Die Baumann-Kolumne "Neues von der Werkbank" Kommentar: Es geht auch digital – Schluss mit bürokratischen Papierorgien!

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Büroorganisation, Digitalisierung und Neues von der Werkbank – Kolumne von Ruth Baumann

Wenn manche Wälder sterben müssen, weil wir einen großen Bedarf an Papier haben, sollten wir uns an eine weitere natürliche Ressource erinnern: unser Gehirn und den eigenen Menschenverstand. Nutzt man diesen, sollte klar sein, dass die Zukunft im Handwerk digital und papierlos ist. Warum wissen das aber Ämter und Politik nicht?

Ruth Baumann
"Wir möchten Hand-Werken, unseren Menschenverstand wieder nutzen, nicht vom Papier erschlagen werden", klagt Ruth Baumann. - © Ruth Baumann

Würde man sein Gehirn nutzen oder wäre dessen Einsatz erlaubt, dann wäre es auch jedem klar, dass es kein Entrinnen vor der Übernahme von Verantwortung und der Verpflichtung zum Denken, zur Sinnhaftigkeit gibt. Wenn sich zum Beispiel der überwiegende Teil einer Ausschreibung in Vorbemerkungen und dem Auflisten der vorzulegenden Bescheinigungen erschöpft, läuft etwas verkehrt.

Muss man wirklich bei der Anfrage von Bauleistungen darauf hinweisen, dass keine Herabwürdigung des Geschlechts durch eine übertrieben herausgestellte Nacktheit auf Firmenfahrzeugen, Stundenlohnzetteln, Rechnungen etc.geduldet wird? Müssen wirklich so viele Bescheinigungen angefordert und beigelegt werden, um zu zeigen, dass es sich um eine seriöse Firma handelt? Vielleicht ist es aber auch angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Post ein Versuch, ein Konjunkturprogramm aufzulegen.

Warum dürfen einige Dokumente nur postalisch versendet werden?

Dem eventuellen Einwand, dass dies ja auch digital und papierlos gehen könnte, darf widersprochen werden. Erwähnt sei hier exemplarisch die qualifizierte Unbedenk-lichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft. Sie trägt ein Dienstsiegel und kann daher nur postalisch versendet werden. Wer nun glaubt, es läge an Wachs und Petschaft, was das Scannen und Faxen verhindert, der wird enttäuscht. Das Siegel ist ein einfacher Stempel und würde auch durch ein antikes Fax oder einen modernen Scanner passen. Dies würde der gesunde Menschenverstand sagen, aber der wird ja nicht gehört.

Bescheinigungen sollen beruhigen – haftungsbefreiend sind sie dennoch nicht

Die oft gewünschte Vorlage weiterer Bescheinigungen, wie beispielsweise die der Krankenkasse, der Haftpflichtversicherung, der Gewerbeanmeldung, des Eintrags in die Handwerksrolle usw., erfüllen dann die Funktion eines Therapeutikums zur Beruhigung. Je mehr man abheftet und archiviert, desto sicherer glaubt man sich vor eventuellen Rückforderungen. Dass manche Nachweise den Hinweis tragen, dass sie nicht haftungsbefreiend sind, hat man zwar gelesen, aber anscheinend nicht wirklich verstanden.

Hauptsache, man hat etwas abgeheftet und kann sein „Bemühen“ dokumentieren. Was „Bemühen“ bedeutet, weiß eigentlich jeder, der schon einmal ein Arbeitszeugnis in Händen hielt. Was muss eigentlich geschehen, dass man den Mut hat, zu fragen, weshalb man dann das Ganze eigentlich macht?

Protokolle statt Kontrolleure

Oder nehmen wir ein anderes Beispiel. Früher kam der Wirtschaftskontrolldienst in Lebensmittel verarbeitenden Betriebe, um vor Ort, direkt und ohne Vorwarnung, die Einhaltung der Hygienevorschriften, Vorgaben an die Liefer- und Kühlketten usw. zu kontrollieren. Ist es sauber, stimmt alles, wurde auch in den Ecken geputzt? Heute übernimmt diese Aufgabe das Papier.

