Technologie-Monitoring Faserverbundwerkstoffe (FVW) werden Standard

Zugehörige Themenseiten:
Ausbildung, Baustoffe, Werkzeug und Maschinen und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Das Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik (HPI) in Hannover analysierte die Bedeutung und Perspektiven von Faserverbundwerkstoffen (FVW) für die Gewerke des Handwerks. Es untersuchte außerdem, wie stark das Thema im Handwerk bereits angekommen ist und wie sich Qualifikationen, Berufsausbildung und Weiterbildung weiterentwickeln müssen.

Carbonbeton.
Carbonbeton: Leicht und dauerhaft bauen. Statt von korrodierender Stahlarmierung wird Carbonbeton von Carbonfasern (Fasern aus Kohlenstoff) stabilisiert. Der Beton wird nicht ma­rode, das Material ist stabil und leicht. So entstehen Wände von nur drei Zentimetern Dicke. - © R. Thyroff/wikipedia
 HPI,  Hannover
HPI, Hannover - © HPI, Hannover

Faserverbundwerkstoffe bestehen aus mindestens zwei verschiedenen Materialien, welche sich, wie nachfolgend dargestellt, entsprechend ihrer Funktion zu Fasern oder der Matrix zuordnen lassen.

Funktionsprinzip und technische Verfahren

Unter einer Matrix ist ein Grundwerkstoff zu verstehen, welcher durch Einbettung von Verstärkungsmaterialien zu einem formstabilen Bauteil wird. Aufgaben der Matrix sind: Kräfte in die Fasern einzuleiten, Kräfte von Faser zu Faser überzuleiten, die geometrische Lage der Fasern und die äußere Bauteilgestalt zu sichern sowie die Faser vor Umgebungseinflüssen zu schützen.

Die Fasern übertragen die Lasten und bilden die Verstärkungskomponente. Es existiert eine Vielzahl an verschiedenen Verstärkungsfasern mit unterschiedlichen mechanischen und chemischen Eigenschaften. Relevante Faserarten sind Glasfaser, Aramidfaser, Naturfaser, Keramikfaser, Basaltfaser, Kohlenstofffaser, Polyethylen, und Stahl-, Metallfasern .

Zum dauerhaften Verbinden der Faser und der Matrix werden verschiedene Verfahren angewendet:

Faserverbundwerkstoffe FVW Funktionsweise
Faserverbundwerkstoffe (FVW): Die Funktionsweise - © HPI, Hannover
  • Das Handlaminierverfahren wird für Prototypen und Kleinstserien angewendet. Durch schichtweises Auftragen von Halbzeugen und Matrix entsteht das Faserverbundbauteil.
  • Das Wickelverfahren eignet sich vorwiegend zur Herstellung von rotationssymetrischen Körpern. Die endlosen Fasern werden mit Hilfe einer Wickelmaschine in der Matrix getränkt und anschließend um einen formgebenden Kern gewickelt. Anschließend wird der Kern dem Bauteil entnommen.
  • Beim Autoklavverfahren wird durch eine Kombination von Überdruck und Temperatur sowie gegebenenfalls erzeugtem Vakuum eine besonders gute Verdichtung des Bauteils erreicht.
  • Das Faserspritzverfahren ist eine Weiterentwicklung der Handlaminiertechnik und wird häufig für Großbauteile verwendet. Es werden Endlosfasern auf die gewünschte Länge geschnitten und zusammen mit der Matrix sowie einem Härter mit einer Faserspritzpistole in die gewünschte Form gebracht. Die Fasern liegen ohne räumliche Ausrichtung in der Matrix und erreichen nur geringere Festigkeiten und Steifigkeiten.
  • Beim Injektionsverfahren werden textile Halbzeuge in die Form eines Werkzeuges gelegt. Nach dem Verschließen des Werkzeuges wird ein Gemisch aus Harz, Härter und evtl. einem Katalysator unter Druck in die Form injiziert und meist unter erhöhter Temperatur ausgehärtet.

