Flexibilisierung: Tarifverträge weiter bindend

Handwerker wollen sich ihre Bedingungen nicht immer diktieren lassen. Ein aktuelles Urteil bremst sie jedoch.

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    Starre Regeln sind Arbeitgebern im Handwerk ein Graus. Vor allem kleine Betriebe leiden.
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    Rückläufiger Trend: Nur noch 50 Prozent der Arbeitnehmer unterliegen aktuellen Branchentarifverträgen.

Handwerksbetriebe können nicht ohne Weiteres aus der Tarifbindung für ihre Branche aussteigen: Das wollte die Goslarer Innung für Sanitär- und Heizungstechnik für ihre angeschlossenen Unternehmen erreichen. Die Innung bekam aber vom Verwaltungsgericht Braunschweig eine Abfuhr (Az. 1 A 58 / 13). Die Betriebe der ­Innung müssen sich auch weiterhin an ihren Tarifvertrag halten. Der Konflikt entstand zwischen der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade und der Goslarer Innung. Die Kammer hatte die neue Satzung der Innung nicht genehmigt, die ihren Mitgliedern auch sogenannte OT-Mitgliedschaften ohne Tarifbindung erlauben sollte. Das verstößt laut Gericht gegen die Handwerksordnung (HWO), berichtet Obermeister Frank Haase gegenüber handwerk magazin. Die Tarifbindung ist in Deutschland aber rückläufig. Generell unterliegen nur noch rund 50 Prozent aller bundesdeutschen Arbeitnehmer einem Branchentarifvertrag. Vor 20 Jahren waren es im Westen noch 70 Prozent, im Osten immerhin 56 Prozent (siehe Grafik links).

Freie Entscheidungen treffen

Der Grund für diesen Rückgang bei der Tarifbindung liegt auf der Hand: „Immer mehr Betriebe, vor allem im Osten und Süden des Landes, wollen tarifungebunden und somit frei in ihrer Entscheidung sein“, sagt Jürgen Petzold, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Vogtland. „Viele Unternehmen orientieren sich zwar gerne an den Tarifverträgen, kleinere Betriebe tun sich aber schwer, das gesamte Tarifwerk zu unterschreiben“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT), Oskar Vogel.Dennoch halten sein Verband wie auch der ­Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin am Tarifprinzip fest: „Wir müssen den Chefs im Handwerk nur die Angst nehmen und die Tarifverträge praxisnäher gestalten.“ Woran die Goslarer Innung bislang gescheitert ist, hat andernorts längst geklappt. Vorbild ist beispielsweise das Zwei-Verbände-Modell in Bayern: Dort hat der Metallverband VBM mit „bayme“ einen Extra-Verein für Mitglieder ohne Tarifbindung gegründet. Das geht grundsätzlich auch im Handwerk, wenn ­Innungen ihre Tariffähigkeit an die Landesinnungsverbände weitergeben und diese ebenfalls einen Verein ohne Tarifbindung gründen. Der für die Goslarer Innung zuständige Fachverband hat dies aber abgelehnt.

Vereinbarungen schrecken ab

Den Tarifaussteigern im Handwerk geht es dabei nicht um „Dumpinglöhne“, wie die Gewerkschaften behaupten. „Wer qualifizierte Leute sucht, muss in Großstädten wie Dresden oder Leipzig anständige Löhne bezahlen, sonst bekommt er keine Mitarbeiter“, sagt Petzold.

Vielmehr seien es die vielen Regelungen in den Tarifverträgen, die laut Uwe Zinkler gerade kleinere Betriebe abschrecken. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Süd-Ost-Niedersachsen nennt vier Beispiele: „Dazu gehören: Kündigungsverbot für Mitarbeiter, die länger als zehn Jahre im Betrieb und mindestens 55 Jahre alt sind. Allzu starre Arbeitszeitvorschriften. Unangemessene Erschwerniszulagen oder in bestimmten Fällen Bezahlung trotz Arbeitsverhinderung.“ Deshalb hat er mit der Goslarer Innung jetzt auch Berufung gegen das Braunschweiger Urteil eingelegt und ist für den positiven Ausgang zuversichtlich.