Familienfreundlichkeit im Handwerk: Passende Jobs für Eltern

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Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle und Elternzeit

Wer seinen Mitarbeitern hilft, Job und Privatleben besser zu vereinbaren, hat gute Chancen im Kampf um die Fachkräfte. Eine aktuelle Studie zeigt, was bei jungen Mitarbeitern wirklich zählt. Wie Markus Temming in seinem Augenoptikerbetrieb familienfreundliche Arbeitsbedingungen umsetzt.

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    Markus Temming (Gütersloh) legt in seinem Betrieb großen Wert auf die Vereinbarkeit von Job und Familie.
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    Je Größer das Unternehmen, desto häufiger gibt es Teilzeitarbeitsplätze im Handwerk.
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    „Die positive Mundpropaganda durch die Mitarbeiter kommt auch dem Betrieb zugute.“ Bernadett Thomas, ­Generalmanagerin und rechte Hand von Firmenchef Markus Temming.
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    Bernadett Thomas kann sich auch während der Arbeitszeit um den Nachwuchs kümmern.
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    Im Bereich Bau und Aus­bau sind Teilzeitangebote noch „ausbaufähig“.
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    „Maßnahmen für die Familie verbessern das Image, das honorieren auch die Kunden.“ Markus Glasl, ­ Autor einer Studie zur Familienfreundlichkeit im Handwerk beim Ludwig Fröhler Institut.

Passende Jobs für Eltern bieten

Von zu Hause arbeiten, die Kinder mit in den Betrieb bringen und die Arbeitszeiten flexibel gestalten – mit ihren vielfältigen Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie liegt die Markus Temming GmbH in Gütersloh voll im Trend. Der Hersteller von Designbrillen und Augenoptikbetrieb wird innerhalb des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“, das das Familienministerium zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft und dem Gewerkschaftsbund aufgelegt hat, als Beispiel für familienfreundliches Handwerk geführt. Aktuell arbeitet die Geschäftsleitung daran, den Beschäftigten Belegplätze für ihre Kinder in einer Betreuungseinrichtung anzubieten. Um den unterschiedlichen Wünschen jedes Einzelnen gerecht zu werden, gibt es zudem zahlreiche individuelle Lösungen: „Wir handeln nach dem Motto ,Geht nicht, gibt’s nicht‘“, sagt Generalmanagerin Bernadett Thomas.

Gesellschaftliche Verantwortung

Wie viele Unternehmen hat auch Temming erkannt, dass zu einer gesunden und leistungsfördernden Arbeitsatmosphäre natürlich auch das soziale Wohlbefinden zählt. Unter dem Stichwort „Corporate Social Responsibility“ setzen die Unternehmen deshalb verstärkt darauf, ihrer unternehmerischen Verantwortung in der Gesellschaft gerecht zu werden. Dazu gehört auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die laut Umfrage vom „Institut der Deutschen Wirtschaft“ in Köln von fast 99 Prozent der deutschen Unternehmen unterstützt wird.

Erfolgsfaktor im Handwerk

Im Handwerk zählen familienfreundliche Arbeitbedingungen längst sogar zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Familienfreundlichkeit von Handwerksunternehmen“, die Markus Glasl für das Ludwig-Fröhler-Institut erstellt hat. In der Untersuchung, die im Auftrag des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks entstanden ist, geht es vor allem darum, Erkenntnisse über die Verbreitung familienfreundlicher Arbeitszeiten in Handwerksbetrieben sowie den Umsetzungsstand von Maßnahmen zur Unterstützung von Eltern zu gewinnen. Dafür wurden im vergangenen Jahr 5000 Handwerksbetriebe in den Handwerkskammerbezirken Braunschweig/Lüneburg/Stade, Erfurt, Konstanz, Lübeck und München befragt. Die Studie zeigt deutlich, dass im Handwerk ein durchaus familienfreundliches Klima herrscht.

  • Rat: Gutes Klima besser vermarkten
  • Ein familienfreundliches Betriebsklima ist in vielen Handwerksbetrieben so selbstverständlich, dass Chefs und Mitarbeiter oft gar nicht daran denken, die Vorteile nach außen zu kommunizieren. Bei der Suche nach jungen Fachkräften kann dies jedoch ein entscheidender Nachteil sein. Laut Studie des Ludwig Fröhler Instituts ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie den jungen Leuten meist wichtiger als das Geld. Nutzen Sie deshalb die Chance, Ihren Betrieb als familienfreundlicher und flexibler Arbeitgeber in ihrer Region zu positionieren. Gefragt sind dabei keine teuren Gesamtkonzepte, sondern kreative, am Bedarf der Mitarbeiter orientierte Lösungen.

Flexible Arbeitszeit als Kriterium

Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Fast alle Handwerksbetriebe (86 Prozent) bieten ihren Mitarbeitern zumindest ein familienfreundliches Arbeitszeitmodell an. Um ihren familiären Verpflichtungen besser nachkommen zu können, wünschen sich viele Eltern auch eine Reduzierung der Arbeitszeit: „Während Großbetriebe fast ausnahmslos geeignete Teilzeitmodelle anbieten können, ist dies in Kleinbetrieben nicht immer uneingeschränkt möglich“, erklärt Handwerksforscher Glasl die Abhängigkeit der Maßnahmen von der Betriebsgröße.

