile. Zum einen eine große Zeitersparnis. Statt mehrere Angebote einzuholen, reicht es, die Unterlagen einmal aufzubereiten. Zum anderen bringen sie den Unternehmer in eine deutlich bessere Verhandlungsposition gegenüber der Hausbank. Wer Alternativen hat, verhandelt ruhiger.

Handwerksbetriebe sollten die neuen Finanzierungsformen jedoch nicht als grundsätzliche Alternative betrachten, sondern als Ergänzung zur klassischen Finanzierung, betont Finanzierungscoach Habich. Denn auch bei Online-Angeboten gilt es genau hinzusehen. Wer sich verleiten lässt, aufgrund besserer Zinsen die gesamte Finanzierung über eine Großbank laufen zu lassen, weiß Habich, erlebt ein böses Erwachen. Gibt es eine Schieflage, ist man hier nur noch eine Nummer. In diesem Fall sei ein gutes Verhältnis zur Hausbank Gold wert .

Voraussetzungen für Kredit online ähnlich wie offline

Crowd-Portale verstehen sich aber nicht als Retter für angeschlagene Betriebe, wie Dominik Steinkühler, Geschäftsführer der Lendico Deutschland GmbH, klarstellt. Bevor ein Projekt online geht, so Steinkühler, werden die Unterlagen intern geprüft. Eine Hürde, die 20 Prozent der Anträge nehmen. Kreditnehmer müssen online ähnliche Voraussetzungen erfüllen wie offline. Je schlechter das Rating, umso höher werden die Zinsen. Sie starten bei 3,99 und können bis 15,99 Prozent steigen. Sind die Unterlagen komplett, dauert es 48 Stunden und das Projekt geht online.

Dass der Zeitfaktor entscheidend ist, erlebte letztes Jahres Günter Gläser, Inhaber einer Manufaktur für Lichterbögen in Deutschneudorf, Erzgebirge. Der Wareneinkauf für das Weihnachtgeschäft stand an, gleichzeitig wurde eine neue Produktionsmaschine benötigt und das Betriebsgebäude musste repariert werden. Diese finanziellen Herausforderungen über die Hausbank abzuwickeln dauerte im Weihnachtsgeschäft zu lange. Gläser stellte die Kreditanfrage von 15. 000 Euro bei Lendico ein. Die Zusage folgte zügig. Eine Woche später war der Kredit finanziert und ausgezahlt. Das Weihnachtsgeschäft war gerettet.

So gehen Sie bei einer Schwarmfinanzierung vor

Bei der Schwarmfinanzierung kommt es darauf an, die Zielgruppe emotional anzusprechen. Das kostet Zeit. Existenzgründer aus dem Handwerk sollten das Vorhaben gut vorbereiten.

1. Informationen knapp und präzise darstellen

Das Geschäftsmodell sollte übersichtlich und knapp dargestellt werden. Im Idealfall informiert die Firma parallel über das Projekt auf der eigenen Internetseite. Es kann sich positiv auswirken, wenn gleichzeitig Marketingmaßnahmen gestartet werden, die Traffic auf die eigene Website bringen. Erfahrungsgemäß treffen die Anleger ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Deshalb gilt es emotional und psychologisch geschickt sein Konzept zu vertreten, um zu überzeugen. Zahlen und Fakten zur betrieblichen Entwicklung sollten einfach und leicht verständlich präsentiert werden.

2. Über passende Plattform iformieren

Firmenchefs sollten sich vorab bei mehreren Anbietern informieren, bevor sie eine Auswahl treffen – über deren Geschäftsmodell, die Anforderungen, die Konditionen und die Zahl der Mitglieder. Hier gilt: Je größer die Community, desto besser.

Tipp: Der Unternehmer sollte sich für die richtige Wahl vom Anbieter Referenzen nennen lassen und bei den genannten Firmeninhabern nachfragen, welche Erfahrungen sie gemacht haben.

3. Rechtliche Vorgaben beachten

Es bestehen rechtliche Vorgaben, welche Informationen das Unternehmen liefern muss – abhängig von der gewählten Finanzierungsform. Experten der jeweiligen Plattform können unterstützen, ebenso ein erfahrener Unternehmens- oder Steuerberater.

4. Flyer/Video über das Projekt vorbereiten

Auch Stammkunden, Lieferanten oder Geschäftsfreunde können je nach Modell informiert werden – zum Beispiel postalisch oder per Flyer im Empfang/Geschäft. Der Unternehmer stellt ausführlich die Details seines Vorhabens vor und erläutert, welche Ziele er mit dem Projekt verfolgt. Ein Video ist bei einigen Plattformen obligatorisch, zumeist aber vorteilhaft. Wichtig ist dabei, dass es professionell konzipiert und aufgenommen wurde. Erfahrungsgemäß sollte daran nicht gespart werden.

5. Immer am Ball bleiben

Eine erfolgreiche Schwarmfinanzierung nimmt viel Zeit in Anspruch. Je nach Plattform kann es sein, dass während der Laufzeit im Netz täglich Anfragen von Anlegern gecheckt und beantwortet werden müssen. Es heißt also während der Laufzeit permanent am Ball zu bleiben. Im Zweifel wird der Firmenchef diese Aufgabe selbst übernehmen müssen, denn es wird entscheidend sein, korrekt und offen sowie zeitnah die Anliegen der Interessenten zu beantworten.

Was bieten die Online-Portale?

Daniel Habich coacht kleinere Firmen in betriebswirtschaftlichen Fragen. Vergleichs­portale stärken die Position des Kreditnehmers, sagt Habich.

Sie stehen Online-Vergleichsportalen positiv gegenüber, warum?

Der Inhaber eines kleinen Betriebes ist gegenüber der Bank in einer schwächeren Position. Er kennt zwar sein Metier, sich aber detailliert in alle Finanzierungsfragen einzuarbeiten, dazu hat er keine Zeit. Also muss er glauben, was der Banker ihm sagt.

Und der sagt nicht das Richtige?

Das will ich nicht sagen, aber es ist wohl Fakt, dass viele Banken gerade kleine Handwerksbetriebe sehr standardisiert abwickeln.

Das günstigste wird akzeptiert?

So einfach ist es nicht. Wir empfehlen, nicht alle Bankgeschäfte mit nur einem Institut abzuwickeln. Insofern bieten die Portale gute Möglichkeiten, sich breiter aufzustellen.

Machen Online-Portale die Hausbank überflüssig?

Nein, aber sie sind eine gute Ergänzung. Vielleicht stellt sich ja heraus, dass die eigene Bank die besten Konditionen hat und die langjährigen guten Beziehungen sind dem Unternehmer wichtiger. Der Vergleich stärkt aber die Verhandlungsposition erheblich.