Export: Grenzenlose Geschäfte

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Auslandsgeschäft

Noch läuft der inländische Konjunkturmotor auf Hochtouren, doch das muss nicht so bleiben. Wer sich im Boom ein zweites Standbein im Auslandsgeschäft aufbaut, ist für Flauten künftig bestens gewappnet.

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    © Infografik: Peter Diehl
    Europas Märkte beim Handwerk begehrt: Laut Umfrage bei den Außenwirtschaftsberatern der Kammern ­konzentriert sich das Auslandsinteresse der deutschen Handwerker auf Märkte in Europa, ganz vorne in der Statistik stehen die Schweiz, Luxemburg, Österreich und Frankreich.
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    © Meyer
    „Wenn es im Inland gut läuft, sollten Chefs über neue Märkte im Ausland nachdenken.“ Andreas Meyer, ­ Experte für Außenwirtschaft bei der Handwerkskammer Potsdam.
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    © Falk Heller
    Rudolf Maierhofer erwirtschaftet mit seiner Spenglerei in Neuötting (Bayern) ein Viertel des Umsatzes im Ausland.

Eine Kathedrale in Sibirien, das Opernhaus im griechischen Thessaloniki oder die Mbulu-Kirche in Tansania – rund um den Globus hat die Spenglerei Maierhofer aus dem bayrischen Neuötting schon Dach- und Fassadenarbeiten ausgeführt. Aktuell ist der Handwerksbetrieb mit 20 Mitarbeitern vor allem in Russland tätig – in Zusammenarbeit mit einem festen Partner wurden dort etwa neue Dächer für U-Bahn-Stationen oder Privatvillen und Teile der Fassadenverkleidung des Moskauer Mercury Towers realisiert. „Wir liefern das Material und den technischen Support, der Partnerbetrieb stellt die Arbeitskräfte“, erklärt Evelyn Maierhofer, kaufmännische Leiterin und Ehefrau von Geschäftsführer Rudolf Maierhofer.

Die Vorteile des Modells: Auch bei größeren Projekten, die momentan von Sanktionen verschont geblieben sind, müssen Maierhofer und seine Mitarbeiter nicht ständig vor Ort sein. Die Projektsteuerung läuft per E-Mail oder Skype, bei Bedarf reisen technisch und sprachlich geschulte Mitarbeiter nach Russland und übernehmen die Koordination. Der Partner vor Ort erleichtert auch die Auftragsakquise, da gute Verbindungen zu Entscheidungsträgern bestehen. Dazu kommt der Preis: „Mit deutschen Fachkräften wären wir auf dem russischen Markt zu teuer“, sagt Evelyn Maierhofer.

Ausland gleicht Schwächen aus

Etwa ein Viertel des Gesamtumsatzes erzielt die Spenglerei derzeit im Ausland. Der Betrieb steht so auf mehreren Standbeinen, was Sicherheit für die Zukunft gibt: „Geht in Deutschland der Markt wieder runter, kompensiert sich das durchs Ausland und andersrum.“ Mit dieser Strategie setzt die Spenglerei um, was Außenwirtschaftsexperten derzeit empfehlen: „Über Auslandsgeschäfte sollten Betriebe nachdenken, wenn es im Inland gut läuft“, sagt Andreas Meyer, Außenwirtschaftsberater der Kammer Potsdam. So weit die Empfehlung. In der Praxis zeigt sich im Augenblick eine recht verhaltene Tendenz zum Auslandsgeschäft.

Michael Olma, Außenwirtschaftsexperte beim „Zentralverband des Deutschen Handwerks“ in Berlin, beziffert die Exportquote der Handwerksbetriebe in den letzten Jahren mit rund fünf Prozent. Laut Umfrage bei den Außenwirtschaftsberatern der Kammern ist das Interesse am Auslandsgeschäft derzeit sogar um fünf Prozent unter das Vorjahresniveau gesunken. „Die Inlandskonjunktur boomt, viele Betriebe sind hier schon komplett ausgelastet“, erklärt Berater Meyer den derzeitigen Trend.

Interesse am Export besteht daher vor allem in Branchen, in denen der heimische Markt derzeit stagniert: Anna und Peter Dyroff, Restauratoren von historischen Fliesen und Mosaiken aus Dippoldiswalde (Sachsen), nehmen diesen Herbst an einer Unternehmerreise in die Schweiz teil. „Wir wollen Kontakte zu Bauherren und Architekten knüpfen“, sagt Diplom-Mosaizistin Anna Dyroff. Damit möchten die Restauratoren an gute Erfahrungen anknüpfen, die sie bereits in Österreich und Italien gemacht haben. „Wir sind offen für Arbeiten weltweit, solange es eine gute Zusammenarbeit ist und Absprachen eingehalten werden.“

Vertrauen als Geschäftsbasis

Über Projekte der Kammern oder Initiativen zur Wirtschaftsförderung lassen sich oft erste Kontakte in den Zielmarkt knüpfen. So dient etwa das Webportal „Handwerk Norwegen“ der Auftragsanbahnung im hohen Norden. „Der Baubedarf in Norwegen ist immens“, sagt Anna Hansen, Außenwirtschaftsberaterin der Kammer Flensburg. Einmal vor Ort tätig, ergäben sich für Handwerker oft durch Mund-zu-Mund-Propaganda weitere Aufträge. Bis es so weit ist, sind aber einige Hürden zu bewältigen. Norwegen gehört – wie die Schweiz – nicht zur EU, weshalb bei der Einreise besondere Zollformalitäten für Material und Werkzeug gelten. Trotz des Aufwands rät sie gerade jetzt zum Sprung nach Norwegen: „Aktuell haben die Betriebe das Geld, hier Geschäfte aufzubauen, und stehen nicht unter Erfolgsdruck.“

Für auslandsinteressierte Unternehmer bieten Handwerks- und Auslandshandelskammern eine kostenfreie Erstberatung an. „In Ländern wie Russland sollte man etwa nur gegen hundertprozentige Vorauskasse arbeiten“, weiß Exportberater Meyer. Und sich nicht zu sehr auf Verträge verlassen: „Im Ausland ist der persönliche Kontakt oft sehr entscheidend, um nicht betrogen zu werden. Ist dieses Vertrauen nicht da, hilft auch der Vertrag nichts.“

Barbara Peinel, Leiterin der Abteilung Außenwirtschaft bei der Kammer München/Oberbayern, sieht im Auslandsgeschäft sogar einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor: „Der Export wird für das Handwerk immer wichtiger, weil in vielen Branchen die hiesigen Märkte gesättigt sind.“ Gute Chancen für Auslandsgeschäfte sieht Peinel im Bau und Ausbau, aber auch für Feinmechaniker oder Nischenanbieter. „Als Märkte werden die europäischen Länder im Fokus stehen. Doch Russland, China oder die Vereinigten Arabischen Emirate bleiben wegen ihrer großen Nachfrage interessant – sofern sich Faktoren wie Wechselkurs oder politische Rahmenbedingungen nicht verschlechtern.“

Wie schnell das passieren kann, erlebt die Spenglerei Maierhofer gerade beim Russlandgeschäft. Grund zur Panik besteht nach Aussage von Evelyn Maierhofer jedoch nicht: „Man muss von Tag zu Tag abwarten, was geschieht, aktuell kann man sich nicht mehr auf die Umsätze aus dem Russland-Geschäft verlassen.“ Noch laufe beim dortigen Regierungsauftrag alles nach Plan – und selbst wenn es nicht so bleibt, sind die Maierhofers dank ihrer vielen Standbeine im In- und Ausland gut aufgestellt.