Stipendien Finanzspritzen für Wissensdurstige

Das Handwerk bietet viele berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Oft bleiben sie aus finanziellen Gründen ungenutzt. Mit einem Stipendium können Handwerker ihre Ziele verwirklichen.

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    Christian Schulte, Tischler und Denkmaltechniker, bildete sich mithilfe eines Stipendiums in Italien weiter.
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    Die Grafik zeigt das Ergebnis einer Umfrage unter Studenten zur Gerechtigkeit bei der Vergabe von Stipendien.
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    In Italien lernte Christian Schulte überlieferte Verfahren zur Oberflächenbearbeitung von Möbeln.

Finanzspritzen für Wissensdurstige

Wann bekommt man schon die Gelegenheit, dem Markusdom in Venedig aufs Dach zu steigen? Wo hat man als deutscher Handwerker die Chance, sich mit einem Steinmetz aus Australien, einem Intarsienschnitzer aus Österreich und einer Wandmalerin von den Philippinen über historische Techniken auszutauschen? Mehr noch: sich unter Anleitung der anderen auch einmal in deren Feldern zu versuchen?

Wenn Christian Schulte, Mitinhaber der Firma Mühlenhof Restaurierungen im westfälischen Lichtenau, gefragt wird, was ihm das Stipendium für einen dreimonatigen Lehrgang für Denkmalpfleger im italienischen Thiene gebracht hat, kommt der 36-Jährige aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Neben einzigartigen Erfahrungen und wertvollen Kontakten habe er zum Beispiel auch eine „Liste mit Materialien für überlieferte Verfahren zur Oberflächenbehandlung“ mit nach Hause genommen, setzt er seine Aufzählung fort, „ich konnte mein Englisch auffrischen, weil es die Lehrgangssprache war, und die baulichen Schätze zwischen Venezien und der Toskana ausgiebig erkunden“.

In Deutschland gibt es etwa 2200 Förderer für Aus- und Weiterbildungen. Zu den bekanntesten zählen die zwölf großen öffentlich-rechtlichen Studienförderwerke, neben den bekannten partei-, kirchen- und organisationsnahen Stiftungen auch die jüngst für die Vergabe des Deutschlandstipendiums geschaffene „Studienstiftung des deutschen Volkes“. Viele vergeben Stipendien, die auch für Handwerker in Frage kommen (siehe auch Übersicht auf Seite 20).

Chance von eins zu drei

Seit 1985 vergibt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) alljährlich Stipendien für einen dreimonatigen Intensivlehrgang am Europäischen Zentrum für die Berufe in der Denkmalpflege. Das vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Stipendium deckt für die deutschen Teilnehmer neben Unterrichtsgebühren „auch die Kosten für Materialien, für An- und Abreise und Unterkunft ab“, erläutert Nicoline-Maria Bauers vom ZDH, „darüber hinaus wird eine pauschale Beihilfe zu Kosten für Versicherungen, Miete und so weiter von bis zu 200 Euro pro Monat gezahlt“. Alljährlich im Frühjahr bewerben sich nach Bauers Worten etwa 30 bis 60 Handwerker für das Programm. Zehn bis 20 von ihnen können dann jeweils im September die Reise nach Italien antreten.

Eine Chance von eins zu drei. „Das entspricht ungefähr den durchschnittlichen Erfolgsaussichten von Stipendienbewerbungen in Deutschland“, lässt Max-Alexander Borreck, Mitautor des Ratgebers „Der Weg zum Stipendium“, Unbedarfte staunen. Die meisten Menschen unterschätzten die Chancen auf eine solche Bildungsförderung, bedauert der Betriebswirt, der sich sein Studium sowie zwei Auslandsaufenthalte auf diesem Wege finanziert hat und heute selbst Stiftungen unterstützt. „Drei Viertel der deutschen Studenten bewerben sich erst gar nicht um ein Stipendium, obwohl die meisten von ihnen über Geldmangel klagen“, zitiert er staunend eine Allensbach-Studie aus dem Jahr 2009, „dabei ist die Auswahl viel größer, als die meisten ahnen“.

