Euro in Gefahr

NEU. New Euro. Einen Namen für eine neue europäische Währung gäbe es schon. Falls die alte scheitert So weit ist es noch nicht. Die Regierungen in Europa arbeiten fieberhaft daran, die bisherige gemeinsame europäische Währung zu retten.

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    © Infografik: Peter Diehl; Foto: dem10- iStockphoto
    Euro-AbsturzGestartet als zweite weltweite Leitwährung neben dem US-Dollar taumelt der Euro seit der Finanzkrise 2008 auf und ab. Die gemeinsame Europawährung steht seit der Pleite Griechendlands vor ihrer härtesten Bewährungsprobe.
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    Holger Schwannecke ist Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).Worin sehen Sie die Ursachen für die Eurokrise? Mehrere Staaten innerhalb der Europäischen Währungsunion haben sich zwischenzeitlich in solchem Ausmaß verschuldet, dass das Vertrauen der Finanzmärkte in die Rückzahlbarkeit dieser Staatsschulden Schaden genommen hat.
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    Matthias Wesseling, Leiter der Dellbrück Bethmann Maffei-Bank in Köln.Ist der Euro ernsthaft in Gefahr?Der Euro ist derzeit einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt. Wir müssen uns bemühen, unsere Schuldenprobleme in Angriff zu nehmen. Das Verschieben auf eine unbestimmte Zukunft kann die Lösung nicht sein. Deutschland wird in irgendeiner Form Zahlungen leisten müssen. Sonst steht am Ende eine Rezession oder Neuordnung der Währungsunion.
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    Hans-Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln.Wird es den Euro auch in zwei Jahren noch geben?Nach meiner Einschätzung wird es den Euro auch noch 2013 und darüber hinaus geben. Die Frage ist da eher: Wird Griechenland und werden weitere Problemländer dann noch dazugehören? Das kann jedoch zur Zeit niemand beantworten.
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    Hans-Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln.Wird es den Euro auch in zwei Jahren noch geben?Nach meiner Einschätzung wird es den Euro auch noch 2013 und darüber hinaus geben. Die Frage ist da eher: Wird Griechenland und werden weitere Problemländer dann noch dazugehören? Das kann jedoch zur Zeit niemand beantworten.
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    © Chart: handwerk magazin
    Die Griechen müssen immer mehr Zinsen für ihre Kredite bezahlen typisch für einen bankrotten Staat.

Euro in Gefahr

NEU. New Euro. Einen Namen für eine neue europäische Währung gäbe es schon. Falls die alte scheitert.

So weit ist es noch nicht. Die Regierungen in Europa arbeiten fieberhaft daran, die bisherige gemeinsame europäische Währung zu retten. Der Bankrott Griechenlands droht ganz Europa mitzureißen. Hunderte von Milliarden Euro werden bewegt, um das gemeinsame Geld zu stabilisieren. Doch was taugen die Rettungsmaßnahmen? Welche Auswirkungen hat die Eurokrise auf den Mittelstand, auf das Handwerk? Und: Wird es den Euro auch in zwei Jahren noch geben. handwerk magazin hat die Lage analysiert, mit Experten gesprochen. „Frei von Sorgen um den Euro können wir nicht sein“, sagt Matthias Wesseling, Leiter der Dellbrück Bethmann Maffei-Bank aus Köln.

Existenzielle Bedrohung

Tatsächlich befindet sich der Euro in seiner schwersten womöglich existenzbedrohenden Krise seit seiner Einführung im Jahr 2002. Das gemeinsame Geld basiert auf den Vereinbarungen des Maastricht-Vertrages von 1993. Darin kommen die künftigen Euro-Länder überein, eine gemeinsame stabile Währung einzuführen. Dazu geben sie sich feste Regeln. Kein Land soll zu mehr als 60 Prozent verschuldet sein gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zudem dürfen pro Jahr nicht mehr als drei Prozent des BIP an neuen Schulden aufgenommen werden. Die Haushaltszahlen sollen die Länder freiwillig an das europäische Statistikamt Eurostat melden. Und: Jedes Land haftet für seine eigenen Verbindlichkeiten (siehe „Krise im Zeitraffer“, rechts).

Am ersten Januar 2002 wird die gemeinsame Währung über einen ziemlich ungleichen Wirtschaftsraum gestülpt. Die Industrienation Deutschland hat fortan das gleiche Zahlungsmittel wie das Agrarland Griechenland. Die Grand- Nation Frankreich teilt sich einen Zins mit einem Tourismusland Portugal.

Liegen hier die Ursachen für die Europrobleme? Schließlich hat auch das Emsland eine deutlich geringere Wirtschaftskraft als etwa Oberbayern.

Doch anders als in Deutschland gibt es in Europa keinen Länderfinanzausgleich, in dem Starke die Schwachen unterstützen. Dies war auf deutschen Wunsch übrigens ausdrücklich nicht vorgesehen. Zudem existiert keine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik, die Gesamteuropa im Blick hat. So macht jedes Land mit Krediten und Steuern so ziemlich was es will.

