Fachkräftevermittlung: Rettung aus dem Ausland

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Fachkräftemangel

Eine Umfrage von handwerk magazin zeigt: Viele Kammern haben ihre Initiativen zurückgefahren. Die Integration funktioniert vor allem bei Azubis nicht so einfach. Aber es gibt auch Erfolge.

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    © Stephan Minx
    Johannes Schöneich (li.) mit seinen spanischen Fachkräften Mario Vilanova (re.) und Antonio Perea.
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    © Chart: handwerk magazin
    In diesen Berufen haben die meisten Ausländer eine Ausbildung im Handwerk begonnen.
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    © Chart: Peter Diehl
    Die Zahl ausländischer Azubis im Handwerk geht zurück, 2013 waren es insgesamt 25 000. Die Zahl aller Azubis im Handwerk liegt bei rund 400 000.

Alles klang vielversprechend: Die Bewerbung sah gut aus, der junge Deutsche hatte Arbeitserfahrung und gute Referenzen. Johannes Schöneich, Geschäftsführer der Firma Elektro Wilhelm aus Schweinfurt in Unterfranken, lud den Mann zum Vorstellungsgespräch ein: Er brauchte dringend einen erfahrenen Kälte- und Klimatechniker. „Wir haben generell Probleme, in unserer Region gute Fachkräfte zu finden“, sagt Schöneich, es sei ein leidiges Thema. Doch der vielversprechende Kandidat kam nicht zum Vorstellungsgespräch. Schöneich rief ihn an, die Antwort kam prompt: „Ach, ich hab’ heute einfach keine Lust.“

Für den Geschäftsführer war diese Erfahrung ausschlaggebend, um sich im Ausland nach neuen Mitarbeitern umzusehen. Er engagierte die Personalberatung POD, die ihm zwei junge spanische Fachkräfte vermittelte. Seit März arbeiten die beiden Klima- und Kältetechniker nun in dem Schweinfurter Betrieb.

Initiativen verpuffen

Das Erfolgsbeispiel ist eher eine Ausnahme. In den vergangenen Jahren sind viele Initiativen, die junge Menschen und Fachkräfte aus dem Ausland für deutsche Handwerksbetriebe gewinnen sollten, ergebnislos verpufft. Darunter sind auch Bemühungen der öffentlichen Hand: Der Bund rief vor zwei Jahren das Programm „MobiPro-EU“ ins Leben und investierte dafür 140 Millionen Euro. Das Geld sollte Jugendlichen und jungen Erwachsenen Sprachkurse im Heimatland sowie Anerkennungsverfahren und Praktika in Deutschland ermöglichen. Jetzt wurde das Programm gestoppt, weil das Geld ausgegangen ist. Daneben organisierten die meisten Handwerkskammern eigene Projekte: Lehrlingstausch-Programme, Vermittlung von ausländischen Auszubildenden, Beratungen.

Das hat zu einem Flickenteppich geführt: Es gibt keine zentrale Stelle, bei der die Kräfte koordiniert werden. Niemand weiß, wo welche Projekte und Kampagnen gerade aktiv sind. „Es wäre verdienstvoll, einmal zusammenzutragen, was die einzelnen Handwerkskammern unternommen haben und was für Initiativen aktuell noch laufen“, sagt Franz Zopp vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

Ein Blick in die Statistik verrät, dass die Gewinnung von Auszubildenden insgesamt allenfalls mittelmäßig funktioniert: Die Zahl der ausländischen Auszubildenden hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. 2004 arbeiteten in Deutschland 25 816 ausländische Azubis. 2013 waren es 25 443. Wie viele ausländische Fachkräfte in handwerklichen Berufen tätig sind, wird nicht erhoben. Aber auch hier spricht nichts für einen Boom.

handwerk magazin hat alle Handwerkskammern zu ihren Initiativen und den Erfolgen befragt. Das Ergebnis: Einige Kammern betreiben weder Initiativen, um Auszubildende zu gewinnen, noch um Fachkräfte anzuwerben. Andere sind zwar aktiv, berichten aber von einer mäßigen bis enttäuschenden Erfolgsquote. Immerhin haben 30 Kammern entsprechende Projekte.

Mehr Erfolg mit Fachkräften

Insgesamt zeigt sich: Fachkräfte lassen sich deutlich häufiger langfristig an ihre deutschen Betriebe binden als Auszubildende. „Wir haben im vergangenen Jahr direkt in Spanien junge Leute für Betriebe aus unserer Region angeworben“, berichtet Detlev Michalke von der Handwerkskammer Mannheim. „Sie haben dann auch in drei Betrieben eine Ausbildung angefangen. Inzwischen ist niemand mehr da.“ Die größten Probleme: Heimatlosigkeit und Sprachbarrieren. Nach dieser Erfahrung hat die Kammer beschlossen, sich vorerst nicht mehr an Initiativen in Südeuropa zu beteiligen. „Im Moment denken wir darüber nach, junge Leute in Polen anzuwerben“, sagt Michalke.