Anwendungsgebiete und betroffene Berufe

Beim Einsatz von Faserverbundwerkstoffen (FVW) im Rahmen handwerklicher Tätigkeiten spielt die Art der Ver- und Bearbeitung eine zentrale Rolle. Die mechanische Bearbeitbarkeit von Faserverbundwerkstoffen wird wesentlich durch die individuellen Eigenschaften der verwendeten Faserarten sowie ihrer Anordnung innerhalb der Matrix bestimmt und ist ausschlaggebend für die Verfahrens- und Werkzeugauswahl. Da sich der Aufbau, die Geometrie sowie die Anforderungen an die jeweiligen Bauteile aus FVW in den verschiedenen Berufen stark voneinander unterscheiden können, sind selbst bei gleichen Bearbeitungsverfahren teilweise unterschiedliche Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig.

Nachfolgend sind die als relevant identifizierten Handwerksberufe sowie Beispiele für Anwendungsgebiete aufgeführt.

  • Beton- und StahlbetonbauerIn: Verarbeitung von Stahlfaserbeton für Bodenplatten
  • Orthopädietechnik-MechanikerIn
  • BootsbauerIn: Verarbeitung im Bereich des Bootsrumpfes, Aufbauten und im Schiffsinterieur
  • Technische/r ModellbauerIn
  • ChirurgiemechanikerIn
  • TischlerIn
  • FahrzeuglackiererIn: Oberflächenbehandlung und Instandsetzung
  • Wärme-, Kälte- und SchallschutzisoliererIn
  • Karosserie- und FahrzeugbaumechanikerIn
  • KraftfahrzeugmechanikerIn
  • Zimmerin/Zimmerer
  • OrthopädieschuhmacherIn: Herstellung vin Orthesen
  • ZweiradmechatronikerIn
Faserverbundwerkstoffe Marktdurchdringung
Faserverbundwerkstoffe (FVW): Die Marktdurchdringung - © HPI, Hannover

Durchdringungsgrad der Technologie

Die Ergebnisse einer Befragung von zwölf Verbänden und Institutionen zur Marktdurchdringung von Faserverbundwerkstoffen (durchgeführt im Jahr 2017) ist in der Abbildung links dargestellt. Hierbei wurde die Marktdurchdringung als „Anteil der Betriebe, die Faserverbundwerkstoffe ver-/bearbeiten“ definiert.

In den Betrieben des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik und des deutschen Boots- und Schiffbauerverbandes ist die Marktdurchdringung besonders hoch. Faserverbundwerkstoffe sind in den betroffenen Gewerken bereits etabliert und werden schon seit Jahrzehnten eingesetzt. Über 90 % der Betriebe des deutschen Boots- und Schiffbauerverbandes ver-/bearbeiten Faserverbundwerkstoffe. Die Hälfte der befragten Verbände und Institutionen schätzt die Markdurchdringung für die von ihnen vertretenen Berufe als eher gering ein.

Wettbewerbsfähigkeit und Qualifizierungsbedarfe

In welchem Umfang bestimmte Gewerke von der Herstellung und/oder Verarbeitung von FVW betroffen sind, ist in der Tabelle als relevant identifizierte Berufe dargestellt. Hierbei wurde die Betroffenheit als „Relevanz“, d.h. die „Notwendigkeit der Anwendung von FVW, um keine Wettbewerbsnachteile zu erhalten“ definiert. Befragt wurden hierzu wieder zwölf Verbände und Institutionen. Die Betroffenheit wurde mit hoch (++), durchschnittlich (+) oder gering (o) bewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Betroffenheit für die Berufe BootsbauerIn, Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikerin, OrthopädieschuhmacherIn, Orthopädietechnik-MechanikerIn sowie Technische/r ModellbauerIn als hoch bewertet wird. Dies deckt sich mit der zuvor ermittelten durchschnittlich bis sehr hohen Marktrelevanz.