Inbesondere die Länder, die zuvor unter hohen Zinsen gelitten haben, wie Griechenland, Portugal oder Spanien nahmen mit der neuen Währung auch die niedrigen Zinsen dankbar an ohne dass ihre Wirtschaftskraft dem entsprochen hätte. „Mehrere Staaten innerhalb der EU haben sich in solchem Ausmaß verschuldet, dass die Finanzmärkte kaum mehr an die Rückzahlbarkeit glauben“, stellt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks fest. Bereits 2008 betrug die Verschuldungsquote Griechenlands 110 Prozent (Deutschland: 80 Prozent). Geld, welches vielfach deutsche und französische Banken geliehen hatten.

Als im gleichen Jahr die Lehmann Bank aufgrund hochspekulativer Geschäfte in den USA zusammenbrach und eine Bankenkrise auslöste, mussten die Staaten weitere Schulden machen, um ihre Kreditinstitute zu retten. „Was erst als Rettung gefeiert wurde, ist heute ein Teil des Problems“, so Wesseling.

Die Rettungspakte überforderten einige Länder. Griechenland ist k.o., Portugal, Irland, Italien zumindest angezählt. „Dass Staaten in Europa pleite gehen können, passt bisher nicht in unser Denkmuster. Wir im Handwerk sind es gewöhnt, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen. Das sollte Griechenland auch tun“, so Hans-Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer Köln. Die Experten sind sich einig, dass milliardenschwere Rettungsschirme wie der EFSF nicht der richtige Weg sind, die Probleme zu lösen (siehe „Euro-Rettung“, Seite 24) . Wesseling: „Damit werden die Probleme nur in die Zukunft geschoben.“

Diethard Simmert, Finanz-Professor an der International School of Management in Dortmund wird konkret:„Man muss Griechenland rasch entschulden. Der Staat zahlt 30 bis 40 Prozent der Summen, den Rest müssen die Gläubiger abschreiben. Sonst droht ein Fass ohne Boden. Gleichzeitig muss es ein Ankurbelungsprogramm für die Hellenen geben, damit die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Dies sollte aber in der Hand der Troika aus EU, EZB und IWF liegen.“

Wenn nicht rasch gehandelt wird, so fürchten die Experten wird diese Krise weite Kreise ziehen. „Eine Bankenkrise kommt auf jeden Fall“, so Simmert. Die belgisch-französische Großbank Dexia ist bereits pleite. Sie hatte zu viele jetzt wertlose - Staatsanleihen in ihren Büchern. Inzwischen ist sie von ihren Heimatländern mit vielen Milliarden aufgefangen worden. Wenn die Banken aber europaweit in Schieflage geraten, werden nicht nur die Staaten wieder kräftig Geld nachschießen müssen, auch die Kreditversorgung für die Unternehmen wird gefährdet. Für das Handwerk sieht Wollseifer bisher diese Gefahr nicht. „Auch wenn es nicht einfacher wird an Kapital zu kommen, so werden uns die regionalen Institute wie Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken aber weiter mit Krediten versorgen“, so der HWK-Präsident.

Neue Regeln für Europa

„Die realwirtschaftlichen Auswirkungen werden kommen so oder so. Wenn nicht eine Rezession, so doch ein deutlicher Konjunkturrückgang“, glaubt Simmert. Im Maschinenbau und im LKW-Bau sind die Auftragseingänge deutlich zurückgegangen. Scania und MAN haben bereits Produktionsschichten abgesagt. Schwannecke: „Noch ist das Handwerk nicht betroffen, die Auftragsbücher sind voll. Vieles hängt jetzt von der Politik ab. Schafft sie es, die Balance zu finden zwischen Konsolidierung und Reform auf der einen sowie Erhaltung eines nationalen Gestaltungsspielraums auf der anderen Seite, muss 2012 kein schlechtes Jahr werden.“

Doch auch Handwerksfunktionär Schwannecke ist sicher, dass es zu einem Umdenken in Europa kommen muss: „Wir brauchen eine Konsolidierung und eine Schuldenbremse in allen europäischen Ländern. Das zu realisieren ist ein Prozess, der einige Jahre in Anspruch nehmen wird.“ Eine europäische Wirtschaftsregierung sieht der Generalsekretär nicht als zwingend an. Aber: „Wichtig ist in jedem Fall ein Umdenken in der Fiskalpolitik und eine deutlich engere Abstimmung zwischen den Ländern der EU.“

Dass es auch in zwei Jahren den Euro noch geben wird, daran glauben alle Experten. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Schwannecke: „Der Euro ist auch ein Friedensstifter.“ Professor Diethard Simmert richtet den Focus auf die internationalen Finanzkräfte: „Die Chinesen brauchen den Euro. Die USA ist ein Land im Niedergang. Daher fliehen die Asiaten aus dem Dollar. Die einzige Alternative ist der Euro. Also: Die Chinesen retten unseren Euro.“

holger.externbrink@handwerk-magazin.de

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