FDP: Nicola Beer Europawahl 2019: "Ausbildung europäisch regeln"

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Europapolitik und Europawahl 2019

Die FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer will mit einer europäischen Ausbildungsagentur ein Instrument gegen Fachkräftemangel und Jugendarbeitslosigkeit schaffen.

Nicola Beer, Europa-Spitzenkandidatin der FDP
Nicola Beer, Europa-Spitzenkandidatin der FDP, Rechtsanwältin und ehemalige hessische Kultusministerin. - © Fabian Zapatka
Frau Beer, wie geht es aus Ihrer Sicht mit Europa weiter?

Das hängt vom Wahlausgang ab. Wir stehen vor einer Richtungsentscheidung. Haben wir den Mut und die Kraft dieses Europa grundlegend zu reformieren? Oder verharren wir weiter in Stagnation und lassen wir es unter den Angriffen der Populisten von rechts und links? Ich möchte Europa gerne reformieren, dass es in den großen Fragen gemeinsam auftritt und wieder ein Synonym wird für Innovation, Zukunft und Chancen.

Was muss reformiert werden?

Europa vor allem schneller entscheidungs- und handlungsfähig machen. Nicht so viel reden, sondern entscheiden und dann umsetzen. Wir diskutieren in Europa viel länger, als etwa auf kommunaler, auf Landes- oder Bundesebene. Europa muss sich auf die großen Fragen konzentrieren: Dass wir endlich eine gemeinsame Migrationspolitik bekommen, im Klima- und Umweltschutz gemeinsame Strategien vertreten, eine starke Stimme für Abrüstung, Frieden und Freiheit werden. Wir brauchen mehr Freihandel und wir müssen wieder mehr auf Wettbewerbsfähigkeit in Europa setzen.

Was fehlt Ihnen für mehr Freihandel?

Wir müssen gemeinsam auf­treten. Freihandelsabkommen sind ein wichtiger Aspekt für kleine und mittlere Unternehmen. Große Unternehmen können sich Niederlassungen auch in anderen Märkten leisten. Mittelständische Unternehmen müssen die Sicherheit haben, dass gewisse Standards gegenseitig anerkannt werden, dass sie nicht Doppelprüfungen unterzogen werden oder Mehrfachlizenzierung. Heute wäre es gut, wenn TIPP zum Abschluss gekommen wäre. Deshalb sollte auch CETA so schnell wie möglich ratifiziert werden sowie JEFTA für den asiatischen Raum. Generell sind Investitionssicherungsregeln extrem wichtig.

Viele Europapolitiker werfen uns vor, der Meisterstandard sei das Gegenteil von Freihandel.

Der Meistertitel ist eine Qualitätssicherung. Er steht für Qualität im eigenen Handwerk und in der Ausbildung. Und die duale Ausbildung steht für Qualifikation und geringe Jugendarbeitslosigkeit.

Manche sagen, wir regeln damit den Marktzugang.

Das wäre nur dann so, wenn Andere aus dem europäischen Markt dadurch daran gehindert würden, in diesen Bereich einzutreten. Aber da wir Anerkennungsmöglichkeiten auch von anderen Berufsausbildungen und beruflicher Erfahrung haben, ist es möglich – und inhaltlich wichtig –, den Meistertitel auch in Deutschland zu erhalten.

Manche halten die duale Ausbildung für einen Exportschlager.

Wir müssen für die duale Ausbildung werben, da Betriebe im EU-Ausland gewohnt sind, komplett ausgebildete Fachkräfte zu bekommen. Wir sollten mehr auf Freizügigkeit auch in der beruflichen Bildung setzen. Das Programm Erasmus plus sollte jedem Schüler die Chance geben, ins Ausland zu gehen. Gerade auch Haupt-, Real- und Berufsschüler. Dafür brauchen wir mehr Fördergelder und Instrumentarien. Damit schaffen wir auch europäisches Bewusstsein.

Muss der Europäische Qualifikationsrahmen weiterentwickelt werden?

Das kann nicht schaden. Wenn wir zwischen den Abschlüssen Bildungsfreizügigkeit herstellen und Mobilität haben möchten, müssen Zwischenleistungen anerkannt werden. Damit können wir einen europäischen Ausbildungsmarkt schaffen, der die Nachfrage deckt. Wir sollten außerdem Vermittlungsmöglichkeiten schaffen, bis hin zu einer Europäischen Ausbildungsagentur.

Ist es sinnvoll, junge Leute etwa aus Portugal zu uns zu holen?

Das wäre zum Wohle beider Seiten. Wir sollten Ausbildungsplätze auch europäisch darstellen. Die Berufsausbildung sollte auf Mehrsprachigkeit setzen. Eine Ausbildungsagentur sollte Sprachkurse finanzieren. Wir könnten einen Pool für Angebot und Nachfrage aufbauen.

Frankreich hat eine Digitalsteuer auf den Weg gebracht. Hätte sich hier keine europäische Lösung angeboten?

Damit würden wir die Steuern- und Abgabenlast in Europa nur erhöhen. Die Frage einer Digitalsteuer sollten wir im Rahmen der G20 lösen, damit unser Mittelstand nicht benachteiligt wird.

Sind Sie für Steuerharmonisierung?

Nein, es geht darum, gemeinsam faire und transparente Bemessungsgrundlagen festzulegen und zu vereinheitlichen. Dann kann man Standortqualitäten miteinander vergleichen und auf dieser Basis den Wettbewerb einzelner Steuersätze ermöglichen. Es geht um die Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen und nicht der Steuersätze.

Frau Beer, besten Dank für das Gespräch.