Falsche Rügen abwehren

Gewährleistung | Gerade in der Krise schieben manche Kunden Mängel einfach nur deshalb vor, um weniger oder später zu zahlen. Gehen Sie richtig dagegen vor, ohne gute Kunden zu verprellen.

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    „Viele Kunden suchen nur nach einem Vorwand, um ihre Zahlungen stoppen zu können”, klagt Geschäftsführer Engelbert Steinle von der Abenstein Bauunternehmen GmbH + Co. KG.
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    © Hartmut Leschke
    „Viele Bauherren finanzieren ein Drittel über Mängeleinreden”, weiß Rechtsanwalt Hartmut Leschke in Potsdam.

Falsche Rügen abwehren

Schlechte Zahlungsmoral in der Wirtschaftskrise nimmt die Hinhaltetaktik vieler Kunden wieder zu. Mängelrügen sind hier ein häufiger Einwand. Es könnte ja etwas dran sein, der Handwerker muss erst einmal prüfen, und der Kunde gewinnt, ganz nach seiner Absicht, Zeit. Ein Problem, mit dem sich viele Bauunternehmer herumschlagen.

Auch deshalb wird Engelbert Steinle sofort hellhörig, wenn ein Kunde reklamiert. Der Gesellschafter und Geschäftsführer der Abenstein Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Ichenhausen, mit 20 Millionen Euro Umsatz und rund 100 Mitarbeitern weiß: Jetzt kann jeder Fehler das Unternehmen teuer zu stehen kommen. Natürlich: „Mit 95 Prozent der Bauherren regeln wir das ohne Ärger“, sagt Engelbert Steinle. Aber er kennt auch die anderen: „Die suchen regelrecht nach Mängeln, und wenn sie keinen Mangel finden, versuchen sie einen zu konstruieren.“ Sie haben nur ein Ziel, einen Vorwand, um die Zahlungen stoppen zu können.

„Es gibt einen Spruch: Der Bauherr finanziert ein Drittel über die Bank, ein Drittel aus Eigenmitteln und das letzte Drittel über Mängeleinreden“, bestätigt auch Hartmut Leschke, Baurechtler im Büro Potsdam der Kanzlei Spitzweg. Er kennt aus seiner täglichen Praxis die Tricks der vorgeschobenen Rügen.

Freilich, Mängel können am Bau nie ganz ausgeschlossen werden“, räumt Michael Frikell, Geschäftsführer der Bauinnung München, ein. Aber selbst ungeklärte Mängelvorwürfe können Un-ternehmer am Bau in große Verlegenheit bringen. Denn der Auftraggeber kann auf eine gründliche Prüfung und mindestens auf eine Nachbesserung bestehen.

Engelbert Steinle reagiert hier ganz gelassen. Zunächst einmal sucht er das Gespräch. Ist da nicht alles zu klären, schlägt er vor, gemeinsam einen Gutachter einzuschalten. „Wenn der Auftraggeber blockt, weiß ich Bescheid.“ Dann kann Engelbert Steinle ungemütlich werden, wenn er Gefahr für die Zahlungsfähigkeit des Kunden sieht. „Notfalls haben wir auch schon eine Bauhandwerkersicherungshypothek durchgesetzt.“ Mit dieser kann die Forderung des Handwerksbetriebes auf dem Grundstück des säumigen Kunden eingetragen werden. Manchmal ist dies das letzte Mittel.

Richtig reagieren

Die schnelle und richtige Reaktion ist beim Einwand von Mängelrügen wichtig. Aber Tempo ist dann nicht alles. Frikell: Wer auf Mängelvorwürfe falsch reagiert, macht alles nur noch schlimmer.

Die Bauherren haben dann oft ein zu leichtes Spiel. Leschke: „Nach der Rechtsprechung müssen sie nur ein Symptom genau benennen, das auf einen Mangel hinweist, die Ursache muss dann der Bauunternehmer selbst ermitteln.“

Der Auftraggeber kann inzwischen die doppelten Mängelbeseitigungskosten von den fälligen Zahlungen einbehalten. „Dafür braucht er nicht einmal einen Kostenvoranschlag, er kann den Betrag auch grob schätzen.“ Reinhard Lachner, stellvertretender Obermeister der Bauinnung München: „Wenn die angeblichen Mängel groß sind, kann das die Existenz des Bauunternehmers gefährden.“

Diese Situation ist in der Praxis oft schwierig. Trotzdem rät Anwalt Leschke, auf keinen Fall unbesonnen Kontra zu geben, sondern jede Mängelrüge ernst zu nehmen. „Viele lehnen ihre Einstandspflicht ohne genaue Prüfung ab.“ Folge: Das gilt als endgültige Verweigerung der Nachbesserung, damit hat der Bauherr das Recht, den Mangel auf Kosten des Bauunternehmers beseitigen zu lassen, und das kommt allemal teurer, als wenn dieser das Problem selbst gelöst hätte. Die Gefahr besteht übrigens auch, wenn der Bauherr oder sein Architekt Mitarbeiter auf der Baustelle auf angebliche Mängel hinweisen.

