Die Besten Gründer Deutschlands

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Top Gründer

Der Gründerwettbewerb von handwerk magazin zeigt: Erfolgreiche Neuunternehmer suchen Marktnischen, setzen auf Trends, kümmern sich um ihre Mitarbeiter. Was die Top Gründer auszeichnet.

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    © Stefan Thomas Kröger
    Zimmerer Heinz Tretter belegte beim Top-Gründerwettbewerb von handwerk magazin den ersten Platz.
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    © KD Busch
    Sven Stelzel belegte beim Top-Gründer-Wettbewerb von handwerk magazin den zweiten Platz.
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    © Stefan Thomas Kröger
    Tim Kortüm belegte den dritten Platz im Top-Gründer-Wettbewerb von handwerk magazin.
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    Franz Falk
    © Hwk Region Stuttgart
    "Wer unternehmerisch denken kann, erkennt Marktchancen schneller als andere", Franz Falk, Betriebsberater und ­Geschäftsführer der Handwerkskammer in Stuttgart.
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    © Chart: handwerk-magazin
    Zimmerer und Optiker haben mit Abstand die besten Chancen, sich langfristig am Markt zu etablieren.
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    © Screenshot: handwerk magazin
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Manch einer würde sagen, dass Heinz Tretter eigentlich gar kein richtiger Handwerker mehr ist. In seinem Betrieb im oberbayerischen Lenggries produziert er patentierte Bauelemente aus Stahl und Holz – in Serie. Daraus montieren seine Kollegen für Kunden in aller Welt Hochseilgärten und Kletterwände. Der 40-Jährige selbst ist ständig auf internationalen Messen unterwegs, baut gerade den Vertrieb in Übersee auf und bietet Auftraggebern sogar Leasingfinanzierungen an. Zum Zimmern, dem Beruf, den er ursprünglich einmal gelernt hat, kommt er so gut wie gar nicht mehr. Für Freunde und Verwandte rücke er bisweilen noch aus, um einen Dachstuhl oder eine Blockhütte zu bauen, sagt Tretter. „Aber das machen wir eigentlich eher nebenbei.“

So sehen Sieger aus

Zimmerer Heinz Tretter ist Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs „Top Gründer im Handwerk“, denn er hat bewiesen, wie Handwerker mit unternehmerischem Geschick und Innovationskraft über ihr Gewerk hinauswachsen, um langfristig erfolgreich zu sein. Auch Tretter konnte seine Klettergärten natürlich nur entwerfen und bauen, weil er zuallererst ein Meister seines Gewerks ist. „Aber das genügt halt nicht“, sagt Franz Falk, Geschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart und Mitglied der Jury. „Erfolg haben Handwerker, die wie Unternehmer denken und handeln. Und das kann eben auch heißen, selbst gar nicht mehr als Handwerker zu arbeiten.“

Viele Gründer verkalkulieren sich

Beinahe jeder zweite Handwerksgründer überlebt mit seinem Betrieb die ersten fünf Jahre nicht, zeigen Statistiken der Handwerkskammern. Falk, seit Jahrzehnten in der Gründer- und Betriebsberatung seiner Kammer aktiv, weiß, dass die typischen Gründe fürs Scheitern meist sehr wenig mit mangelndem handwerklichem Können zu tun haben, aber dafür sehr viel mit kaufmännischen Schwächen: „Die Gründer verkalkulieren sich“, sagt Falk. „Sie wissen nicht, wie viel Aufwand in einzelnen Aufträgen steckt, und setzen die Preise zu niedrig an. Sie kennen den Markt und die Kunden nicht. Sie machen zu wenig Werbung.“ Das liege vielfach daran, dass sich Handwerksgründer falsche Vorstellungen von der Selbständigkeit machen – und dass ihnen das betriebswirtschaftliche Rüstzeug fehlt.

Umgekehrt gilt: Wer Erfahrung hat und professionell an die Sache herangeht, dessen Betrieb überlebt mit größerer Wahrscheinlichkeit. Das zeigt eine Studie des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk (ifh) an der Universität Göttingen. Danach sind Handwerksunternehmen stabiler, wenn ein Meister oder Altgeselle sich selbständig macht.

