EuGH: Witwe erbt Urlaubsausgleich ihres Mannes

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein aus Arbeitgebersicht teures Urteil gesprochen. Die Erben erhalten Geld für nicht genommenen Urlaub des verstorbenen Mitarbeiters.

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In dem zu Grunde liegenden Fall aus Deutschland hatte die Witwe von dem Arbeitgeber ihres Mannes einen finanziellen Ausgleich für die insgesamt  angesammelten 140 offenen Tage Jahresurlaub verlangt. Der Mitarbeiter war seit 1998 in dem Unternehmen beschäftigt.  Von 2009 bis zu seinem Tod 2010 war er aufgrund einer schweren Erkrankung mit Unterbrechungen arbeitsunfähig. Das mit der Sache befasste Landesarbeitsgericht wollte vom EuGH erstens wissen, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht. Ferner wollte es wissen, ob eine solche Abgeltung von einem Antrag des Betroffenen im Vorfeld abhängt.

Bezahlter Jahresurlaub gehört zu den Grundpfeilern des Sozialrechts

In ihrem Urteil erinnerten die Luxemburger Richter daran, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts ist und dass die Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs darstellen (Rechtssache C-118/13). Bereits in der Vergangenheit hatte der EuGH  entschieden, dass der Arbeitnehmer im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf eine Vergütung hat, um zu verhindern, dass ihm jeder Genuss des Anspruchs auf Urlaub vorenthalten wird. Begründung: Das Unionsrecht stehe einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, nach denen dem Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung geschuldet wird, obwohl er krankheitsbedingt nicht in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs kommen konnte.

Kein vorheriger Urlaubsantrag erforderlich

Auch im Fall des Todes eines Arbeitnehmers stelle der finanzielle Ausgleich die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs sicher, betonte das Gericht. Der unwägbare Eintritt des Todes des Arbeitnehmers dürfe nicht rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen. Die Luxemburger Richter führten weiter aus, dass die Abgeltung des Urlaubsanspruchs auch  nicht davon abhängig gemacht werden dürfe, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt habe.

Folgen sind nicht so dramatisch

Fachanwalt für Arbeitsrecht Stefan Sasse, Partner in der Magdeburger Kanzlei Göhmann, gibt für Handwerksunternehmer zumindest Teilentwarnung: „Die Folgen der Rechtsprechung sind nicht so dramatisch. Denn der EuGH und ihm folgend das Bundesarbeitsgericht haben bereits für Fälle der Langzeiterkrankung festgestellt, dass ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsabgeltungsansprüchen nicht möglich ist. Urlaubsansprüche erlöschen 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres, in dem der Urlaub zu gewähren gewesen wäre.“

Urlaubsanspruch verjährt  nach drei Jahren

Weiter sei zu beachten, dass Urlaubsabgeltungsansprüche binnen drei Jahren verjähren und wichtiger noch auch Ausschlussfristen unterfallen. In der Vergangenheit ging das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass Ausschlussfristen auf Urlaubsabgeltungsansprüchen nicht anwendbar sind, da diese Ersatz für den nicht abdingbaren gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch waren. „Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht 2011 aufgegeben und auch den Urlaubsabgeltungsanspruch Ausschlussfristen unterworfen. So hat es zum Beispiel mit Urteil vom 18.09.2012 - 9 AZR 1/11 aufgrund des Eingreifens der Ausschlussfristen nach dem Manteltarifvertrag des Bäckerhandwerks in Baden-Württemberg Ansprüche abgelehnt“, so Sasse weiter. Konkret heißt das: Die Urlaubsabgeltungsansprüche müssen durch den Erben innerhalb der kurzen Ausschlussfristen geltend gemacht werden.

Urlaubsabgeltung kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden

Juristisch wird dann allerdings noch zu klären sein, wie es sich bei unklaren Erbverhältnissen oder Streits um die Wirksamkeit eines Testaments verhält. Wer muss und kann dann die Ansprüche geltend machen, so dass die Ausschlussfrist gewahrt wird? Auch wird es Situationen geben, in denen der Erbe erst nach Ablauf der Ausschlussfrist von seiner Erbenstellung erfährt oder der Erbe aufgrund der psychischen Ausnahmesituation nach dem Tod des Arbeitnehmers die Ausschlussfrist versäumt. Sasse: „Hier wird wahrscheinlich erst zukünftige Rechtsprechung Sicherheit bringen. Arbeitgebern ist zu empfehlen, in diesen Fällen die Ansprüche zurückzuweisen, sofern sie nicht aus anderen Gründen wie etwa der Anerkennung für die geleistete Arbeit des Verstorbenen die Zahlung leisten wollen.“

Für Arbeitgeber aus dem Handwerk wichtig zu wissen: Die Rechtsprechung findet auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig davon Anwendung, von wann der Arbeitsvertrag stammt. „Denn der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein gesetzlicher. Er kann auch nicht vertraglich abbedungen werden“, erläutert Anwalt Sasse