Am Freitag, den 13. Juni ist das neue Gesetz zur Umsetzung der europäischen Verbraucherrechterichtlinie in Kraft getreten. Das Datum lässt erahnen: Für Handwerker war das wahrlich kein Jubeltag. Was Sie künftig beachten sollten.
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Handwerker müssen nicht nur ihren Internetauftritt überarbeiten, sondern im Einzelfall auch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Und wenn sie später nicht die Dummen sein wollen, sollten sie ihren Kunden bestimmte Widerrufsformulare aushändigen. Das neue Gesetz ist nämlich eine wahre Fundgrube für neidische Konkurrenten und ihre Abmahnanwälte, aber auch für querulatorische Kunden, die trotz Bestellung irgendwie aus ihrer Zahlungsverpflichtung wieder herauskommen wollen.
Verbrauchsgüterkauf umfasst jetzt auch Dienstleistungen
Auch die Bundesrepublik Deutschland musste die Inhalte der EU-Verbraucherrichtlinie in nationales Recht umsetzen. Das Recht des Verbrauchers wird deshalb u.a. im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) umfassend neu geregelt. Hehres Ziel der Verbraucher-Richtlinie ist es, die Rechte des Verbrauchers europaweit zu vereinheitlichen, um so einen verlässlichen Verbraucherschutz zu gewährleisten. Dabei ist der europäische Gesetzgeber allerdings nach Meinung vieler Rechtsexperten weit über das Ziel hinausgeschossen. Nach alter Rechtslage mussten die den Verbraucher schützenden Normen nur bei Verträgen beachtet werden, die mit einem Verbraucher entweder im Rahmen des Fernabsatzes, in dessen Privatwohnung oder am Arbeitsplatz geschlossen wurden. Mit Fernabsatz sind alle Fernkommunikationsmittel gemeint wie das Internet, E-Mail, Telefon oder Telefax. Nach neuer Rechtslage finden die neuen Vorschriften im Fernabsatz sowie bei Verträgen Anwendung, die außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmens geschlossen werden. Die Krux dabei: Das Gesetz gilt auch für Handel und das Handwerk, da künftig nach der Neufassung des § 474 BGB, der bislang nur den Verbrauchsgüterkauf regelte, auch Dienstleistungen erfasst werden.
Juristischen Handwerkskasten zum Kunden mitnehmen
Da dann besondere vorvertragliche Informationspflichten und Sonderregelungen für das Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen des Widerrufs für Vertragsabschlüsse außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bestehen, sind Handwerker nur dann auf der rechtlich sicheren Seite, wenn sie gegenüber ihren Kunden darauf bestehen, den Vertrag in den Geschäftsräumen des Handwerksbetriebs zu unterschreiben. Handwerker, die ihren Geschäftsaktivitäten auch im Internet und außerhalb des eigenen Büros nachgehen - zum Beispiel auf der Baustelle oder in der Wohnung der Kunden, müssen dagegen einen ganzen juristischen Handwerkskasten in Form von Informationsblättern, Widerrufsbelehrungen und – formularen mit sich führen. Die Kunden leisten dann ähnlich wie bei der Beantragung eines Darlehens diverse Unterschriften, bevor der Handwerker überhaupt loslegt. Ob das realistisch ist, wird die Zukunft erweisen. Fakt ist jedenfalls, dass der Kunde den Vertrag mit dem Handwerker noch nach 12 Monaten und 14 Tagen widerrufen kann, wenn der Verbraucher versehentlich nicht oder nur unvollständig über sein Widerrufsrecht und die Widerrufsfolgen informiert wurde. Ob das Gesetz damit „ausgewogen“ ist, wie der Bundesverbraucherschutzminister Heiko Maas kurz vor dem Inkrafttreten der neuen Spielregeln erklärt, muss sich erst noch in der Praxis erweisen.