Es sind Protokolle anzufertigen, die die herrschenden Temperaturen dokumentieren, wann, wo und wie oft mit welchen Putzmitteln gereinigt wurde. Diese Selbstauskunft wird dann gemailt und der vielleicht aufwändige Besuch vor Ort entfällt. Ist wirklich jemand der Auffassung, dass dieser Weg besser ist?

Papierorgien ersetzen bewährte Standards

Verstehen Sie meinen Zwischenruf bitte nicht falsch. Ich glaube immer noch auf den gesunden Menschenverstand, Verantwortlichkeit und Anstand im betrieblichen Alltag. Es kann aber nicht sein, dass man sich von bewährten Standards, beispielsweise der Handwerksordnung oder der VOB, in Teilen verabschiedet hat, um dann solchen „Papierorgien“ den Vorzug zu geben. Bekannte Qualitätssiegel verschwinden und werden durch Zertifikate, Bescheinigungen und Selbstauskünfte ersetzt, deren Sinnhaftigkeit sich in Kursgebühren, Emblemen usw. oft schon erschöpft hat und nicht nur den Verbraucher verunsichert.

Hält der verarbeitete Stahl länger, wenn man seinen Werdegang von der „Geburt“ bis zum Endverarbeitungsort lückenlos dokumentieren kann? Was in der Fleischverarbeitung wichtig ist, kann im anderen Gewerk lässlich sein. Weniger ist manchmal vielleicht mehr und wir sollten wieder die Zivilcourage haben, zwischen Sinn und Unsinn zu unterscheiden. Dies hat dann sicherlich auch seinen Preis, aber in einer fairen und nachhaltigen (!) Geschäftsbeziehung weiß man darum.

Fehlendes Vertrauen kann nicht mit Papier wiederhergestellt werden

Fehlendes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Betriebes kann am Ende  nicht mit Papier hergestellt werden, sondern füllt nur Ordner. Übrigens nicht nur im Regal, sondern auch auf dem Rechner. Wir möchten Hand-Werken, unseren Menschenverstand wieder nutzen, nicht vom Papier erschlagen und versteckt werden. Positvier Nebeneffekt: Die Wälder würden es uns wahrscheinlich auch danken.

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Die Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg

Die Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) Baden-Württemberg verstehen sich als Berater-, Informations- und Serviceorganisation für ihre Mitglieder und als berufsübergreifende Interessenvertretung. Organisiert sind darin aktive Frauen im Handwerk. Darunter Ehefrauen, Lebensgefährtinnen, Töchter oder Schwiegertöchter von Betriebsinhabern/Handwerksmeister, aber auch selbständige Handwerksmeisterinnen bzw. Unternehmerinnen im Handwerk.

In Baden-Württemberg gibt es 32 Arbeitskreise mit 1.681 Mitgliedern. Die Aktivitäten finanzieren sich hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge. Die Unternehmerfrauen im Handwerk stehen im Dialog mit den Handwerksorganisationen und arbeiten an innovativen Projekten mit, die dazu beitragen, die Zukunft des Handwerks zu sichern. Seit 1996 sind sie stimmberechtigtes Mitglied im Baden-Württembergischen-Handwerkstag.

Die Unternehmerfrauen im Handwerk setzen sich für die soziale Absicherung und generelle Unterstützung von Frauen im Handwerk ein, fordern die gesetzliche Anerkennung der enormen Leistungen, die Frauen im Handwerk vollbringen. Sie wollen erreichen, daß es für Frauen im Handwerk leichter wird, ihre umfassenden beruflichen und familiären Verpflichtungen zu erfüllen. Eines der wichtigsten Ziele ist, sich beruflich weiterzubilden, um den vielschichtigen Aufgaben und Anforderungen gerecht zu werden.

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