Mitarbeiter schulen

Bestreiten diese dann aus Überzeugung von der Qualität der eigenen Arbeit oder im Interesse ihres Arbeitgebers jeden Fehler rundheraus, kann das zum selben Ergebnis führen. Es ist also wichtig, die Mitarbeiter darin zu schulen, wie sie sich gegebenenfalls auf die Zunge beißen und den Ärger herunterschlucken. „Allerdings darf man auch nicht den Mangel vorschnell anerkennen“, warnt Innungsjurist Frikell, „denn dann gibt es meistens kein Zurück mehr.“ Die richtige Reaktion ist ein Balanceakt. Reinhard Höß, Anwalt im Büro München der Kanzlei Graf von Westphalen, gibt ein Beispiel für die richtige Formulierung: „Wir prüfen, ob es Mängel gibt, und beseitigen diese gegebenenfalls gerne.“

Das hält die Sache erst mal offen. Aber dann ist Eile angesagt, denn meist wird der Bauherr eine Frist zur Mängelbeseitigung setzen. Baurechtler Höß: „Wenn die abgelaufen ist und tatsächlich ein Mangel bestand, hat der Bauunternehmer die Chance verspielt, den Fehler selbst zu beseitigen.“ Es gibt allerdings bei gewerblichen Bauherren noch eine Möglichkeit, die Frist zu stoppen: Der Bauunternehmer kann eine Sicherheit für seinen offenen Restwerklohn fordern. Nach Paragraf 648a BGB ist das in der Regel eine Bankbürgschaft, die außer beim Bau von Einfamilienhäusern und gegenüber öffentlichen Auftraggebern gefordert werden kann.

Michael Frikell: „Bekommt er diese trotz Fristsetzung nicht, ist er berechtigt, die Nachbesserung zu verweigern.“ Obermeister Reinhard Lachner arbeitet in seinem Unternehmen systematisch daran, die möglichen Angriffspunkte für Mängelrügen durch Qualitätssicherung zu minimieren. Er setzt dabei auf das in Bayern und einigen anderen Bundesländern angebotene Zertifizierungsmodell Bauen mit Innungsqualität, „eine Art verschlankte ISO 9001“ (www.innungsqualitaet.de). Durch Mitarbeiterschulung und Ablauforganisation können die meisten Mängel vermieden werden. „Das hat die Fehlerquote bei uns deutlich gesenkt.“

Zeitnah Rechnungen stellen

Genauso wichtig wie die richtige Reaktion auf Mängelrügen und die Prävention ist die Sicherung der Zahlungen, um das Gewährleistungsrisiko unter Kont-rolle zu halten. Trotzdem tun nach Auffassung von Reinhard Höß hier viele Bauunternehmer noch zu wenig. „Sie warten mit den Abschlagsrechnungen zu lange, dadurch kommen sie unnötig stark in Vorleistung, werden durch Mängeleinbehalte verletzlicher, und das Ausfallrisiko steigt.“ Das könnten sie durch die frühzeitige Forderung nach einer Sicherheit ausbügeln, doch davor „schrecken sie zurück, sie befürchten, das Klima zu vergiften.“

Dabei hat das Forderungssicherungsgesetz die Position der Unternehmer hier deutlich verbessert. So sind auch im BGB-Werkvertrag Abschlagszahlungen unabhängig davon möglich, ob ein Teil des Auftrags bereits abgeschlossen ist. „Eine gute Möglichkeit“, findet Engelbert Steinle, „aber man muss sie nutzen. Auch wenn die Bauherren murren.“ Doch Steinle geht zumindest mit scharfen Mitteln sparsam um. So hat er in seinen 28 Jahren im Geschäft eine Bauhandwerkersicherungshypothek insgesamt nur fünfmal angedroht und zweimal eingesetzt. Immerhin: Damit hat er der Abenstein GmbH bisher größere Zahlungsausfälle ersparen können.

Thomas Münster

harald.klein@handwerk-magazin.de