Faserverbundwerkstoffe_Qualifizierungsangebot
Faserverbundwerkstoffe (FVW): Das Qualifizierungsangebot - © HPI, Hannover
Um das Qualifizierungsangebot im Bereich FVW zu ermitteln, wurde eine formale Analyse der Lehrinhalte durchgeführt und in zwei Stufen differenziert:
  1. Die Technologie wird explizit in den Lehrplänen genannt oder das technologische Umfeld, in dem diese Technologie angesiedelt ist, ist Bestandteil der Ausbildung.
  2. Die Technologie bzw. das technologische Umfeld, in dem diese Technologie angesiedelt ist, ist kein Bestandteil der Ausbildung.

Die Analyse der Lehrpläne und Ausbildungsordnungen zeigt, dass das Thema FVW für viele Berufe bereits explizit in den Lehrplänen genannt wird oder das technologische Umfeld, in dem diese Technologie angesiedelt ist, Bestandteil der Ausbildung ist. Für 39 % der betrachteten Berufe wird das Thema FVW sowohl im Rahmen der betrieblichen und schulischen Ausbildung als auch Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) behandelt. Für weitere 15 % im Rahmen der betrieblichen und schulischen Ausbildung. Bei 46 % der in Tabelle 2 dargestellten Berufe wird das Thema FVW bzw. das technologische Umfeld nicht im Rahmen der Ausbildung berücksichtigt.

Faserverbundwerkstoffe_Delta-Betroffenheit-Qualifizierungsangebot
Faserverbundwerkstoffe (FVW): Das Delta aus Betroffenheit für die jeweilige Branche und das entsprechende Qualifizierungsangebot. - © HPI, Hannover

Um einen Qualifizierungsbedarf, basierend auf der Bedeutung der Technologie für die künftige Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens (= Betroffenheit) und dem bereits bestehenden Qualifizierungsangebot, ermitteln und quantifizieren zu können, wurde eine Delta-Analyse zwischen Betroffenheit und Qualifizierungsangebot in der Gesellinnen- und Gesellenausbildung durchgeführt. Diese Delta-Analyse legt die Notwendigkeit und damit den Bedarf einer zusätzlichen Qualifizierung in den jeweiligen Technologien und Berufen offen. Die Ergebnisse reichen dabei von „Kein Delta“ (= kein zusätzlicher Bedarf) bis „Hohes Delta“ (= hoher Bedarf).

Die Analyse verdeutlicht, dass für 54 % der betrachteten Berufe kein Bedarf an zusätzlichen Qualifizierungsangeboten besteht.

Für die Berufe Beton- und StahlbetonbauerIn, ChirurgiemechanikerIn, FahrzeuglackiererIn, Wärme-, Kälte- und SchallschutzisoliererIn sowie Zimmerin/Zimmerer hat sich ein hohes Delta und damit ein Bedarf an weiteren Qualifizierungsangeboten ergeben. Bei allen fünf Berufen steht der über die Befragung der zuständigen Verbände und Institutionen ermittelten durchschnittlichen Betroffenheit ein nicht vorhandenes Qualifizierungsangebot entgegen.

Faserverbundwerkstoffe (FVW): Die Veranstaltungen der Handwerkskammern. - © HPI, Hannover

Veranstaltungen an den Handwerkskammern

Zum Zeitpunkt der Recherche (08/2018) gab es insgesamt vier Veranstaltungen, angeboten von zwei Handwerkskammern. Diese Angebote lassen sich je zur Hälfte in Qualifizierungs- und Informationsveranstaltungen einordnen. Neben den Veranstaltungen an den Handwerkskammern gibt es im Bereich der Berufsausbildung z.B. VerfahrensmechanikerIn für Kunststoff- und Kautschuktechnik mit der Fachrichtung Faserverbundtechnologie. Weiterhin gibt es zahlreiche Studiengänge mit dem Themeninhalt Faserverbundwerkstoffe wie z.B. WirtschaftsingenieurIn – Wahlschwerpunkt Faserverbundtechnologie, Verbundwerkstoffe/Composites, Leichtbau oder Anwendungstechniker für Leichtbau.