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Widerrufsrecht und seine Ausnahmen
Wie schon bisher besteht bei Fernabsatzgeschäften ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 355 BGB. Neu in das BGB aufgenommen wurde die Vorschrift des § 312 g BGB. Dessen Absatz 2 enthält eine umfangreiche Aufzählung von Verträgen, bei denen kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht, vornehmlich weil ein Widerruf mit der Art der Ware/der Dienstleistung oder der Interessenlage nicht in Einklang zu bringen ist. Als Beispiel seien genannt: individuell gefertigte, verderbliche, untrennbar mit anderen Gütern vermischte Waren oder versiegelte Datenträger, Zeitungen sowie fristgebundene oder eilige Dienstleistungen. „Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage sind jedoch Verträge über digitale Inhalte vor dem Hintergrund ihrer Beschaffenheit nicht mehr von dieser Ausnahmeregelung erfasst“, erklärt Rechtsanwalt Micheal Dreyer.
Ewiges Widerrufsrecht gehört der Vergangenheit an
Der Beginn der 14-tägigen Widerrufsfrist war bislang an eine spätestens bei Vertragsschluss in Textform mitgeteilte, ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung durch den Unternehmer gekoppelt. „Bei einer unterbliebenen oder fehlerhaften Belehrung begann die Widerrufsfrist erst gar nicht zu laufen, mit der Folge eines unbefristeten, ewigen Widerrufsrechts des Verbrauchers“, sagt Anwalt Dreyer. Nach der neuen Regelung beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist des Verbrauchers, sobald dieser die bestellte Ware vollständig erhalten hat (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a bis c BGB). Bei Verträgen über die regelmäßige Lieferung von Waren ist der Erhalt der ersten Lieferung maßgeblich (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. d BGB). Bei einem auf die Erbringung von Dienstleistungen oder Lieferung von digitalen Inhalten gerichteten Vertrag beginnt die Widerrufsfrist mit dem Vertragsschluss (§ 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Bei Dienstleistungsverträgen erlischt das Widerrufsrecht bereits mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung durch den Unternehmer, sofern dieser mit der Ausführung der Dienstleistung auf ausdrückliche Anforderung des Verbrauchers begonnen hat und der Verbraucher dem Unternehmer gegenüber ausdrücklich bestätigt hat, dass ihm in diesem Fall das Erlöschen seines Widerrufsrechts bewusst ist (§ 356 Abs. 4 Satz 1 BGB). Auch bei Verträgen über die Lieferung von digitalen Inhalten erlischt das Widerrufsrecht, wenn der Unternehmer mit Zustimmung des Verbrauchers bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Lieferung begonnen hat und der Verbraucher seine Kenntnis vom Verlust des Widerrufsrechts in diesem Fall bestätigt hat (§ 356 Abs. 5 BGB). Handwerker, die ihre Kunden nicht über das Widerrufsrecht informieren, sollten wissen: „ Das Widerrufsrecht erlischt jedenfalls spätestens ein Jahr und 14 Tage nach dem für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkt. Damit existiert fortan kein ewiges Widerrufsrecht mehr, selbst bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ist ein Widerruf nach dem genannten Zeitraum ausgeschlossen“, versichert Michael Dreyer, Rechtsanwalt in der Frankfurter Anwaltskanzlei Göhmann.
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Kein alternatives Rückgaberecht mehr
Die Widerrufserklärung musste nach der bisherigen Rechtslage in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) erfolgen, allerdings konnte dem Verbraucher statt des Widerrufsrechts ein Rückgaberecht eingeräumt werden, wodurch die kommentarlose Rücksendung der Ware die gleichen Rechtsfolgen wie ein Widerruf nach sich zog, sofern der Verbraucher nicht Gewährleistungsrechte geltend machen wollte und statt der Rückabwicklung Nachbesserung oder Nachlieferung verlangt hat. Diese Unsicherheiten bestehen laut Anwalt Dreyer fortan nicht mehr, da der Verbraucher den Widerruf seiner Vertragserklärung ausdrücklich zu erklären hat (§ 355 Abs. 1 BGB). Die Möglichkeit eines alternativen Rückgaberechts entfällt dagegen nach künftiger Rechtslage.
Verkürzte Rückgewährpflichten und Zurückbehaltungsrecht
Empfangene Leistungen waren bislang innerhalb von 30 Tagen zurückzugeben. Nunmehr regelt § 357 Abs. 1 BGB, dass die empfangenen Leistungen spätestens nach 14 Tagen zurückzugeben sind. Dabei steht dem Unternehmer jedoch ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis er vom Verbraucher die Ware oder zumindest einen Nachweis deren Absendung erhalten hat (§ 357 Abs. 4 BGB).