Große Nachfrage nach Teilzeit

Trotz allem liegt die Teilzeitquote im Handwerk laut Glasl bei 19 Prozent, jeder Fünfte ist also bereits in Teilzeit beschäftigt. Bei den Maßnahmen zur Elternförderung ist die Unterstützung des beruflichen Wiedereinstiegs durch eine phasenweise Beschäftigung in der Elternzeit (25 Prozent) sowie eine spezielle Rücksichtnahme bei betrieblichen Planungen (57 Prozent) besonders verbreitet. Doch warum ist es gerade heute für einen Betrieb so wichtig,

die Arbeitsbedingungen familienkompatibel zu gestalten? Experte Glasl bezieht dazu klar Stellung: „Nur diejenigen Betriebe werden zukünftig ihren Fachkräftebedarf decken können, die in den Augen der Arbeitnehmer attraktive Bedingungen bieten.“ In Zahlen ausgedrückt bedeute der Fachkräftemangel schon heute einen jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von mehr als 30 Milliarden Euro, die allein dem deutschen Mittelstand auf der Umsatzseite entgehen, weil zu wenig gutes Personal vorhanden ist.

Mit der Familienfreundlichkeit einher geht dabei grundsätzlich auch immer eine bessere Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Interessen, im Fachjargon „Work-Life-Balance“ genannt. Auch das ist laut Studie inzwischen nicht nur ein Faktor bei der Personalgewinnung, sondern erleichtert es den Arbeitgebern zudem, leistungsfähige Mitarbeiter im eigenen Unternehmen zu halten. So lassen sich die bei einem Mitarbeiterwechsel üblichen Such- und Einarbeitungskosten wirkungsvoll reduzieren.

Kunden honorieren Engagement

Experte Glasl weist jedoch noch auf einen weiteren Vorteil hin: „Ein Nebeneffekt familienbewusster Personalpolitik ist ein verbessertes Unternehmensimage, das honorieren viele Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung.“ Wie stark dieser Effekt sein kann, zeigen die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsstudie von Serviceplan in München. So haben die Marketingexperten herausgefunden, dass der Trend zur Nachhaltigkeit nicht nur

eine ökologische Dimension besitzt, sondern dass es den Kunden immer stärker auch um die Beziehung der Menschen zueinander geht. Dazu gehört in der Wahrnehmung vieler Verbraucher natürlich auch, wie die Unternehmen mit ihren Mitarbeitern umgehen. Wer es hier schafft, sich bei den Kunden ein glaubwürdiges Image als fürsorglicher und verantwortungsvoller Arbeitgeber aufzubauen, wird nicht nur mit Vertrauen und einer hohen Kundenbindung belohnt. Sondern die Loyalität führt auch dazu, dass die Kunden bereit sind, für ökologisch unbedenkliche und fair hergestellte Produkte einen höheren Preis zu bezahlen. Umgekehrt werden Anbieter bei Skandalen wie dem Zusammenbruch einer Textilfabrik in Bangladesch heutzutage unmittelbar von den Kunden „abgestraft“.

Dass für ein glaubwürdiges Engagement nicht immer teure Konzepte nötig sind, zeigt das Beispiel von Temming in Gütersloh. Dort ist das Engagement für die Familie nach Aussage von Bernadett Thomas aus den Anforderungen im betriebliche Alltag entstanden: „80 Prozent der Beschäftigten bei uns sind Frauen. Viele sind in der Familienphase, sodass das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf automatisch eine große Rolle spielt.“ Denn schließlich will auch Temming nicht ständig neue Kräfte anlernen. Bislang ging das Konzept prima auf und alle Beschäftigten sind nach der Elternzeit wieder in den Betrieb zurückgekommen.

Positives Image in der Region

Natürlich, so Bernadett Thomas, ist es nicht immer leicht, die Familienfreundlichkeit in die Abläufe zu integrieren. Schließlich gebe es in der Produktion harte Deadlines, und in der Urlaubszeit, wenn weniger Kollegen da seien, sei das alleine schon eine große Herausforderung für die Planung. Diese Engpässe fangen bei Temming in der Regel die Kollegen ab, die keine Kinder haben. Da dies in der Praxis durchaus zu Diskussionen führen kann, ist es nach Erfahrung von Thomas wichtig, mit allen darüber zu sprechen, wie wichtig die Rücksichtnahme auf die familiären Belange der Kollegen für den betrieblichen Erfolg ist.

Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass Temming besonders gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bietet. Zwar steht das Thema Familienfreundlichkeit noch nicht bei allen Bewerbern an erster Stelle, spielt aber generell eine wichtige Rolle bei der Arbeitgeberwahl. „Die positive Mundpropaganda durch unsere Mitarbeiter“, freut sich die Generalmanagerin, „kommt uns zugute.“