Ähnliches berichtet Andreas Lehr von der Handwerkskammer Osnabrück. Rund 60 Auszubildende hat die Kammer angeworben, davon arbeiten lediglich noch zwei in ihren Betrieben. „Es gibt zu viele Hürden: das Wetter, die Kultur, die Mentalität. Spätestens wenn die Ausbildung beendet ist, gehen die jungen Leute danach wieder zurück“, sagt Lehr.

Passgenaue Vermittlung

Es muss nicht immer so laufen: Die positive Erfolgsbilanz etlicher Kammern und unzähliger Betriebe beweist das. Es ist durchaus möglich, die neuen Mitarbeiter auch langfristig an deutsche Unternehmen und die Region zu binden – wenn die Rahmenbedingungen stimmen und Betrieb und Mitarbeiter zusammenpassen. „Die Vermittlung nach Deutschland ist dann erfolgreich, wenn es eine ausreichende Vorbereitungszeit im Herkunftsland gibt“, sagt Frank Böttcher, Geschäftsbereichsleiter des Internationalen Personalservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). „Zudem sollten sich die Arbeitgeber in Deutschland gezielt um den neuen Mitarbeiter kümmern, auch über berufliche Fragen und Arbeitsabläufe hinaus.“

Der Geschäftsführer des Schweinfurter Betriebs Elektro Wilhelm, Johannes Schöneich, hat bei seinen zwei spanischen Mitarbeitern genau das getan: Er hat ihnen in den ersten Monaten geholfen, sich in das Team einzufinden, und sich dann nach und nach zurückgezogen. Böttcher hat beobachtet, dass sich Bewerber und Arbeitgeber enttäuscht voneinander abwenden, wenn Vorbereitungen fehlen oder der Arbeitgeber seine Erwartungen zu hoch schraubt. Seiner Ansicht nach fühlen sich die neuen Mitarbeiter dann willkommen, wenn ihr Arbeitgeber sich für sie gut sichtbar engagiert: Wenn er Sprachkurse finanziert, die auch während der Arbeitszeit möglich sind, und wenn er hilft, ein Leben in Deutschland zu beginnen.

Hilfe von Vermittlern

Diese Herausforderungen haben einige Unternehmen zum Anlass genommen, sich auf die Vermittlung europäischer Fachkräfte und Auszubildender zu spezialisieren. Einer dieser Unternehmer ist Stephan Behringer, der in Würzburg die Personalberatung POD leitet. Er wirbt in Spanien Fachkräfte an, vermittelt Deutschkurse, fachliche Schulungen und schließlich einen deutschen Arbeitgeber. Der bezahlt ein Vermittlungshonorar, wenn der neue Mitarbeiter in seinem Betrieb beginnt und eine weitere Prämie, wenn er nach einem Jahr noch für den Betrieb arbeitet. „Ich veranstalte regelmäßig Sprachkurse für etwa 80 Leute“, sagt Behringer. „Dafür sichte ich 1000 Lebensläufe.“

Seine Auswahlkriterien: Die Bewerber sollten 20 bis 40 Jahre alt sein und möglichst ungebunden. Zudem sollten sie ausschließlich in dem Beruf gearbeitet haben, den sie in Deutschland anstreben. Das Konzept geht auf: 80 Prozent der von ihm angeworbenen Fachkräfte arbeiten noch bei ihrem deutschen Betrieb, betont Behringer. Das spreche für sich.

Anlaufstellen

Betriebe können bei verschiedenen Stellen finanzielle und fachliche Unterstützung bekommen. Empfehlenswert sind folgende Kontakte.

Handwerkskammern. Viele Kammern helfen ihren Mitgliedern bei der Vermittlung eines neuen Mitarbeiters und bei bürokratischen Hindernissen wie der Berufsanerkennung, selbst wenn es keine entsprechenden Initiativen geben sollte.

Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Agentur für Arbeit (ZAV). Die ZAV unterstützt Betriebe, indem sie Fachkräfte direkt im Ausland anwirbt und an deutsche Betriebe vermittelt. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der europäischen Arbeitsverwaltungen (EURes) betreibt die ZAV ein Stellenportal, bei dem sich interessierte Arbeitgeber kostenlos registrieren können. Zudem bieten beide Organisationen Informations- und Beratungsangebote an (https://ec.europa.eu/eures/page/homepage?lang=de).

Ausländische Jobbörsen. Wer auf eigene Faust nach einem geeigneten Mitarbeiter suchen möchte, kann auch direkt in ausländischen Jobbörsen inserieren und nach dem geeigneten Mitarbeiter suchen. Ein Überblick über die verschiedenen Portale findet sich bei der Bundesagentur für Arbeit. (arbeitsagentur.de )

Personalberater. Einige haben sich auf die Gewinnung von Handwerks-Fachkräften aus dem europäischen Ausland spezialisiert. Die Erfolgsquote ist recht hoch, dafür kostet die Vermittlung: Rund 4500 Euro werden fällig, wenn der Mitarbeiter nach einem Jahr noch im Betrieb arbeitet. (personaldienstleister.net )