Kosten der Versendung
„Die Frage, wer im Falle eines Widerrufs durch den Verbraucher die Kosten für die Lieferung der Ware zu tragen hat, war bisher nicht gesetzlich geregelt, wurde von der Rechtsprechung jedoch dahingehend beantwortet, dass diese nicht dem Verbraucher auferlegt werden durften. Nunmehr wird gesetzlich festgehalten, dass der Unternehmer etwaig vom Verbraucher gezahlte Versandkosten zurückzugewähren hat (§ 357 Abs. 2 Satz 1 BGB), sofern es sich um die Kosten für die Standardlieferung handelt“, erläutert Rechtsanwalt Dreyer. Darüber hinausgehende Lieferkosten sind vom Verbraucher zu tragen. Die Rücksendekosten hatte bislang der Unternehmer zu tragen; sofern diese 40,- Euro nicht überstiegen, konnten sie dem Verbraucher auferlegt werden. Nach der neuen Regelung in § 357 Abs. 6 BGB hat der Verbraucher die Kosten der Rücksendung zu tragen, sofern er bei Vertragsschluss auf diesen Umstand hingewiesen worden ist und der Unternehmer sich nicht bereit erklärt hat, diese Kosten zu übernehmen.
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Neue Muster für Widerrufsbelehrung und Widerrufserklärung
Wie bisher stellt der Gesetzgeber den Unternehmern ein Muster für die Widerrufsbelehrung zur Verfügung. Fortan handelt es sich genau genommen um mehrere, für verschiedene Vertragstypen bereits spezifizierte Muster, wodurch sich die Komplexität der Handhabung aufgrund der geringeren Anzahl zu beachtender Gestaltungshinweise deutlich verringern dürfte. Das Muster für die Widerrufsbelehrung bei Fernabsatzverträgen ist in der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB enthalten. Neu ist, dass der Gesetzgeber auch ein Muster für eine Widerrufserklärung des Verbrauchers bereitstellt (Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB), worauf der Verbraucher gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB hinzuweisen ist.
Verstoß gegen einfache Informationspflichten setzt jetzt Widerrufsfrist in Gang
Für Unternehmer, die Waren und Dienstleistungen im Fernabsatz vertreiben, sind die Informationspflichten nunmehr in Art. 246a § 1 EGBGB detailliert geregelt. Dabei handelt es sich um kleine Änderungen und Ergänzungen. Insgesamt enthält der Paragraf 16 verschiedene Informationspflichten – von den wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen über den Gesamtpreis bis hin zu einem möglichen außergerichtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren, dem sich der Handwerker ggfls. unterworfen hat. Die gute Nachricht für Handwerker: „Die maßgebliche Neuerung ist hier, dass ein Verstoß gegen die Informationspflichten nicht mehr den Beginn der Widerrufsfrist vereitelt“, fasst Rechtsanwalt Michael Dreyer zusammen.
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Fazit: Verbraucherschutz mit erheblichen Nebenwirkungen
Tendenziell ist aber unverkennbar, dass die Dokumentationspflichten für den Handwerker steigen. Dieser ist nur noch dann auf der sicheren Seite, wenn er nachweist, den Verbraucherkunden vor Vertragsschluss über alle relevanten und gesetzlich verlangten Dinge informiert zu haben. Wie ihm das gelingen soll – dazu schweigt das Gesetz. Kunden, denen der Handwerker vor Auftragserteilung mehrere Unterschriften abverlangt, mit denen sie im Grunde genommen ähnlich wie bei Darlehensanträgen auf ihre Rechte verzichten, könnten künftig schneller abspringen. Der angeblich so ausgewogene Verbraucherschutz wäre dann teuer erkauft. Das Mehr an Verbraucherschutz könnten die Haushalte schon morgen als Minus in ihrer Haushaltskasse wiederfinden, wenn nämlich die Konjunktur auch dank EU-Verbraucherrichtlinie eingebremst wird.
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