Fazit

Beim Einsatz von FVW im Rahmen handwerklicher Tätigkeiten spielt die Art der Ver- und Bearbeitung eine zentrale Rolle: Aufbau, Geometrie sowie die Anforderungen an die jeweiligen Bauteile aus FVW in den verschiedenen Berufen können stark voneinander variieren. Dies geht mit einer Vielzahl von erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten einher. Die Marktdurchdringung, d.h. der Anteil der Betriebe, die Faserverbundwerkstoffe ver- oder bearbeiten, unterscheidet sich für die betrachteten Berufe zum Teil sehr stark voneinander. Die Relevanz (= Betroffenheit) der Technologie FVW für die unterschiedlichen Berufe reicht von gering (KraftfahrzeugmechatronikerIn, TischlerIn und ZweiradmechatronikerIn) bis hin zu hoch (BootsbauerIn, Karosserie- und FahrzeugbaumechanikerIn, OrthopädieschuhmacherIn und Orthopädietechnik-MechanikerIn sowie Technische/r ModellbauerIn).

Eine Delta-Analyse zwischen Betroffenheit und bestehendem Qualifizierungsangebot im Rahmen der Ausbildung hat verdeutlicht, dass für 54 % der betrachteten Berufe kein Bedarf an zusätzlichen Angeboten besteht. Lediglich für die folgenden Berufe hat sich ein hohes Delta und damit ein Bedarf an weiteren Qualifizierungsangeboten im Rahmen der Ausbildung ergeben: Beton- und StahlbetonbauerIn, ChirurgiemechanikerIn, FahrzeuglackiererIn, Wärme-, Kälte- und SchallschutzisoliererIn sowie Zimmerin/Zimmerer.

.

.

Zukunftstechnologie: Ermittlung des Qualifikationsbedarfs im Handwerk
Relevante Zukunftstechnologie: Ermittlung des Qualifikationsbedarfs im Handwerk

Methodik

Die kontinuierliche Technologiebeobachtung des Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover ( HPI) (https://hpi-hannover.de ) hat die Aufgabe, die für die handwerkliche Leistungserbringung relevanten (technologischen) Innovationen frühzeitig zu erkennen. Mittels Qualifikationsmonitoring ist zu prüfen, ob die bestehenden technischen Qualifizierungen im Handwerk die aus dem Umgang mit Innovationen entstehenden Anforderungen abdecken. Hierfür beobachtet die Zentrale Leitstelle für Technologietransfer im Handwerk (ZLS) aus betrieblicher Sicht, welche technologischen Neuerungen und Innovationen relevant für den Erhalt künftiger Wettbewerbsfähigkeit sind. Das HPI analysiert aus berufs-qualifikatorischer Sicht, welche Qualifikationsanforderungen sich aus technologischen Neuerungen ergeben.

Die ZLS stützt sich für die technologische Bewertung aus betrieblicher Sicht auf das Netzwerk der Beauftragten für Innovation und Technologie (BIT) und bezieht damit die betriebliche Perspektive mit ein. Neben der formalen Analyse von Qualifikationsbedarfen und vorhandenen Bildungsangeboten basiert das Qualifikationsmonitoring des HPI insbesondere auf Informationen aus der Fachverbandsebene, wissenschaftlichen Netzwerken und der gewerblich-technischen Berufsbildung.

Literatur

  • BWH-Bückner Kunststoffe GmbH & Co.KG (2017) Faserspritzen. http://www.buecker-kunststoffe.de/fertigungsverfahren_faserspritzen.php (abgerufen am: 01.02.17).DLR (2015)
  • Studie: Wirtschaftsperspektive CFK-Leichtbau Niedersachsen. DIIM, Braunschweig & KölnEhrenstein, G (2006)
  • Faserverbund-Kunstoffe. Werkstoffe – Verarbeitung – Eigenschaften. Hanser, München.Neitzel, M (2014)
  • Handbuch Verbundwerkstoffe - Werkstoffe, Verarbeitung, Anwendung. Hanser, München.

.

.