Regional oder fachspezifisch

„Auch viele Unternehmen, Vereine, öffentliche Institutionen und Privatpersonen betätigen sich als Stifter“, erklärt Jan Bruckmann, Mitautor des vom Karrierenetzwerk Squeaker.net herausgegebenen Stipendienratgebers. Gefördert werde je nach Satzung beispielsweise regional, wie etwa durch Einrichtungen der Bundesländer, aber auch wahlweise studienfachspezifisch, projekt- oder zielgruppenorientiert. „Der Fantasie der Stifter sind fast keine Grenzen gesetzt“, konstatiert Bruckmann. Programme für Frauen oder Studenten privater Hochschulen ließen sich ebenso finden wie Unterstützungsangebote für Auslandssemester oder benachteiligte Jugendliche.

Bruckmann rät zur detaillierten Recherche, bei der können einschlägige Suchmaschinen im Internet helfen (siehe Online exklusiv). Allerdings haben manche von ihnen Handwerker und andere bildungshungrige Quereinsteiger noch gar nicht auf dem Radar. So bietet der Stipendienfinder mystipendium.de bei der Abfrage des aktuellen Status nur die Auswahlmöglichkeiten „Schüler“, „Student“ oder „Doktorand“. Dabei gibt es zunehmend auch Förderungen für Studierwillige mit Berufsabschluss ohne Abitur. Beispielhaft dafür stehen das Weiterbildungs- und das Aufstiegsstipendium.

Als Handwerker an die Uni

Marcel Gaube wurde durch Recherchen im Internet auf diese von der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SSB) unterbreiteten Angebote aufmerksam. Nach seiner Ausbildung zum Kfz-Elektriker, die er als einer der Besten abgeschlossen hatte, beantragte er für die anschließende Qualifizierung zum Kfz-Techniker-Meister zunächst das Weiterbildungsstipendium - mit Erfolg. „Pro Jahr hatte ich dadurch jeweils 1700 Euro zusätzlich für die Fortbildung zur Verfügung“, erinnert sich der heute 30-Jährige mit Freude. Seit 2012 beträgt die Fördersumme sogar 2000 Euro pro Jahr.

Diese positive Erfahrung ermutigte ihn, sich vor Antritt seines 2009 begonnenen Ingenieurstudiums an der Hochschule Zwickau um das ein Jahr zuvor gestartete Aufstiegsstipendium zu bewerben. „Dieses Programm wurde entwickelt, um Berufserfahrene mit besonderer Qualifikation bei ihrem Hochschul-Erststudium zu unterstützen“, erklärt Andreas van Nahl, Pressesprecher der SBB: „Seit 2008 haben wir über 1000 Stipendiaten aufgenommen.“

Die Förderung umfasst neben einer ideellen Unterstützung durch ein Stipendiaten-Netzwerk eine finanzielle Unterstützung von jährlich 2000 Euro für berufsbegleitend Studierende beziehungsweise 670 Euro monatlich zuzüglich 80 Euro Büchergeld für Vollzeitstudenten.

Für Marcel Gaube, der vor seinem Studium ein Jahr als stellvertretender Werkstattmeister in einem Autohaus gearbeitet hatte, bedeutete der Wechsel an die Hochschule dennoch einen herben finanziellen Einschnitt. „Ein Auto konnte ich mir nicht mehr leisten“, räumt er ein. Dennoch habe ihm das Stipendium eine vergleichsweise gute Ausgangsposition verschafft. „Im Gegensatz zu BAföG-Empfängern muss ich später nichts zurückzahlen“, verrät er. ◇

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Tipps für die systematische Suche nach einem Stipendium unter:handwerk-magazin.de/10_2012

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