Es ist kein Zufall, dass auch die diesjährigen Preisträger allesamt kaufmännisch fit sind – sei es dank Zusatzqualifikationen oder Chef-Erfahrung. Zimmerer Heinz Tretter aus Lenggries etwa: Er ist technischer Betriebswirt, und er hat parallel zum Zimmern eine Skischule eröffnet und dort gelernt, wie man einen Betrieb führt. Für die Sommermonate baute er einen Klettergarten. Weil er ein guter Zimmerer ist, entwarf er dafür ein System aus Stahlmasten, Planken und sechseckigen Holz-Plattformen, die sich fast beliebig kombinieren und mit neuen Stationen erweitern lassen. Diesen „KristallTurm“, wie Tretter seine Kreation nannte, entdeckten Freizeitparkbetreiber im Internet und wollten ihn ebenfalls haben. 2010 bestellte der erste, Tretter gründete sein heutiges Unternehmen.

„Wer unternehmerisch denkt, erkennt eine solche Chance, denn Klettern ist ein Trendsport“, urteilt Jury-Mitglied Falk. Im zweiten Schritt geht es dann darum, eine klare Vision zu formulieren, wo man mit dem Unternehmen hin will. Tretter entschied sich für die konsequente Expansion: Inzwischen hat er zwölf KristallTürme verkauft, für bis zu 780 000 Euro pro Stück, unter anderem in die Schweiz und in den US-Bundesstaat Ohio. In seinen Orderbüchern stehen Anlagen für Russland, Indien, Dubai – und für zwei Kreuzfahrtschiffe. Er hat sich für den weltweiten Vertrieb mit einem Lieferanten von Wasserrutschen und einem Skilift-Hersteller zusammengetan. „Das explodiert gerade förmlich“, sagt Tretter.

Es ist ein wichtiger langfristiger Erfolgsfaktor für Handwerksgründer, den eigenen Platz auf dem Markt zu finden. Dazu aber müssen Gründer das Wettbewerbsumfeld und die Kunden kennen, sich dann auf deren Bedürfnisse einstellen. „Viele Gründer im Handwerk sind nicht marktorientiert genug“, sagt der Handwerksforscher Klaus Müller, Geschäftsführer des ifh in Göttingen. „Sie untersuchen nicht strukturiert, was die Konkurrenz tut und welche Nischen sich dadurch gegebenenfalls anbieten. Und sie vernachlässigen das Marketing.“

Malermeister Sven Stelzel aus Esslingen bei Stuttgart, Zweitplatzierter des diesjährigen Gründerwettbewerbs, ist da eine rühmliche Ausnahme. „Das Maler- und Lackiererhandwerk bietet meist schlechte Verdienstmöglichkeiten für einen Gründer“, hatte er schon 2009 erkannt, als er sich selbständig machte. Allein in Esslingen gab es damals 30 Malerbetriebe. Also verlegte sich der heute 27-Jährige auf eine Doppelstrategie: Zuerst suchte er nach Nischen, in denen noch nicht so viel Wettbewerb herrschte: das waren Schimmelsanierungen und das Installieren von Spanndecken. Bei den diesen spannen Stelzel und seine Mitarbeiter Spezialfolien zwischen Profilen auf. So entsteht eine glatte Oberfläche. Stelzels dritte Nische sind fugenlose Badezimmer mit Oberflächen aus einem besonderen, wasserdichten Putz.

Der zweite Teil von Stelzels Strategie: Er verkauft seine Dienstleistung unter verschiedenen Markennamen. Der Handwerker besitzt drei Fahrzeuge und drei Internetseiten, alle mit eigenem Auftritt für das jeweilige Spezialgebiet. „Traumgestaltung“ für Malergeschäft und Sanierungen, „Doktor Spanndecke“ und „Endlich Fugenlos“ für die Bäder. „Wenn wir als Doktor Spanndecke beim Kunden vorfahren, denken die, wir würden nichts anderes machen“, sagt Stelzel. Überhaupt sind ihm seine Kunden wichtig: „Gerade als Gründer muss ich erreichbar sein, freundlich, pünktlich und zuverlässig.“

Fachlich gut sein reicht nicht

Viele Handwerksgründer tun sich schwer damit, sich in diesem Maße auf Kunden einzulassen, weiß Frank Berting, der als Vorsitzender des Bundesverbandes der Handwerksjunioren in der Jury des Top-Gründer-Wettbewerbs sitzt. Im Laufe seiner Karriere hat der gelernte Metallbauer acht Betriebe kennengelernt – er weiß, wie unterschiedlich Handwerker wirtschaften. Fachlich gut zu sein reiche einfach nicht, warnt Berting. Kunden suchten sich heute einen Handwerker, indem sie bei Google suchen und dann schauen, ob andere Kunden schon Erfahrungsberichte geschrieben und Bewertungen abgegeben haben. „Man hat vielfältige Möglichkeiten, Handwerker zu vergleichen“, sagt der Experte. Er folgert: Gründer sollten sich darum bemühen, schnell gefunden und von Kunden weiterempfohlen zu werden.

Der Drittplatzierte des Gründerwettbewerbs, Bäckermeister Tim Kortüm aus Dortmund-Schüren, spielt dafür auf der ganzen Klaviatur der Medien. Schon bevor er die Bäckerei seiner Eltern im Jahr 2010 übernahm, entwarf er eine moderne Internet-Seite und Werbe-Flyer für den Betrieb. Vor allem sorgte er dafür, dass das „Schürener Backparadies“ sich einen Namen als Lieferant extravaganter Torten machte: Hochzeitstorten mit Fröschen, Superhelden-Kuchen für Geburtstage, sogar schlüpfrige Motive für Nachtclubs. Die schönsten Torten postet der Gründer seitdem auf der eigenen Facebook-Seite, die inzwischen schon knapp 1500 Fans hat.

Außerdem pflegt der 31-Jährige intensiv seine Kontakte zur Presse: Kortüms Mutter ist Holländerin, und deshalb ist das „Schürener Backparadies“ in Dortmund auch als „der Holländer“ bekannt. Klar dass er seinen Laden anlässlich der Fußballweltmeisterschaft mit vielen Oranje-Fahnen schmückte.

Koschere Backwaren

Als zweites Standbein hat der umtriebige Bäcker das Thema koschere Backwaren entdeckt, unter Aufsicht des Dortmunder Rabbiners hält er Milch-Produkte und Fleisch strikt getrennt, hat extra Backbleche und eigene Spülmaschinen angeschafft und beliefert jüdische Gemeinden in ganz Deutschland. Und natürlich hat Kortüm die Gelegenheit genutzt, als ein Team des ZDF in seiner koscheren Backstube drehen wollte. „Klar, das kostet mich Zeit“, sagt der Handwerker. „Aber Sie glauben gar nicht, was so ein Auftritt bringt. Das macht viele Leute neugierig, und noch einige Tage nach der Ausstrahlung merken wir, dass wir mehr Kunden haben als sonst.“

Bäckermeister Kortüm steht für zwei weitere wichtige Erfolgsfaktoren bei Handwerksgründungen. Als er 2005 den Meisterkurs absolvierte, lernte er Claire kennen. Und das Paar entschied: „Die Selbständigkeit machen wir zusammen – oder gar nicht“, erinnert sich der Handwerker. „Sonst sieht man sich ja kaum, und die Beziehung leidet.“ Inzwischen sind die beiden verheiratet, seine Frau kümmert sich um Verkauf, Planung, Endkontrolle der Backwaren und die Auszubildenden. Der zweite Erfolgsfaktor sind die Mitarbeiter. „Gute Leute sind schwer zu finden“, sagt der Gründer. „Deshalb motivieren wir das Personal. Jeder sollte so sein, wie er sich seinen Kollegen wünscht.“ Er bietet Eltern flexible Arbeitszeiten an, zahlt Lehrlingen Zuschüsse zum Führerschein und verleiht schon mal den Lieferwagen, wenn das Auto eines Mitarbeiters eine Panne hat. Kortüm hat eben früh eingesehen: Einen Handwerksbetrieb zu führen ist etwas völlig anderes als einfach nur Handwerker zu sein.